Hamburg. Gastronomen sind verärgert, weil immer häufiger reservierte Tische leer bleiben. Womit Doppelbucher und Unzuverlässige rechnen müssen.

  • Gastronomen in Hamburg sind sauer: Die Zahl der Tische, die trotz Reservierung leer bleiben, steigt
  • Restaurants reagieren: Die einst unbeliebte "No Show"-Gebühr wird immer häufiger Standard
  • Sterne-Restaurants beobachten teils gegenläufigen Trend

Tisch reservieren – und dann einfach nicht erscheinen: Offensichtlich sagen immer mehr Gäste ihre Buchungen nicht ab, sehr zum Ärger der Gastronomen. Diese sogenannte „No show“-Rate, wie das Nicht-Erscheinen in der Branche genannt wird, hat sich laut einer Umfrage des Schweizer Unternehmens Lunchgate seit der Wiedereröffnung der Restaurants nach den coronabedingten Schließungen im deutschsprachigen Raum bis zu verfünffacht.

Für Deutschland liegen zwar noch keine konkreten Zahlen vor, doch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) beobachtet schon seit Längerem „leider“ eine Zunahme dieses Negativtrends, wie Ingrid Hartges, die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands, gegenüber dem Hamburger Abendblatt bestätigt: „Auf dem Land, wo noch jeder jeden kennt und die gastronomische Auswahl begrenzter ist, kommt es weniger vor, aber in Metropolen wie Berlin und Hamburg ist die Unverbindlichkeit ausgeprägter.“

Restaurant Hamburg: Leere Tische trotz Reservierung – so reagieren Gastronomen

Hannes Schröder, der unter anderem das Restaurant Küchenfreunde am Lehmweg oder auch das Herzstück an der Osterstraße betreibt, spricht von einem „alltäglichen Problem“ und „Riesenthema“: „Insbesondere Gäste der jüngeren Generationen reservieren in vier bis fünf Läden gleichzeitig, um sich dann am Abend spontan zu entscheiden. Für uns Gastronomen ist das natürlich schmerzhaft, wenn ein fest eingeplanter Tisch einen Abend lang frei bleibt.“

Eine Ursache für dieses Verhalten sieht Hannes Schröder in dem unpersönlichen Buchungsprozess über Online-Portale. Schon häufig habe er darüber nachgedacht, eine „No show“-Gebühr zu erheben, sich dann aber doch immer dagegen entschieden. „Damit baut man ja schon eine Art Hemmschwelle auf, und der Gast reserviert womöglich gar nicht mehr.“

Cornelia Poletto: Es nervt, dass Gäste nicht über Verhalten nachdenken

Auch Cornelia Poletto behält bisher kein Geld von Gästen ein, die ihre Reservierung ohne Absage nicht wahrnehmen: „Aber ich denke auf jeden Fall darüber nach. Ich habe ein kleines Restaurant mit nur 40 Plätzen. Fällt einer Vierergruppe dann spontan ein, doch nicht zu kommen, sind das mal eben zehn Prozent meiner Kapazität, die nicht ausgelastet sind.“ Über das wirtschaftliche Ausmaß machten sich die Gäste einfach gar keine Gedanken, sagt die beliebte Gastronomin: „Und das nervt.“

Auch Cornelia Poletto überlegt, eine „No show“-Rate einzuführen.
Auch Cornelia Poletto überlegt, eine „No show“-Rate einzuführen. © studiolassen.de | studiolassen.de

Tatsächlich sei es in den Restaurants der Stadt bisher noch wenig verbreitet, dass der Gast bei Nicht-Erscheinen zahlen müsse, sagt die Hamburger Dehoga-Landesgeschäftsführerin Ulrike von Albedyll.

Eine Ausnahme sind jedoch zum Beispiel die Vlet-Restaurants in der City und in der Speicherstadt, die zu Nord Event gehören: Wer dort trotz Mail-Erinnerung seinen Tisch nicht absagt, muss pro Gast 50 Euro zahlen. Die Kreditkartendaten werden bei Buchung beim Online-Reservierungsportal OpenTable hinterlegt. „Wir machen das bereits seit 2019 und stellen fest, dass sich die Disziplin der Gäste seither deutlich verbessert hat“, sagt Johanna Linow von Nord Event.

Spitzenköche verlangen in Restaurants "No show"-Rate

Unter Hamburgs Spitzenköchen ist es dagegen deutlich verbreiteter, eine „No show“-Rate zu erheben. Zweisternekoch Thomas Imbusch setzt sogar schon seit 2018, seit er mit Ehefrau Sophie Lehmann das Restaurant 100/200 eröffnete, auf ein Ticketsystem, das er sich von einem Dreisternekollegen aus Chicago abgeschaut hat.

Anfangs habe er Kritik einstecken müssen: „Aber wir sind sehr zufrieden damit, hatten gerade einmal drei Stornierungen in fünf Jahren.“ Es sei traurig, aber eine gewisse „Erziehung“ funktioniere oft doch leider nur übers Portemonnaie. „Und wir Gastronomen müssen doch auch kalkulieren; wir haben Topprodukte, eigene Tiere und halten ja auch entsprechend Personal bereit.“

Bei Thomas Imbusch kauft der Gast also praktisch eine Karte fürs Gourmetmenü. „So, als buche man ein Ticket für ein Udo-Lindenberg-Konzert. Wenn man an dem Abend dann nicht kann, muss man auch eine andere Lösung suchen.“ Selbstverständlich sei man aber kulant, falls ein Gast begründet (und auch kurzfristig) absage: „Dann schauen wir natürlich gemeinsam, ob wir einen anderen Termin finden. Wir wollen die Gäste ja nicht ärgern, sondern nur sensibilisieren.“

Kevin Fehling lässt Gäste kostenfrei absagen – bis zu 48 Stunden vor Termin

Im The Table von Dreisternekoch Kevin Fehling in der HafenCity darf der Gast bis zu 48 Stunden vor Termin kostenfrei seine Buchung stornieren, danach werden 275 Euro pro Person fällig, sofern es dem ex­trem nachgefragten Restaurant nicht gelingt, die Plätze neu zu vergeben. Auch das Gourmetrestaurant Haerlin von Zweisternekoch Christoph Rüffer im Hotel Vier Jahreszeiten behält eine Gebühr ein, wenn der Gast nicht 24 Stunden vor Termin absagt.

Grundsätzlich seien jedoch „No shows“ aber auch im Jahreszeiten Grill und im Nikkei Nine, den anderen gastronomischen Angeboten des Luxushotels, kein großes Thema, so Sprecherin Julia Burmeister. „Unser Gefühl ist eher, dass die Verbindlichkeit nach Corona zugenommen hat. Unsere Gäste, die wir fürs Haerlin aber beispielsweise auch noch mal an ihre Reservierung erinnern, sagen doch sehr zuverlässig ab, sollten sie verhindert sein.“

Rive in Hamburg: Gebühr fürs Nicht-Erscheinen an "sensiblen Tagen"

Yvonne Tschebull, die mit ihrem Mann sowohl im Levantehaus das wohl bekannteste österreichische Restaurant der Stadt sowie das Rive an der Elbe betreibt, erhebt zumindest im zweiten Laden an „sensiblen Tagen“, also freitags und sonnabends, seit anderthalb Jahren eine „No show“-Gebühr von 50 Euro pro Gast. „Das führt zu spürbar mehr Disziplin“, sagt die erfahrene Gastronomin. „Es ist sonst einfach ärgerlich, wenn man einen Tisch, den man schon dreimal hätte vergeben können, freihält für Gäste, die nie erscheinen.“

Im Tschebull gebe es diese Gebühr noch nicht – das habe mit dem Standort zu tun. „Im Levantehaus haben wir immer Gäste, die nach dem Shopping noch spontan und ohne Reservierung auf ein Schnitzel reinschauen wollen. Im Rive fehlt uns diese Laufkundschaft komplett, da kommt nach 20 Uhr niemand mehr.“

Restaurant Hamburg: Gänse im Lenz nur noch gegen Vorkasse?

Auch Lenz Leslie Himmelheber ärgert sich, wenn Gäste unbegründet fernbleiben. „Deshalb kann ich mir gut vorstellen, für Weihnachts- und Silvesteressen Karten zu verkaufen und auch bei Gänsebestellungen auf Vorkasse zu setzen“, sagt der Gastgeber aus dem Lenz in Duvenstedt.

Gerade erst sei er aus Südafrika zurückgekehrt; dort sei es, wie auch in den USA, üblich, bei Reservierung die Kreditkartendaten zu hinterlegen, sodass im Falle des Nicht-Erscheinens ein Betrag abgebucht werde. „Ich will doch um Himmels willen meine Gäste nicht nerven, aber angesichts der steigenden Preise und Personalkosten müssen wir alle rechnen.“