Hamburg. Dr. Theresa Bernard ist Oberärztin am Agaplesion. Sie sagt, in Hamburg seien Schwangere deutlich älter als im Bundesschnitt.

Natürliche Geburt oder Kaiserschnitt? „Der Geburtsmodus ist ein ganz großes Thema und bewegt jede Frau“, sagt Dr. Theresa Bernard, Oberärztin am Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg. „Die meisten Frauen möchten gerne spontan, auf dem natürlichen Weg sozusagen, entbinden. Aber es gibt auch viele Indikationen, wo wir einen Kaiserschnitt empfehlen. Sei es zum Beispiel, dass Frauen voroperiert worden sind oder dass Kinder in Beckenendlage liegen, das heißt, dass der Kopf nach oben zeigt. Dann besprechen wir in der Sprechstunde erst mal, ob eine äußere Wendung möglich ist.“

Bei Zwillingsschwangerschaften werde immer individuell entschieden.

Verschiedene Gründe für Wunschkaiserschnitt

„Wir haben natürlich auch Frauen, die ganz bewusst zu uns kommen und sagen ,Ich möchte mein Kind mit einem Kaiserschnitt entbinden‘“, sagt die Gynäkologin. Sie frage immer genau nach, warum die Frauen das möchten und was ihre Sorgen seien. „Aber tendenziell würde ich immer sagen, wenn eine Frau kommt und einen Kaiserschnitt möchte, nachdem wir sie aufgeklärt haben, führen wir ihn durch.“

Die Begründungen für einen Wunschkaiserschnitt seien unterschiedlich. „Sei es, man hat jahrelang versucht, schwanger zu werden und jetzt ist endlich nach vielen Jahren oder nach Kinderwunschbehandlung eine Schwangerschaft eingetreten und man möchte bei der Geburt das geringste Risiko eingehen. Sei es, die vorherigen Geburten waren traumatisch, die Frau hat schlimme Erfahrungen gemacht.“

Studien: Weniger Verletzungen nach geplantem Kaiserschnitt

Manche Frauen hätten auch Sorge vor Verletzungen des Beckenbodens und Inkontinenz im Alter. Das seien Dinge, die man ernst nehmen und besprechen müsse. „Es gibt viele Studien, die zeigen, dass die Verletzungen weniger sind nach einem geplanten Kaiserschnitt.“ Dieser sei ein sehr sicheres Verfahren, ein Kind gesund zur Welt zu bringen, sagt die Mutter einer fünfjährigen Tochter. Die Rate der sogenannten ungeplanten Kaiserschnitte liegt ihren Angaben zufolge in ihrer Klinik bei etwa 13 Prozent, die Kaiserschnittrate insgesamt bei 28 Prozent.

Ein wichtiges Thema für Schwangere sei auch „Schmerzmittel unter der Geburt“. „Die meisten Frauen sagen, sie wünschten sich eine Geburt, die so natürlich wie möglich sein solle, und viele Frauen sagen auch, dass sie versuchen möchten, ohne Schmerzmittel auszukommen.“ Die PDA-Rate (PDA – Periduralanästhesie, eine lokale Betäubung) liege dennoch bei 35 bis 40 Prozent. Es gebe aber auch die Möglichkeit von Akupunktur oder Akupressur. Viele Frauen nutzen laut Bernard die Badewannen im Kreißsaal und erst als Letztes die PDA.

PDA: Kind bekommt von der Betäubung nichts mit

„Ich selbst finde zum Beispiel, dass die PDA eine ganz hervorragende Möglichkeit ist, einer Schwangeren die Schmerzen zu nehmen, weil ja alle Medikamente, die wir spritzen oder ins Blut geben, die gehen ja sozusagen ins System und kommen auch beim Baby an. Aber die PDA ist eine lokale Nervenbetäubung, das heißt, das Kind bekommt davon überhaupt nichts mit.“

Das Agaplesion Diakonieklinikum betreut 1400 bis 1500 Geburten pro Jahr. Bernard arbeitet in einem Team mit einem Chefarzt, sechs Oberärzt/-innen und zehn Assistenzärzt/-innen. „Da wir ein gar nicht so großes Team sind, bin ich eigentlich überall im Einsatz, aber natürlich auch besonders gerne in der Geburtshilfe. Da mache ich an einem festen Tag eine Sprechstunde, ich betreue aber auch Geburten und bin außerdem im OP.“

In der Sprechstunde werde beispielsweise beraten, ob ein Kaiserschnitt gemacht werden müsse. Sie sehe aber auch Patientinnen mit Krebserkrankungen, für die sie dann die Behandlung und Operationen plane.

Risikoschwangerschaft: Bi Frauen ab 35 Jahren

Abweisen „wegen Überfüllung“ müsse das Agaplesion Schwangere nicht. „Mit vier Kreißsälen sind wir eigentlich von der Anzahl der Kreißsäle fast so aufgestellt wie die großen Kliniken. Wir haben im Schnitt etwa drei, vier Geburten am Tag.“ Allerdings habe das Krankenhaus keine Kinderklinik, daher würden nur Kinder ab der 37. Schwangerschaftswoche entbunden. Auch gewisse Risikoschwangerschaften nehme die Klinik nicht an, aber das wüssten die Frauen vorher.

Bei Frauen ab 35 Jahren gilt eine Schwangerschaft als Risikoschwangerschaft. „Das Durchschnittsalter der Frauen in Deutschland ist bei 30,5 Jahren. Der Großteil unserer Schwangeren in Hamburg ist über 35 Jahre.“ Ob es ein Stadt-Land-Gefälle gibt, wisse sie nicht, sagt die 40 Jahre alte Ärztin, „aber es hat, glaube ich, schon was damit zu tun, dass für Frauen doch sehr oft die berufliche Karriere im Vordergrund steht und wir uns sehr spät entschließen, Kinder zu bekommen“.

Viele dächten, sie hätten viel Zeit, Kinder zu bekommen. Doch das sei nicht unproblematisch. „Es gibt Studien, die zeigen, dass jedenfalls ab einem Alter ab 40 das Risiko für die kindliche Morbidität und Mortalitätsrate höher ist.“

"Fakt, dass die Kinderwunschbehandlungen zunehmen"

Viele diese älteren Schwangeren hätten auch schon Operationen beispielsweise an der Gebärmutter gehabt, damit sie überhaupt schwanger werden können. Oder es sei eine Kinderwunschbehandlung erfolgt. „Diese Fakten führen dazu, dass man ein besonderes Auge auf die Schwangere hat und eben schon auch eher mal ein Kaiserschnitt initiiert oder eine Geburt einleitet.“ Das höhere Alter der Frauen mit Kinderwunsch habe Konsequenzen: „Es ist auf jeden Fall Fakt, dass die Kinderwunschbehandlungen zunehmen.“

Theresa Bernard hat auch eine Weiterbildung in der medikamentösen Tumortherapie gemacht: „Nicht jede Krebserkrankung wird mit Chemotherapie behandelt, sondern die Medikamente werden immer spezialisierter. Wir haben Immuntherapie, Antihormontherapie, Antikörpertherapie.“ Behandelt würden damit viele Patientinnen mit Brustkrebs, Eierstockkrebs, Gebärmutterhalskrebs oder Gebärmutterschleimhautkrebs.

Vorsorgeuntersuchungen im Alter enorm wichtig

Um schwere Erkrankungen wie Krebs früh zu erkennen, wirbt Bernard für Vorsorgeuntersuchungen wie das Mammografie-Screening, zu der jede Frau zwischen 50 bis 70 alle zwei Jahre eingeladen wird. „Dann empfehle ich natürlich auch, einmal im Jahr zum Frauenarzt zu gehen. Ich sehe viele Patientinnen, die gesagt haben, sie seien das letzte Mal beim Frauenarzt gewesen, als sie schwanger gewesen seien oder nach der Geburt.“ Die Vorsorge bezahle die Krankenkasse.

Anders in Eritrea, wo sie sich mit dem Verein Medical Support in Partnership e.V. (https://msipev.de) immer wieder engagiert. Dort bekomme eine Frau im Schnitt neun Kinder, doch die medizinische Versorgung Schwangerer sei sehr schwierig, mit dramatischen Konsequenzen: „Wenn einer Mutter irgendwas passiert, dann sind einfach gleich auf einem Schlag neun Kinder ohne eine verantwortliche Person.“ Drei von hundert Kindern dort sterben laut Bernard zudem unter oder nach der Geburt.

Schwangere sollten sich nicht unter Druck setzen

Für Schwangere hierzulande hat Bernard einen Tipp: „Man sollte versuchen, sich nicht so groß unter Druck zu setzen im Sinne von ,Ich muss jetzt die perfekte Geburt hinlegen‘“. Eine Geburt sei Teamarbeit von Gebärender, Partner oder Partnerin sowie Hebamme und Ärzten.