Das es einigen schwerfällt, über Gefühle zu reden, hat auch mit Moralvorstellungen zu tun. Sexexpertin Katrin Hinrichs weiß Rat.

Bei dem einen geht es um Rechtsmedizin und Kriminalfälle, bei dem anderen um unser Sexualleben. Immer im Wechsel finden Sie an dieser Stelle zwei unserer erfolgreichsten Podcasts. Heute geht es bei „Ich frage für einen Freund“, dem Sex-Podcast für Erwachsene mit Journalist Hajo Schumacher und der Sexualtherapeutin Katrin Hinrichs, um Sexkiller.

Angst und Scham seien oft die Ursache dafür, dass es, gerade bei Paaren, die schon lange zusammen sind, im Bett nicht mehr richtig läuft, hat Katrin Hinrichs beobachtet. Als Schumacher einwendet, „wenn man sich so lange kennt, hat man doch keine Angst mehr vor dem anderen Menschen“, erklärt die Expertin, was auf den ersten Blick paradox erscheint. „Vielleicht klappt es körperlich mit dem Sex nicht mehr gut, oder die Penetration ist nach der Menopause bei Frauen plötzlich von Schmerzen begleitet oder die Lust fehlt ganz einfach. Zum Problem wird das, wenn nicht darüber gesprochen wird. Dann entfernen sich die Partner voneinander. Die Betroffenen bleiben allein mit ihren Ängsten und die emotionale Intimität verschwindet.“

Sexualität: Warum Schweigen der Sexkiller Nummer eins ist

Die Sexualtherapeutin beschreibt anhand eines Paares um die 50, wie aus Schweigen erst Missverständnisse entstehen und dann eine Flaute im Bett werden kann. Der Mann flieht plötzlich aus allen Situationen, in denen sich zu Hause die Chance auf Zweisamkeit und Zärtlichkeit bietet. Wenn sie seine Nähe sucht, reagiert er abwehrend. Die Frau macht sich Sorgen und bittet Katrin Hinrichs um Rat. „Sie fragte sich, ob sie vielleicht nicht mehr sexy genug war für ihren Mann und ob er ein Verhältnis hatte.“

In einem Gespräch mit der Sexualtherapeutin gestand der Mann schließlich, dass er sich für seine schwächer werdende Erektion schäme. Er hatte Angst, von seiner Frau deswegen abgelehnt zu werden. „Da sieht man wieder, dass Sexualität mehr ist als Lustbefriedigung und mehr als Fortpflanzung, denn das Paar, dass da bei mir saß, hat gemerkt, dass all diese Ängste, die sie hatten, gar nicht zutrafen“, sagt Ka­trin Hinrichs.

Sexualität: Über Gefühle zu sprechen, fällt vielen schwer

Das es einigen schwerfällt, über ihre Gefühle zu reden, hat auch mit den Moralvorstellungen zu tun, die sie geprägt haben. „Der Mief der 50er-Jahre sitzt noch immer tief“, urteilt die Expertin. Im Vergleich sei die Sexualmoral heute lockerer und einige Tabus gefallen.

Jedoch habe ein Wandel von der Verbots- zur Gebotsmoral stattgefunden, den Hinrichs in Teilen übertrieben findet. „Ich sehe das bei jungen Frauen, die sagen, ich muss verschiedenes draufhaben, Analsex zum Beispiel.“ Journalist Schumacher hält dagegen und berichtet von einer Studie, für die junge Menschen in verschiedenen Ländern befragt wurden. Untersucht wurde, welchen Einfluss Pornografie auf ihr Sexualleben habe. „Das Ergebnis: Wissenschaftliche Beweise dafür, dass der Konsum von Pornografie zu einer irgendwie komisch gearteten Sexualität führt, wurden nicht gefunden“, sagt Schumacher.

Die meisten Jugendlichen und Erwachsenen wüssten, dass es sich bei Pornos um Inszenierungen von Sexualität handele. Daher empfänden sie auch kein Druck, etwas nachzuspielen. Insgesamt sei heute das Spektrum, in dem Menschen in weiten Teilen der Welt ihre Sexualität ausleben können, viel breiter. Noch Luft nach oben sieht Katrin Hinrichs allerdings bei der Aufklärung. Gegenüber Jugendlichen werde Sexualität oft zuerst mit ihren Gefahren und Risiken wie ansteckenden Krankheiten und ungewollten Schwangerschaften thematisiert. „Es gibt immer noch zu viele Negativbotschaften in diesem Zusammenhang, dabei ist Sex doch etwas Schönes, das sich ganz toll anfühlen kann.“

Was empfiehlt die Expertin Paaren, die unter Sexkillern leiden?

Was empfiehlt die Expertin Paaren, die unter Sexkillern leiden? Hapert es mit der vertrauensvollen, offenen Kommunikation zwischen den Partnern, werden sie von Katrin Hinrichs erst einmal getrennt befragt. Erstaunlicherweise könnten viele gar nicht sagen, was ihnen gefällt und was sie sich wünschen.

Sie müssen ihren eigenen Körper erst wieder entdecken. In Gesprächen, die betroffenen Paaren einen Ausweg aus der verfahrenen Situation bieten, spielt die Kommunikation eine wichtige Rolle. „,Du‘-Botschaften enthalten mit hoher Wahrscheinlichkeit einen Vorwurf, während ,Ich‘-Botschaften vermitteln, dass der oder die Sprechende das eigene Handeln reflektiert“, erinnert Schumacher. Wenn der Wille da ist, zusammen zu bleiben, kann es zum Verstehen kommen.

„Paare, die sich körperlich verloren haben, müssen miteinander und übereinander reden, das ist die größte Problematik“, sagt die Expertin. Schumacher möchte wissen, wie hoch die Erfolgsquote der Expertin in so einer Situation ist. Schwierig zu sagen, da jede Geschichte individuell sei, meint Hinrichs und macht Mut: „Paare, die ihre Beziehung weiterführen wollen und früh genug kommen, haben eine Chance von 80 bis 90 Prozent. Die Hauptsache ist, sie sind sich ihrer Gefühle dem anderen gegenüber sicher. Außerdem darf man sich nicht von Mythen verrückt machen lassen. Es ist in Ordnung, wenn es mal eine Zeit lang nicht läuft.“