Hamburg. Betroffene sollten ein paar grundlegende Regeln beachten, sagt Dr. Matthias Riedl. Und eins müssen sie unter allen Umständen vermeiden.
Migräne hat einen schlechten Ruf. Wer daran leidet, ist nämlich häufig zeitweise außer Gefecht gesetzt. Doch Dr. Matthias Riedl hat für die Betroffenen eine gute Nachricht: „Migräniker haben Hochleistungsgehirne. Sie können im Gehirn besser vernetzen und bestimmte Gedanken zusammenbringen und sie sind hochsensibel, was riechen, schmecken und hören angeht. Und diese Hochleistungsgehirne sind einfach im Schnitt besser als die ,Ottonormalgehirne’.“
Allerdings, und das sei der Nachteil, seien sie anfälliger. Man könne sie mit einem Hochleistungsmotor vergleichen, der in besonderen Situationen viel leistet, sagt der Ernährungsmediziner im Podcast „Dr. Matthias Riedl: So geht gesunde Ernährung.“ Und tatsächlich spiele die Ernährung eine wichtige Rolle.
Er habe im engeren Kreis der Geschäftsführung des Medicum Hamburg drei Migränikerinnen. „Ich merke bei denen, die sind wirklich leistungsbereit und kriegen die Gedanken gut sortiert. Das freut mich immer, weil ich bin da eher der wirre Kreative und die drei anderen sind die, die das alles schön sortieren, alle den Überblick behalten“, sagt der ärztliche Leiter des Medicum.
Ernährungs-Doc: Migräne hat nicht nur Schattenseiten
Leider habe Migräne ihre Schattenseiten. „Von Schmerz geplagt zu sein, das ist ein Drama. Aber mit Ernährung kann man da eine Menge machen und die Anfallshäufigkeit reduzieren.“ Sein Ratschlag: „Die Migräne ist ein evolutionärer Gewinn, eine Besserleistung im Gehirn, die das Gehirn leider anfälliger macht. Das ist das eine. Aber vielleicht ist die gute Botschaft für alle mit Migräne, dass wir sagen: Betrachte dich als jemand, der eine besondere Begabung hat, kümmere dich um dein Gehirn und halte es leistungsbereit.“
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Das Hochleistungsgehirn brauche eine gute Versorgung – wie auch ein Hochleistungsmotor. „Es braucht viel Energie und die muss regelmäßig zugeführt werden“, sagt der aus dem Fernsehen bekannte Ernährungs-Doc. Bei Migränikern könnten beispielsweise lange Fastenphasen und und unregelmäßige Nahrungsaufnahme Anfälle auslösen, aber auch wirklich viel Ungesundes. „Wir sind eher bei vier, fünf oder sechs Mahlzeiten, was wir im normalen Ernährungskontext nicht empfehlen.“ Snacking wirke bei Migränikern anfallsmindernd und sei daher bei ihnen empfehlenswert. „Sie brauchen eher einen konstanten Blutzuckerverlauf.“
Etliche Lebensmittel sind als Auslöser bekannt
Es gebe viele Lebensmittel, die als Auslöser bekannt seien, zum Beispiel Süßigkeiten, Schokolade, Weißmehl-Produkte, aber auch Alkohol wie Rotwein, Sekt oder Liköre. „Solche Dinge sollte man eher weglassen“, sagt der Ernährungsmediziner, Internist und Diabetologe.
Migräniker sei aber nicht gleich Migräniker. „Der eine ist sehr, sehr schwer betroffen und der andere weniger. Man kriegt es dadurch am besten raus, indem man ein Ernährungs-Symptom-Protokoll führt und dann daraus Rückschlüsse zieht, indem man Dinge weglässt, um zu schauen, ob es dann vielleicht ohne Anfall geht.“ Auch Lebensmittel, die viel Histamin enthalten, könnten Probleme bereiten. „Histamin ist ein Botenstoff, den wir im Körper haben und dieser Botenstoff führt zu Gefäßerweiterungen.“
u den Histaminreichen Lebensmitteln gehörten Erdbeeren, Zitrusfrüchte, aber auch Schokolade, Rotwein, Salami oder auch bestimmte Fertiggerichte. „Die können durchaus so was auslösen. Das ist Detektivarbeit“, sagt der Ernährungs-Doc. Man solle nach dem Ausschlussprinzip vorgehen, um die Trigger für Migräneanfälle rauszufinden. Das könne auch zum Beispiel bei gereiftem Käse passieren. Der sei reich an einer ganz bestimmten Aminosäure. Das müsse man ausprobieren. Auch Konservierungsstoffe oder Geschmacksverstärker seien oft problematisch. „Menschen reagieren halt sehr, sehr unterschiedlich.“
Wie man den Flüssigkeitsbedarf errechnet
Besonders wichtig sei eine gleichmäßige gute Flüssigkeitsversorgung: „Wir wissen, dass wenn wir einen Flüssigkeitsmangel von einem Prozent haben, unsere Leistungsbereitschaft körperlich wie geistig um zehn Prozent sinkt. Das ist ein enormer Hebel für Migräniker und Ottonormalverbraucher.“ Man werde dann ein bisschen schlapp. Ein Migräniker könne das noch viel weniger ab.
„Er oder sie braucht eine gleichmäßige Flüssigkeitsversorgung über den ganzen Tag schön verteilt. Faustregel ist 0,03 Milliliter pro Kilogramm Körpergewicht. Das heißt also, man nimmt sein Körpergewicht mal drei und wenn man 50 Kilo wiegt, braucht man anderthalb Liter., wenn man 100 Kilo wiegt, dann drei Liter.“
Gesunde Lebensmittel sind für Migräniker sehr entscheidend
Gegen Migräne-Attacken gibt es laut Riedl kein Allheilmittel, zumal die Auslöser so unterschiedlich sein können. „Wenn man seine Auslöser kennt und zum Beispiel weiß, dass man auf Wassermangel empfindlich reagiert oder auf eine schlechte Mahlzeitenzufuhr, dann sollte man das, so lange es noch geht, schleunigst korrigieren“, sagt der Autor von etwa 30 Bestsellern zum Thema Ernährung. Dieses Zeitfenster sollte man nutzen. „Man muss sozusagen sein eigener Behandler werden, das ist bei der Migräne wichtig.“ Es gebe zwar auch Medikamente, die Anfälle abmildern, aber besser sei es, die Anfallshäufigkeit zu reduzieren.
Für das Hochleistungsgehirn eines Migränikers seien neben einer gleichmäßigen Nährstoff- und Flüssigkeitsversorgung gesunde Lebensmittel sehr entscheidend. Riedl zitiert eine neue Studie: „Wenn ich die Fettqualität im Essen erhöhe, also mehr Omega-3-Fettsäuren und weniger Omega-6-Fettsäuren zu mir nehme, kann ich sowohl die Anfallshäufigkeit als auch die Anfallsschwere damit positiv beeinflussen. Man muss gucken, ob man einen guten Omega-3-Fettsäuren-Index im Blut hat. Das kann man messen lassen und wenn der zu niedrig ist, dann lohnt es sich, ihn anzuheben.“
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Omega-3-Fettsäuren seien vor allem in marinen Lebensmitteln enthalten, beispielsweise in Algen und Fisch, aber auch in Bio-Eiern oder Biomilch. „Wir haben in unserer Gesellschaft eine starke Verarmung an diesen Omega-3- Fettsäuren. Das liegt daran, dass der Deutsche sich zu 50 Prozent aus Fertigprodukten ernährt und die sind nahezu frei von Omega-3-Fettsäuren. Wir haben eine etwa zehnfach schlechtere Versorgung als unsere Vorfahren vor 150, vor 200 Jahren.“ Die westliche Ernährung werde dem Migräniker zum Verhängnis. „Niemand profitiert mehr von einer gleichmäßigen Versorgung mit wirklich gesunden Lebensmitteln als der Migräniker.“
Eine Ernährungs-Empfehlung gilt laut Riedl für Menschen mit Migräne explizit nicht: „Finger weg vom Intervallfasten. Das kann wirklich böse enden. Ich kenne ganz viele, die sich damit in einen Anfall gefastet haben.“