Initiatoren halten Gendern für eine Verunstaltung der Sprache. Begriffe wie “Bürger*in“ soll es in Verwaltung und Bildung nicht geben.
- Hamburger könnten erstmals über das Thema Gendern entscheiden
- In Verwaltung und Bildung soll Schluss damit sein
- Initiatoren halten Gendern für "Verunstaltung" der Sprache
Es ist eine Volksinitiative, die auch bundesweit Beachtung finden wird: Erstmals könnten Bürger über das Thema Gendern entscheiden. In Hamburg wird in Kürze die Initiative gegen das Gendern an den Start gehen. „Eine überwältigende, generationen- und geschlechterübergreifende Mehrheit quer durch alle Bevölkerungsschichten lehnt Gendersprache nachweislich ab“, heißt es in dem Text, der um Unterschriften wirbt. „Gendersprache reduziert die Menschen unter anderem auf ihr Geschlecht.“
Gendern: Volksinitiative fordert "Schluss mit der Gendersprache"
Derzeit liegt die Vorlage der Volksinitiative „Schluss mit der Gendersprache in Verwaltung und Bildung“ zur finalen Prüfung beim Landeswahlleiter. Nun müssen die verschiedenen Behörden die Vorlage prüfen und Stellung nehmen. Da im Vorfeld auch Bernd Kroll, Vorsitzer des Vereins Mehr Demokratie, an dem Textentwurf gearbeitet hatte, sollte diese Hürde kein Problem mehr darstellen. Auch Sabine Mertens, die Sprecherin der Volksinitiative, arbeitet dort mit.
Beim Verein Mehr Demokratie gibt es überzeugte Gendergegner und -Befürworter: Kroll unterstützt Mertens: „Bürger einer Demokratie verwahren sich zu Recht gegen eine von oben verordnete Sprache. Sie wissen und spüren: Eine Demokratie braucht eine Sprache, deren wichtigste Kriterien Verbreitung, Verständlichkeit und soziale Übereinkunft sind. Alles andere führt zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft.“
Die Diskussion um Gendersprache und Frauenquoten lenkten von der Befassung mit den berechtigten Forderungen nach sozialer Gerechtigkeit ab, so Kroll. „Gendersprache benachteiligt bildungsferne und sprachbehinderte Menschen, also insbesondere Blinde, Gehörlose, Legastheniker und Menschen mit geistiger Behinderung. Gendersprache erschwert die sprachliche Integration von Migranten.“
Volksinitiative sieht beim Gendern Verstoß gegen die Amtssprache
Die Volksinitiative beruft sich auf zwei Dinge. So heißt es im Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetz in Paragraf 23: „Amtssprache ist deutsch.“ Für das Deutsche aber gilt das Regelwerk des internationalen Rates für deutsche Rechtschreibung – und der lehnt das Gendern ab. „Das Amtliche Regelwerk gilt für Schulen sowie für Verwaltung und Rechtspflege“, heißt es in einer Empfehlung vom 26. März 2021.
„Der Rat hat vor diesem Hintergrund die Aufnahme von Asterisk („Gender-Stern“), Unterstrich („Gender-Gap“), Doppelpunkt oder anderen verkürzten Formen zur Kennzeichnung mehrgeschlechtlicher Bezeichnungen im Wortinnern in das Amtliche Regelwerk der deutschen Rechtschreibung zu diesem Zeitpunkt nicht empfohlen.“
Hamburger Koalitionsvertrag wurde gegendert
Das ficht viele Politiker nicht an. Als Vorreiterin hat die Stadt Hannover 2019 das Gendern in allen Texten eingeführt, auch in der Hansestadt werden immer mehr Veröffentlichungen gegendert. Auf Drängen der Hamburger Grünen wurde auch der Koalitionsvertrag 2020 durchgängig gegendert („Schule soll dazu beitragen, junge Menschen zu mündigen Bürger*innen zu erziehen“).
„Wir haben eine Gemengelage, dass eine Mehrheit übergangen wird – in Unternehmen, Politik und Medien“, sagt Sabine Mertens. „Die Standardsprache wird aus den Angeln gehoben – damit geht Verständlichkeit verloren.“
Die Autorin und Beraterin engagiert sich seit Langem gegen das Gendern. So initiierte sie eine Frauenpetition unter dem Titel „Abkehr von der Gendersprache in Politik, Verwaltungen, Bildung und Gesetzgebung jetzt!“, die unter anderem von Monika Maron, Nasrin Amirsedghi und Gabriele Gysi unterzeichnet wurde. Zuvor hatte sie beim Landgericht Hamburg erfolgreich gegen die Verletzung ihrer Urheberrechte durch einen Verlag geklagt, der einen ihrer Artikel vor Drucklegung gegendert hatte.
65 Prozent der Deutschen lehnen das Gendern ab
„Wir wollen nun die Meinung der Basis sichtbar machen“, sagt Mertens. Umfragen zufolge lehnen drei von vier Deutschen das Gendern in den Medien ab – trotzdem wird es vor allem im öffentlich-rechtlichen Rundfunk immer mehr verwendet. 68 Prozent sind gegen das Gendern bei staatlichen Stellen. Selbst bei den Anhängern der Grünen stellt sich eine knappe Mehrheit (48 Prozent) gegen die Gendersprache. Insgesamt lehnen 65 Prozent der Deutschen das Gendern ab.
Ausdrücklich will die 65-Jährige das Thema parteienübergreifend angehen. Es sei auch seltsam, dass sich keine demokratische Partei des Themas überzeugend annehme. „Verteidiger der Standardsprache werden oft als Neue Rechte diskreditiert. Das ist hochproblematisch und der Versuch, Kritiker mundtot zu machen“, sagt sie. Als Autorin lehnt sie die Ideologisierung der Sprache ab.
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Das Gendern sei „widersprüchlich und verunstaltet die Sprache in einer ,unsäglichen‘ Art und Weise“. Mertens weiter: „Die deutsche Standardsprache kommt gesprochen und geschrieben ohne genderideologisch begründete Kunstpausen und Sonderzeichen innerhalb von Worten aus.“ Regeln sollten verbindlich sein. Sprache müsse frei von Weltanschauung bleiben.
Gendern: In Deutschland gab es bisher eine Volksabstimmung zum Thema Sprache
Auch in Österreich läuft derzeit die Einleitung eines Volksbegehrens gegen das Gendern. Die Initiative will erreichen, dass Gendern „nicht verpflichtend sein“ darf und Personen, die nicht gendern, keine Nachteile erfahren dürfen. „Das Recht, nicht zu gendern, muss der Einstellung des Einzelnen überlassen bleiben und soll eingefordert werden dürfen“, heißt es dort. In Deutschland wurde nur einmal über Sprache abgestimmt: 1998 hatten in Schleswig-Holstein bei einer Volksabstimmung 56 Prozent gegen die Rechtschreibreform gestimmt, nur 29 Prozent votierten dafür. Ein Jahr später kippte der Landtag in Kiel die Entscheidung der Bürger.
„Unsere Unterschriftensammlung in Hamburg beginnt, sobald der Landeswahlleiter sie freigibt“, sagt Mertens, die vom Verein Deutsche Sprache e. V. (VDS) unterstützt wird. „Wir wollen eine Debatte anstoßen und freuen uns über Mitstreiter.“