Hamburg. Krankenschwester wurde ihr Rad in Eimsbüttel gestohlen. Täter vier Tage später in Gelsenkirchen gefasst. Wie sie überführt wurden.

Ohne das gewisse Etwas wäre ihr in Eimsbüttel gestohlenes E-Bike vermutlich als Karteileiche auf der Halde nicht aufgeklärter Hamburger Fahrraddiebstähle entsorgt worden. Doch Katharina B. aus Klein Flottbek hat die Täter ausgetrickst – mit moderner Technik und aus Hunderten Kilometer Entfernung.

Ein kleines, clever verstecktes Gerät, ein Handy und motivierte Polizisten reichten aus, um sie vier Tage nach dem Diebstahl zu überführen. Jetzt wird gegen die drei mutmaßlichen Fahrrad-Hehler ermittelt, auch wegen des Diebstahls. Die Hamburgerin aber frohlockt: „Ich freue mich voll, dass so ein Fahrraddiebstahl mal nicht folgenlos bleibt und ich mein Lieblingsfahrrad zurückbekomme.“

E-Bike in Eimsbüttel gestohlen – doch die Diebe begehen einen Fehler

Katharina B. lebt in Klein Flottbek und arbeitet als Palliativkrankenschwester, das Büro ihres Teams liegt an der Hohen Weide. Um in Corona-Zeiten nicht mehr auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen zu sein, hat sie sich vor drei Jahren ein E-Bike der Marke I:SY gekauft. Normalerweise parkt die 41-Jährige ihr 3600 Euro teures Hightech-Rad im Büro. Doch am vergangenen Freitagabend vergisst sie es, stellt es – zum ersten Mal überhaupt – draußen ab.

Sie hat mehrere Schichten, zwischendurch ist sie auch mal woanders. Nach Hausbesuchen am Sonntag will sie nach Klein Flottbek zurückradeln – doch das Rad ist verschwunden. „Ich dachte, mich trifft der Schlag“, sagt Katharina B. Doch die Diebe haben einen großen Fehler begangen. Sie wissen es nur noch nicht.

Am Sonnabend wird das E-Bike in Eimsbüttel gestohlen. 
Am Sonnabend wird das E-Bike in Eimsbüttel gestohlen.  © Privat

Diebe ausgetrickst, Ortungsgerät in der Klingel versteckt

Um ihr Rad vor Diebstahl zu schützen, hat Katharina B. nämlich in der speziell präparierten Klingel einen Airtag versteckt. Das ist ein kleines, scheibenförmiges Ortungsgerät, dessen Position sie mit ihrem iPhone ermitteln kann – aus der Ferne auf 100 Meter genau, mit dem Handy in der Nähe sogar zentimetergenau (siehe Kasten rechts).

Als Katharina B. den Diebstahl am Sonntag auf der Polizeiwache an der Sedanstraße in Eimsbüttel meldet, startet sie die App „Wo ist?“. Aus den Daten geht hervor, dass der Airtag am Sonnabend ein Signal aus dem Bereich Rosengarten (Niedersachsen) gesendet hat. Am Sonntag um 16 Uhr zeigt er den Standort: „Nienhausenstraße 40-42, 45883 Gelsenkirchen“ an. Eine Recherche über Google Maps ergibt: Dabei handelt es sich um einen Parkplatz an der Gelsenkirchener Trabrennbahn.

Der Airtag meldet sich vom Parkplatz an der Veltins Arena.
Der Airtag meldet sich vom Parkplatz an der Veltins Arena. © Privat

Nach Raddiebstahl: Hamburgerin hilft bei Ermittlungen

Ehe sie sich versieht, steckt Katharina B. mittendrin in den Ermittlungen. Die Hamburger Beamten stellen einen Kontakt zu den Kollegen in Gelsenkirchen her, die eine Streife zur angezeigten Position schicken. Dort stehen Garagen und mehrere Sprinter. Irgendwo da wird ihr Pedelec schon sein.

Das Problem: Aus der Distanz ist die Auflösung der Position zu ungenau, und auf einen recht vagen Verdacht hin, darf die Polizei nicht alles durchsuchen; die Beamten rücken wieder ab. Als Katharina B. am Tag darauf für einige Zeit kein Signal ihres Airtags empfängt, sieht sie schwarz. „Ich dachte schon, dass die Täter den Tracker entdeckt und unschädlich gemacht haben.“

Nur Katharina B. kann die Diebe in Echtzeit verfolgen

Aufatmen am Dienstag – das Gerät zeigt wieder eine aktuelle Position. Ihr Pedelec steht jetzt auf einem auch als Flohmarktgelände genutzten Parkplatz an der Veltins Arena auf Schalke. Eine Polizistin versucht noch, sich auf ihrem eigenen iPhone mit Katharina B.s Daten anzumelden, um so Zugriff auf die Geo-Daten des Airtags zu bekommen. Das klappt aber nicht. Den Standort der Diebe in Echtzeit verfolgen, kann nur die 350 Kilometer entfernte Katharina B.

Am Dienstag durchkämmen die Beamten das Areal am Stadion, dabei erregen ihren Verdacht mehrere Transporter mit litauischem Kennzeichen, nicht weit entfernt vom vermuteten Ursprung des Signals. Nur lässt sich die Position ohne das iPhone von Katharina B. eben nicht mit der erforderlichen Genauigkeit für eine Durchsuchung bestimmen. „Ich hatte deshalb sogar überlegt, selbst nach Gelsenkirchen zu fahren“, sagt die 41-Jährige.

Hamburgerin ist Polizisten „unendlich dankbar"

Muss sie aber nicht mehr. Wenig später kurven die Täter mit ihrem E-Bike über die Autobahn 2, und am Dienstagabend steht ihr E-Bike dort, wo sie es am Sonntag erstmals geortet hat: auf dem Parkplatz an der Trabrennbahn. Wieder schwärmen Polizeibeamte aus und entdecken dort auch zwei der zuvor als verdächtig eingestuften litauischen Transporter.

An der Trabrennbahn werden die Täter gefasst.
An der Trabrennbahn werden die Täter gefasst. © Privat | Privat

Für die Polizei hat sich der Verdacht jetzt hinreichend erhärtet – Zugriff um 22.30 Uhr. In den Fahrzeugen stoßen sie auf das E-Bike und auf fünf weitere als gestohlen gemeldete Fahrräder. Gegen 0.20 Uhr erfährt Katharina B. am Telefon von dem erfolgreichen Einsatz. Allerdings seien Teile des Pedelecs abmontiert worden, erzählt ein Beamter. „Hoffentlich kann ich es noch benutzen und es fehlen nur leicht ersetzbare Teile“, sagt Katharina B. „Der Sachschaden ist für mich nicht unerheblich.“ Den Polizisten sei sie „unendlich dankbar, dass sie allen Hinweisen ernsthaft nachgegangen sind und immer mega-freundlich und hochmotiviert waren“.

Polizei Hamburg nimmt E-Bike-Diebe fest – dank moderner Technik

In den Transportern mit der Hehlerware hatten sich kurz vor dem Zugriff die drei Insassen fertig gemacht zum Schlafen. Die Beamten nahmen zwei Männer (60,56) und eine 55 Jahre alte Frau ohne festen Wohnsitz in Deutschland fest. Sie seien zunächst in Polizeigewahrsam gebracht worden, sagte Merle Mokwa, Sprecherin der Polizei Gelsenkirchen. Gegen sie läuft jetzt ein Strafverfahren wegen gewerbsmäßiger Hehlerei und wegen Diebstahls. Gestern kam das Trio gegen eine Sicherheitsleistung in einer von der Polizei nicht genannter Höhe auf freien Fuß.

Katharina B. freut sich über das Happy End. Doch die meisten Opfer von Fahrraddiebstählen in Hamburg warten vergeblich darauf. Durchschnittlich werden hier jeden Tag 40 Fahrräder geklaut, und so gut wie keine Tat wird aufgeklärt. Aus der jüngsten Kriminalstatistik der Polizei geht hervor, dass die Zahl der Diebstähle im Vorjahr noch einmal gestiegen ist – um drei Prozent auf 14.735 Fälle. Nur in Berlin und Bremen sieht es ähnlich düster aus.

Bei den Tätern besonders begehrt seien hochwertige Fahrräder, so der Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft Insbesondere solche Pedelecs würden seiner Erfahrung nach immer häufiger mit Airtags ausgerüstet, sagt der Hamburger Polizeisprecher Sören Zimbal. „Natürlich begrüßen wir als Polizei entsprechende technische Sicherungen.“.