Hamburg. Neue Bildungseinrichtung bietet Ausbildung und Bachelorstudium in nur vier Jahren durch eine engere Verzahnung von Lehrplänen.
„Wow, was für eine gute Idee in Hamburg, aber ich bin nicht dabei“ – das sei ihr durch den Kopf gegangen, als sie 2019 von der geplanten Gründung der Beruflichen Hochschule (BHH) in der Hansestadt erfuhr, erzählt Insa Sjurts. Die Professorin für Wirtschaftswissenschaft leitete damals die private Zeppelin Universität in Friedrichshafen. Kurz darauf kehrte Sjurts zwar in ihre Heimatstadt Hamburg zurück, allerdings um hier die Leitung der privaten Wirtschaftshochschule HSBA zu übernehmen.
Im September 2021 nahm die BHH ihren Studienbetrieb auf. Deren erster Präsident Matthias Klumpp trat nach nur einem Jahr aus familiären Gründen von seinem Amt zurück. Seine Nachfolgerin ist nun: Insa Sjurts.
Neue BHH-Chefin will akademische und berufliche Bildung verbinden
Die Verbindung von akademischer und beruflicher Bildung sei ihr ein besonderes Anliegen, erklärte die 59-Jährige am Dienstag im Rathaus nach ihrer Vorstellung durch Bildungssenator Ties Rabe (SPD). Die gebürtige Hamburgerin hatte nach ihrem Studium der Betriebswirtschaftslehre und Sozialökonomie zunächst im Vorstandsstab von Gruner + Jahr gearbeitet. Anschließend promovierte und habilitierte sie an der Hamburger Helmut-Schmidt-Universität, arbeitete unter anderem als Professorin in Flensburg und Geschäftsführerin der Hamburg Media School.
Sjurts neue Wirkungsstätte an der Anckelmannstraße nahe Berliner Tor wirbt mit einem besonderen Konzept um Schulabgänger: Berufsausbildung und Bachelorstudium in einem – und das in nur vier Jahren. Es fallen keine Studiengebühren für die Lernenden und für teilnehmende Betriebe an, denn die staatliche Fachhochschule wird von der Schulbehörde finanziert. Die derzeit mehr als 130 Unternehmen, die mit der Beruflichen Hochschule kooperieren, zahlen den „Azubi-Studis“ eine Ausbildungsvergütung.
Fünf Bildungsgänge für angehende Kaufleute und Informatiker
In der deutschen Hochschullandschaft soll die BHH eine Lücke füllen. Studien zufolge ist ein erheblicher Teil der Schulabgänger mit einer Hochschulzugangsberechtigung unschlüssig, ob sie eine Berufsausbildung absolvieren oder lieber studieren sollen. Einige machen beides. Mit bis zu drei Jahren in einer Ausbildung und mindestens drei weiteren Jahren bis zu einem Bachelorabschluss können so sechs Lernjahre zusammenkommen.
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Schneller zu zwei Abschlüssen führen kann ein ausbildungsintegrierendes duales Studium. Auf beiden Wegen kann es allerdings passieren, dass Lernstoffe mehrfach behandelt werden. Die BHH will Doppelungen vermeiden und Lehrzeit sparen durch eine engere Verzahnung von Lehrplänen und eine bessere Kooperation mit den beteiligten Firmen und berufsbildenden Schulen.
So sollen die Studierenden nach Darstellung der BHH das „Beste aus drei Welten“ erhalten: „anspruchsvolle praktische Fertigkeiten im Ausbildungsunternehmen, breites Wissen über das gesamte Berufsfeld in der Berufsschule und akademische Kompetenzen für das Berufsfeld in der Hochschule“.
Rund 210 Studierende sind an der BHH eingeschrieben
In den ersten 18 Monaten beginnen die Studierenden nicht nur ihre Berufsausbildung und lernen an einer Berufsschule, sondern belegen schon Module an der BHH. Zudem bekommen sie ein Coaching. Erst danach entscheiden die jungen Frauen und Männer, ob sie es bei der Ausbildung belassen wollen oder auch das Studium fortsetzen und mit dem Bachelor abschließen wollen. Dagegen richte sich ein duales Studium, wie es in Hamburg etwa an der privaten HSBA angeboten wird, an jene Schulabgänger, die sich sicher seien, dass sie neben Erfahrungen in einem Unternehmen auch einen Hochschulabschluss erwerben wollen, sagt Insa Sjurts.
Zur Wahl an der BHH stehen Ausbildungen für Bankkaufleute, für Kaufleute für Marketingkommunikation und für Industriekaufleute jeweils in Kombination mit einem Studium der Betriebswirtschaftslehre (BWL), eine Ausbildung zum Fachinformatiker mit einem Informatikstudium sowie handwerkliche oder gewerblich-technische Ausbildungen in Kombination mit BWL – speziell für die Bedarfe in kleinen und mittleren Firmen.
Derzeit sind an der BHH rund 210 Studierende eingeschrieben. Bis 2025 soll die Zahl der Studierenden auf 1000 bis 1200 wachsen.