Hamburg. Tarifrunde für 50.000 Beschäftigte bei Müllabfuhr, Kitas und andere städtische Unternehmen. Ver.di droht mit Arbeitskampf.
Wer im vergangenen Sommer seinen Flug in den lang ersehnten Jahresurlaub verpasst hat, weil er zu lange am Check-in warten musste, oder wer eine Absage für eine dringende Krankenhaus-OP erhalten hat, dürfte sich noch gut daran erinnern können. Ebenso dürften wohl alle Eltern mit Kindern im Kita-Alter ein Lied davon singen können, was es bedeutet, wenn die Kita plötzlich schließt und sie mal wieder panisch auf der Suche nach einer Ersatzbetreuung sind. Es war spätestens die Pandemie, die aufzeigte, wie sehr es auch in Hamburg auf jede einzelne Arbeitskraft ankommt.
Bald schon aber könnte es erneut zu derartigen Situationen kommen. Dann aber nicht allein wegen einer Pandemie, sondern wegen fehlender Einigung. Ob überfüllte Mülltonnen, ein eingeschränkter Betrieb in der Notaufnahme oder geschlossene Kindertagesstätten – in jedem Fall dürfte es für die Hamburgerinnen und Hamburger ungemütlich werden, falls die Gewerkschaften sich im Rahmen der anstehenden Tarifverhandlungen Ende Januar mit dem Bund und der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) nicht einigen können.
Drucksituation für viele Beschäftigte
„Das wird eine schwierige Zeit für Hamburg, wenn die Arbeitgeber nicht erkennen, dass es Investitionen in die Menschen bedarf“, sagt Berthold Bose, Landesbezirksleiter der Gewerkschaft Ver.di. Wegen „großer Versäumnisse in der Vergangenheit“, so Bose, befänden sich gerade viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der städtischen Betriebe in einer existenziell bedrohlichen Situation. Allein die Miete und Kosten für Lebensmittel zu decken sei für viele Beschäftigte der unteren Gehaltsklassen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) derzeit eine kaum zu bewältigende Drucksituation. Ganz zu schweigen von den extrem gestiegenen Energiekosten.
Um diese Situation zu entschärfen, fordert die Gewerkschaft deshalb eine Erhöhung der Tarifgehälter der städtischen Beschäftigten um 10,5 Prozent, mindestens aber um 500 Euro mehr pro Monat. Für einen Mitarbeiter der Stadtreinigung, bei der besonders viele Beschäftigte in niedrigen Lohngruppen arbeiten, wäre dies mit einem monatlichen Entgelt von 2456,51 Euro in der Entgeltgruppe 4 eine beachtliche Lohnsteigerung.
Im Koalitionsvertrag des rot-grünen Senats heißt es unter dem Punkt „Zusammenhalt und Teilhabe“, Hamburg wolle „eine Stadt der guten Arbeit“ sein. Dazu gehöre, so Bose, „faire Löhne zu zahlen und auch für genügend Beschäftigte zu sorgen, die die Arbeit am Ende leisten“.
Tarifstreit: Unterschriften an Dressel am 23. Januar
Beginnen wird die Tarifrunde auf Bundesebene am 23. Januar in Potsdam. In Hamburg wird Ver.di an diesem Tag Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) 8000 der bundesweit insgesamt 250.000 gesammelten Unterschriften vor der Finanzbehörde übergeben. Eine zweite Verhandlungsrunde ist für den 22. und 23. Februar und eine dritte vom 27. bis 29. März angesetzt.
Konkret betreffen die Forderungen rund 50.000 Beschäftigte der städtischen Betriebe, Bundesbehörden sowie der Asklepios-Krankenhäuser in Hamburg. Vor allem die Krankenhäuser stellen mit rund 20.000 Beschäftigten die meisten Betroffenen, sowie die Elbkinder-Kitas mit circa 6800 und die Stadtreinigung mit 3500 öffentlich Beschäftigten. Neben der Erhöhung der Tarifgehälter fordert die Gewerkschaft zudem, die Entgelte der Auszubildenden, Studierenden und Praktikantinnen und Praktikanten um 200 Euro pro Monat zu erhöhen sowie eine Laufzeit der Regelungen von 12 Monaten.
Letzte Erhöhung von 1,8 Prozent am 1. April 2022
Darüber hinaus sollen Auszubildende nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung künftig unbefristet übernommen werden. „Wer nun denkt, der öffentliche Dienst streikt ja irgendwie immer, der liegt falsch“, betont die stellvertretende Ver.di-Landesbezirksleiterin Sieglinde Frieß. Die letzte Erhöhung um 1,8 Prozent gab es am 1. April des vergangenen Jahres. Da die Arbeitgeber eine „sehr ablehnende Haltung“ gegenüber den Forderungen der Beschäftigten einnähmen, könne es durchaus sein, dass es bis hin zu Erzwingungsstreiks komme, so Sieglinde Frieß. „Wir hoffen zwar, dass wir nicht so lange verhandeln müssen und zeitnah eine Einigung erzielen können“, doch sei die Streikbereitschaft der Hamburger Beschäftigten in allen Sparten und Betrieben groß.
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Von der Finanzbehörde gab es keine Äußerung zu den Forderungen. Sie verwies lediglich auf die für 2024 im Rahmen der jährlichen Tarifsteigerungen geplanten Erhöhungen der Gehälter für die Beschäftigten der Kernverwaltung, der Landesbetriebe und Hochschulen um 1,5 Prozent.
Von den aktuellen Forderungen profitieren würden unter anderem Beschäftigte des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE), der Einrichtungen der Behinderten- und Eingliederungshilfe, die Stadtreinigung und auch der Bundesbehörden wie des Zolls.
TVöD und TVL Die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Hamburg werden nach zwei unterschiedlichen Tarifverträgen bezahlt. Während die Mitarbeiter der Behörden, Bezirksämter und Landesbetriebe nach dem Tarifvertrag der Länder (TVL) bezahlt werden (ca. 30.000), gilt für die etwa 50.000 Mitarbeiter der Stadttöchter, zum Beispiel Theater und Müllabfuhr, der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Das ist die Besonderheit eines Stadtstaates. Noch komplizierter wird es, wenn man die Stadtverwaltung insgesamt betrachtet. Für die Beamten, die etwas mehr als die Hälfte der Bediensteten ausmachen, gelten noch mal andere Regelungen. Bei den letzten Tarifverhandlungen der Länder wurden die Erhöhungen jedoch auch auf Hamburgs Beamte übertragen. |