Hamburg. Automaten stehen in verborgenen Hinterzimmern und haben spezielle Stromkreise. Doch Polizei und Bezirke haben ihre Taktik angepasst.

Corona brachte es an den Tag: In Hamburg blüht das illegale Glücksspiel. Bei Kontrollen in Kneipen und anderen Treffpunkten im Zuge der Eindämmungsverordnung waren Mitarbeiter der Bezirksämter und der Polizei immer wieder auf Automaten gestoßen, die als Glücksspielgeräte missbraucht werden. Ein Schwerpunkt kristallisierte sich im Süden der Stadt heraus. Dort wurden mittlerweile um die 200 solcher Automaten aus dem Verkehr gezogen. Doch die Täter machen weiter und wappnen sich immer mehr gegen die Kontrollen der Behörden.

„Arbeitsrate“ heißt die Einheit aus Polizei und Bezirksamt, die an der Harburger Polizeiwache installiert wurde. Es ist eine Mini-Soko, die gezielt gegen das illegale Glücksspiel vorgeht. Denn viele der Geräte, so zeigten Kontrollen, stehen in sogenannten Kulturvereinen. Davon gibt es viele in Harburg. Aber auch in Gaststätten werden immer wieder Geräte entdeckt.

Illegales Glücksspiel – für Täter ein lukratives Geschäft

Für die Täter ist es ein lukratives Geschäft. Insider vermuten, dass in Hamburg Millionenbeträge in Hinterzimmern „verzockt“ werden. Das Problem: Für Spieler, die beim illegalen Glücksspiel erwischt werden, ist die Strafe „lächerlich“, wie es ein Beamter formuliert. Für die Betreiber auch – es sei denn, man kann ihnen banden- oder gewerbsmäßiges Vorgehen nachweisen. Doch das ist selten.

Wie das System funktioniert, weiß Achim Dorn von der Kripo in Harburg. „Eingesetzt werden Fun-Game-Automaten“, sagt der Kriminalist. „Sie sind keine Geldspiel-, sondern reine Unterhaltungsgeräte.“ Für die braucht man keine Lizenz. Erst die Täter machen sie zu Automaten, an denen man illegal um Geld spielt. Oft wird dafür in die Geräte eine Buchhaltungssoftware implementiert. In der Regel entwickeln die Aufsteller eigene Systeme, nach denen abgerechnet wird.

Szene stellt sich besser auf Kontrollen ein

Durch ausgelesene Buchhaltungssoftware wissen die Ermittler, dass über einzelne Geräte Tausende Euro umgesetzt wurden. An die Aufsteller kommt man trotzdem nicht dran. So sind es in der Regel gebrauchte Geräte, die schon durch mehrere Hände gegangen sind. So kann man die erfassten Spiele nicht dem letzten Betreiber zuordnen.

Die Polizei stört das illegale Geschäft aber dadurch, dass Geld und Geräte oder zumindest deren Steuerungseinheit sichergestellt werden. Dagegen rüstet die Szene jedoch auf: Mittlerweile werden eigene Stromkreise für die Geräte gelegt, um sie beim Eintreffen der Polizei abzuschalten. Es gibt geheime Hinterzimmer, teilweise mit getarnten Zugängen. So wurde unter anderem eine Regalwand entdeckt, die zur Seite geschoben werden musste, um in den Raum mit den Spiel­geräten zu kommen. In einem anderen Fall standen die Geräte in einem Holzverschlag im Hof eines „Kulturvereins“.

„Aussteller wissen genau, dass sie etwas Illegales tun“

„Uns signalisiert das natürlich, dass die Aussteller ganz genau wissen, dass sie etwas Illegales tun“, sagt Dorn. Die Polizei wiederum stellt sich darauf ein und entdeckt zahlreiche Geräte. Diese können gar nicht mehr alle mitgenommen werden. Denn die Polizei müsste sie als Asservate einlagern, und das, weil in der Regel Geld in den Geräten ist, unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen. Das wäre aufwendig und sehr teuer. Auch weil geeignete Lager angemietet werden müssten.

Mit solchen Lagern hat die Polizei schon schlechte Erfahrungen gemacht: Nachdem bei einer Razzia 2017 rund 1800 mutmaßlich gestohlene Fahrräder sichergestellt wurden, mietete die Polizei zur Lagerung zwei Tennishallen mit 5000 Quadratmeter Fläche an. Kosten: mehrere Zehntausend Euro pro Monat. Das Ergebnis war ernüchternd. 47 der Räder konnten Diebstählen zugeordnet werden. Die Täter, zwei Brüder, wurden zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen à 40 Euro beziehungsweise zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Darum stellt die Polizei jetzt vor allem die Steuerungstechnik sicher.

Illegales Glücksspiel: Mini-Soko arbeitet mit Bezirksamt zusammen

Der Clou für die Mini-Soko, die gegen das illegale Glücksspiel vorgeht, ist die Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt. Von dort kommen Mitarbeiter mit, die sich im Gewerberecht oder im Brandschutz auskennen. So droht den Tätern nicht nur die Sicherstellung der Gerätetechnik, sondern auch die Schließung ihres Vereins oder der Gaststätte. „Brandschutz“ ist da das Zauberwort. So locker wie mit den Automaten gehen die Betreiber vieler der Kulturvereine und Kaschemmen auch mit Umbauten um. Und die entsprechen dann in der Regel nicht den Brandschutzvorschriften, was zu einem kostspieligen und langwierigen Rückbau oder der Schließung führt.

Und dann ist da noch das Finanzamt. Da werden die Einnahmen schon mal schnell hochgerechnet, um die entsprechende Steuernachzahlung zu verlangen. Es dürfte für einige Betreiber solcher illegalen Geräte noch teuer werden – selbst wenn sie strafrechtlich ungeschoren davonkommen. Die Erfahrung machte ein Mann, der als Fahrradhehler angeklagt, aber freigesprochen worden war. Das Finanzamt rechnete seine Geschäfte hoch und schickte ihm einen Nachzahlungsbescheid über 100.000 Euro. Genau diesen Ansatz verfolgt auch die Mini-Soko bei den illegalen Spielautomaten. Sie meldet solche „Geschäfte“ dem Finanzamt.