Hamburg. Am 5. Januar läuft Gätgens Amtszeit aus. Parteien handeln Kooperationsvertrag aus – grüne Fraktion lehnt ihn aber ab.

Die Zeit wird knapp: Zum 5. Januar des kommenden Jahres läuft die Amtszeit von Kay Gätgens (SPD) als Bezirksamtschef in Eimsbüttel aus – aber einen Monat vorher ist immer noch unklar, wie es an der Spitze der Verwaltung weitergehen soll. Seit Wochen ringen Sozialdemokraten und Grüne darum. Letztere sind eigentlich die stärkste Kraft: 19 Mandate hatten die Grünen bei der Bezirkswahl 2019 bekommen und sich damit deutlich vor der SPD (12 Mandate) und der CDU (9 Mandate) positioniert.

Doch schon vor drei Jahren war es den Grünen in einer Koalition mit der CDU nicht gelungen, Gätgens durch die Grünen-Politikerin Katja Husen zu ersetzen: Die inzwischen verstorbene frühere Bürgerschaftsabgeordnete bekam damals nicht die nötige Mehrheit von 26 der 51 Abgeordneten der Bezirksversammlung. Ob Husen sowohl Stimmen aus der Grünen-Fraktion als auch von der CDU versagt wurden, blieb unklar – für die Eimsbüttler Grünen war es jedenfalls eine herbe Schlappe. Auch im zweiten Anlauf fiel Husen durch, die Abweichler gaben sich erneut nicht zu erkennen.

Personalie Gätgens führte zu einer Kraftprobe mit der SPD

Zwei Jahre später verkündeten die Grünen das Ende der Koalition mit der CDU im Bezirk Eimsbüttel. Seitdem agieren die Grünen mit wechselnden Mehrheiten in der Bezirksversammlung.

Zuletzt führte die Personalie Gätgens zu einer Kraftprobe mit der SPD, die ihren Mann gerne im Amt halten möchte. Die Grünen sehen das Vorschlagsrecht bei sich. Ambitionen für das Amt hat ihr Fraktionschef Ali Mir Agha. Er erklärte Anfang November, er werde „zur rechten Zeit den Anspruch stellen“. Nun gehe es allerdings zunächst um klare Verhältnisse und Stabilität für die verbleibenden anderthalb Jahre der Wahlperiode.

Deshalb gibt es auf grüner Seite die Bereitschaft, eine Neuwahl von Kay Gätgens mitzutragen – unter Schmerzen allerdings, denn der Leiter oder die Leiterin des Bezirksamtes wird für sechs Jahre gewählt. Wären die Grünen auch nach der Bezirksversammlungswahl 2024 stärkste Kraft oder ergatterten sie sogar noch mehr Mandate, wäre Gätgens trotzdem im Amt.

Große Differenzen zwischen SPD und Grünen bei der Mobilitätswende

Für das grüne Entgegenkommen sollte, so das Ziel der Fraktion, auch die SPD bedeutende Zugeständnisse machen. Und so rangen die Verhandlungsführer beider Seiten miteinander bei der Formulierung eines Kooperationspapiers für die verbleibenden anderthalb Jahre. Differenzen gibt es vor allem bei der Mobilitätswende. So wollen die Grünen etwa eine Verkehrsberuhigung und Aufwertung für die Lokstedter Grelckstraße erreichen; sie unterstützen auch die Idee einer Fahrradzone im Grindelviertel und stehen hinter dem Verkehrskonzept für das geplante Wohnquartier auf dem Beiersdorf-Gelände.

Die SPD habe bei diesen Punkten nicht genügend Entgegenkommen gezeigt, heißt es. Die Grünen-Verhandlungsführer stimmten dem Vertragsentwurf zu, hätten aber deutlich gemacht, dass er womöglich nicht ausreiche, um eine Mehrheit in der Grünen-Fraktion zu überzeugen. Doch die Sozialdemokraten seien hart geblieben.

Die SPD-Gremien stimmten dem Entwurf am vergangenen Mittwoch zu. Milan Pein, Kreisvorsitzender der SPD Eimsbüttel, sagte am Sonntag auf Anfrage, er halte das Kooperationspapier für „gut und richtig“. Ähnlich äußerte sich Gabor Gottlieb, SPD-Fraktionschef in Eimsbüttel.

Letzte Gelegenheit, eine Neuwahl durchzuführen, wäre am 15. Dezember

Anders lief es bei den Grünen, die am Sonnabend zu einer Sonderfraktionssitzung zusammenkamen. Dem Vernehmen nach gab es mehr Nein- als Jastimmen für den Entwurf. Grünen-Fraktionschef Ali Mir Agha wollte sich dazu am Sonnabend nicht näher äußern. Nur so viel: Die Fraktion habe lange diskutiert. Aber: „Es gibt noch offene Fragen.“ Am Sonntag sagte er, es werde von grüner Seite vor Montag „keine Entscheidung geben“.

Die letzte Gelegenheit, eine Neuwahl durchzuführen, wäre am 15. Dezember. Endete Gätgens Amtszeit am 5. Januar 2023, müsste laut Bezirksverwaltungsgesetz seine Stellvertreterin Sonja Böseler kommissarisch die Geschäfte führen.

Gegen eine Neuausschreibung des Postens hatte sich neben Grünen und SPD zuletzt auch die CDU ausgesprochen. Wer seine bestehende Stelle kündige und Bezirksamtsleiter in Eimsbüttel werde, müsse damit rechnen, bei veränderten politischen Verhältnissen nach anderthalb Jahren abgewählt zu werden, hieß es. Grünen-Fraktionschef Ali Mir Agha könnte zwar antreten, aber nicht damit rechnen, von SPD und CDU unterstützt zu werden.

Ex-Grüner Oliver Schweim wechselt in Wandsbek zur SPD

Zu einem pikanten Wechsel ist es unterdessen in Wandsbek gekommen: Wie der Kreisverband der SPD am Sonntag mitteilte, ist der ehemalige Grünen-Fraktionschef und zuletzt fraktionslose Abgeordnete Oliver Schweim den Sozialdemokraten beigetreten. Damit verfügt die SPD in Wandsbek nun über 17 Sitze.

Mit den zwölf verbliebenen Mandaten der Grünen sei damit die Mehrheit von Rot-Grün mit 29 von 57 Sitzen wiederhergestellt, so die SPD. Neben Schweim waren auch die Grünen-Abgeordnete Frauke Häger und Jan Otto Witt bei den Grünen ausgetreten, sodass Rot-Grün in Wandsbek zeitweise keine Mehrheit mehr hatte.

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Verhandlungen der Sozialdemokraten mit der FDP über eine Ampel-Koalition waren zuletzt geplatzt. Die SPD erklärte, die Liberalen hätten „weitreichende Koalitions- und Kooperationsangebote mit erheblichen Zugeständnissen der rot-grünen Koalition“ abgelehnt.

Von Grün zu Rot: Oliver Schwelm sitzt künftig für die SPD in der Bezirksversammlung Wandsbek.
Von Grün zu Rot: Oliver Schwelm sitzt künftig für die SPD in der Bezirksversammlung Wandsbek. © Bündnis 90/Die Grünen

Oliver Schweim hatte sich zu seinem Rückzug aus der Grünen-Fraktion zunächst nicht äußern wollen. In der am Sonntag veröffentlichten SPD-Mitteilung heißt es, Schweim habe die Grünen „wegen unüberbrückbarer Differenzen bei der partei- und fraktionsinternen Zusammenarbeit mit Kreisverband und Bezirksfraktion“ verlassen. Er selbst erklärte: „Ich lege schon immer Wert auf eine realistische sozialökologische Politik, die auch umsetzbar sein muss. Im Grunde war und bin ich damit am Rand zwischen Rot und Grün.“