Hamburg. Gabriele Fischer und Katharina Wolff, die Gründerinnen der Wirtschaftsmagazine „brand eins“ und „Strive“, über das Thema Führung.
Sie trennen fast 30 Jahre, „aber sonst sind wir uns sehr ähnlich“. Sagt Katharina Wolff (38) über Gabriele Fischer (69), die eine ist Gründerin von „Strive Wirtschaftsmagazine“, die andere leitet bis heute das legendäre Magazin „brand eins“. Die Oktober-Ausgaben ihrer Hefte haben sie beide unter das Thema Führung gestellt – und sprechen darüber in unserer Reihe „Entscheider treffen Haider“. Das komplette Gespräch ist zu hören unter www. abendblatt.de/entscheider
Das sagt Gabriele Fischer über ...
… 23 Jahre als Chefredakteurin von „brand eins“:
„Es gab in den vergangenen Jahren einige Angebote von anderen Verlagshäusern, aber es gibt nichts, was attraktiver ist, als sich in der Form selbst zu verwirklichen, wie ich das bei ,brand eins‘ tun konnte und immer noch kann. Ja, Selbstständigkeit ist manchmal gefährlich, risikoreich und unbeständig, aber wenn man dann mal wieder eine Herausforderung gemeistert hat, ist es einfach nur großartig. Deshalb mache ich gern noch ein bisschen weiter, mein Vertrag läuft bis 2026.“
… den größten Anteilseigner von „brand eins“, einen Reeder:
„Thomas Pötzsch ist jemand, der mit Logistik sein Geld verdient hat, der in Rellingen viele Grundstücke besitzt und der sich sehr früh auch mit Medien beschäftigte, zum Beispiel mit „Mare“ zusammengearbeitet hat. Wir haben uns über einen Bekannten kennengelernt, als ich auf der Suche nach einem neuen Investor war. Wir haben zwei Stunden miteinander geredet, dann war Thomas Pötzsch an Bord. Und ich glaube, dass er mit seinem Engagement bis heute sehr glücklich ist.
Er will durch uns nicht reich werden, weil er das ja schon ist. Er findet ,brand eins‘ toll, hat uns seit der ersten Ausgabe gelesen und glaubt, dass das, was wir machen, wichtig ist. Wenn man Rendite nur in Geld misst, schneiden wir nicht so gut ab. Wenn man Rendite auch in Renommee und gesellschaftlichem Beitrag misst, sieht das schon ganz anders aus.“
… Magazine auf Papier:
„Es gibt eine große Zuneigung zu Print, gerade auch bei jungen Leuten. Ich glaube deshalb nicht, das Print völlig vom Markt verschwinden wird. Es wäre für uns aber auch nicht tragisch, weil ,brand eins‘ kein Produkt auf Papier ist, sondern eine Idee von einer anderen Berichterstattung über Wirtschaft. Aber wir spüren, dass diese Idee umso stärker ist, wenn sie gedruckt ist.“
… Diversität:
„Das ist für viele der Unternehmen, mit denen wir sprechen, eine der Aufgaben, die sie nur schwer bewältigt bekommen. Es ist eines der größten Managementprobleme, Führungspositionen mit Frauen zu besetzen. Übrigens gerade in mittelständischen Unternehmen, die ja nicht frauenfeindlich sind, die das Thema aber niemals auf der Agenda hatten.“
Das sagt Katharina Wolff über ...
… die Gründung von „Strive“, einem Wirtschaftsmagazin für Frauen:
„Es gab viele Wirtschaftsmagazine, auch sehr unterschiedliche, aber die richteten sich hauptsächlich an die Männer in dieser Republik. Ich wollte endlich ein Wirtschaftsmagazin machen, das sich hauptsächlich, aber nicht ausschließlich an Frauen richtet und das Frauen in der Wirtschaft im Fokus hat. Einige Männer haben mir damals gesagt, dass ich dann vielleicht ein, zwei Magazine zustande kriegen würde und dann ,Strive‘ direkt wieder einstellen könnte. Ihnen beweisen wir gerade das Gegenteil.“
… die Frage, wie sie About-You-Gründer Tarek Müller als Investor gewinnen konnte:
„Ich kannte Tarek Müller aus meiner Arbeit als Personalberaterin und habe ihm irgendwann von meiner Idee erzählt, ein Wirtschaftsmagazin für Frauen zu machen, in einer E-Mail. Er fragte sofort: „Super Thema, super Timing, wie kann ich helfen?“ Ich antwortete, dass ich etwas Geld für den Anfang gebrauchen könnte. Und wenn man Tarek Müller als Investor bei so einem Projekt dabeihat, sagt kaum noch jemand, den man danach anspricht, nein.
Weder er noch die anderen Investoren haben am Anfang erwartet, dass da irgendwann einmal Geld zurückfließt. Auch ich nicht, obwohl von mir ein sechsstelliger Betrag in ,Strive‘ geflossen ist. Das war ein großes Risiko. Im ersten Jahr, also 2021, haben wir erstmals eine schwarze Null erreicht, in diesem Jahr werden wir voraussichtlich sogar einen kleinen Gewinn erzielen. Das heißt: So langsam könnte für unsere Investorinnen und Investoren ein richtiger Business-Case aus ihrem Engagement werden.“
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… die Frauenquote:
„Ich habe mit 28 Jahren und in meiner aktiven politischen Zeit selbst die Frauenquote in der Partei verhindert, weil ich sie als Instrument nicht schön fand und bis heute nicht schön finde. Aber inzwischen hat sich etwas in meiner Denke geändert, weil ich gesehen habe, dass es mit Frauen in Führungspositionen eben doch nicht so schnell vorangeht, wie ich das gehofft habe. Ich kann zum Beispiel nicht glauben, dass es imm-er noch Veranstalter von Diskussionsrunden gibt, die so tun, als würden sie nicht genauso viele Frauen wie Männer für ein Podium finden.“
Fragebogen: Was Fischer von Habeck wissen will
Was wollten Sie als Kind werden und warum?
Schauspielerin, um mir meine eigene Welt zu träumen.
Was war der beste Rat Ihrer Eltern?
Gehe nach Freiburg zum Studium, nicht nach Berlin. In Freiburg habe ich meinen Mann kennengelernt.
Wer war bzw. ist Ihr Vorbild?
Freiheitskämpferinnen und Freiheitskämpfer.
Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?
„Sie können das doch!“
Wann und warum haben Sie sich für den Beruf entschieden, den Sie heute ausüben?
Nach fünf Jahren Studium und einem Jahr Arbeit bei einer Autovermietung.
Wer waren Ihre wichtigsten Förderer?
Fred Heidemann, Chefredakteur der „Rotenburger Kreiszeitung“, und Ulrich Blecke vom „Manager Magazin“.
Was sind Eigenschaften, die Sie an Ihren Chefs bewundert haben?
Mut und Vertrauen.
Was sollte man als Chef auf keinen Fall tun?
Eine Situation oder einen Menschen unterschätzen.
Was sind die Prinzipien Ihres Führungsstils?
Die Kernthese von Reinhard K. Sprenger: Man kann Menschen nicht motivieren, man kann nur aufhören, sie zu demotivieren.
Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?
Ich lebe gern gut – aber für eine faszinierende Idee kann ich auch alles auf Rot setzen.
Was erwarten Sie von Mitarbeitern?
Offenheit. Und Leidenschaft beim Verfolgen des gemeinsamen Ziels.
Worauf achten Sie bei Bewerbungen?
Ob mich irgendetwas überrascht.
Duzen oder siezen Sie?
Ich bin als Süddeutsche schnell beim Du – aber nicht bei wildfremden Menschen.
Was sind Ihre größten Stärken?
Frustrationstoleranz, wenig Angst und guter Schlaf.
Was sind Ihre größten Schwächen?
Ich kann nicht so gut mit der Angst anderer umgehen und eile manchmal bei neuen Projekten zu schnell voran.
Welchen anderen Entscheider würden Sie gern näher kennenlernen?
Robert Habeck.
Was würden Sie ihn fragen?
Wie er es schafft, nicht alles hinzuwerfen.
Was denken Sie über Betriebsräte?
Sie haben in der Entwicklung der Arbeitswelt eine wichtige, ja entscheidende Rolle gespielt – in modernen Wissensunternehmen haben sie neue Aufgaben, für die sie erst noch ein Instrumentarium entwickeln müssen.
Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?
Die Einstellung des Magazins „Econy“ durch den Spiegel-Verlag nicht zu akzeptieren und mit dem Redaktionsteam allein weiterzumachen.
Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?
Um die 40.
Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?
Sechs, manchmal sieben.
Wie gehen Sie mit Stress um?
Ich sortiere die Dinge und versuche, das zu reduzieren, was mich stresst.
Wie kommunizieren Sie?
In der Regel offen, manchmal zu impulsiv.
Wie viel Zeit verbringen Sie an Ihrem Schreibtisch?
70 Prozent. ´
Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?
Nach etwas zu suchen, was du wirklich, wirklich willst. Dann kann eigentlich nichts schiefgehen.
Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?
Dass wir freie Menschen in einem freien Land sind und leben und lieben dürfen, wie wir wollen – es gibt also keinen Grund, sich über andere zu erheben.
Fragebogen: Was Wolff große Sorgen macht
Wer war oder ist Ihr Vorbild?
Ich hatte und habe viele mutige Frauen in meiner Familie als Vorbild. Meine Oma hatte eine Schweinefarm mit 2000 Schweinen, meine Mutter ist Ärztin, früher mit eigener Praxis, meine andere Oma hat in den 50ern halbtags gearbeitet. Starke Vorbilder, die mich geprägt haben.
Was haben Ihre Lehrer/Professoren über Sie gesagt?
Wahrscheinlich nicht viel, da ich selten anwesend war.
Auf wen hören Sie?
Auf jeden Menschen, der rational das bessere Argument hat.
Was sollte man als Chef auf keinen Fall tun?
Das Thema Wertschätzung und Kommunikation unterschätzen.
Was sind die Prinzipien Ihres Führungsstils?
Wir sind ein anstrengendes Umfeld für Menschen, die eher konventionelle, langsame Umfelder kennen, da sich meine Firmen in hohem Tempo weiterentwickeln. Stillstand und Bequemlichkeit gibt es also bei uns quasi nicht. Ich versuche daher rein wertebasiert zu führen, nach gemeinsam definierten Werten wie Vertrauen, Ehrlichkeit, Respekt und Zuverlässigkeit. Ich bringe Mitarbeitende immer wieder aus ihrer Komfortzone heraus, damit sie wachsen können, versuche im gleichen Maße aber darauf zu achten, dass unser schnelles Tempo nicht überfordert.
Wie wichtig war/ist Ihnen Geld?
Geld bedeutet für mich Freiheit und ist ein Indikator für Erfolg. Und ich bin gern erfolgreich. Darum, viel Geld zu haben, ging es mir aber noch nie.
Was erwarten Sie von Mitarbeitern?
Dass sie unsere Werte leben und immer ihren „best shot“ geben. Sie sind Menschen und machen Fehler. Meistens sogar Fehler, die uns als Team besser machen. Ich erwarte allerdings, dass sie aus ihren Fehlern lernen und sie im Idealfall nicht wiederholen.
Worauf achten Sie bei Bewerbungen?
Ob jemand plietsch, motiviert und schnell im Kopf ist. Alles andere können wir beibringen.
Was sind Ihre größten Stärken?
Ich habe ein sehr hohes Energielevel, ich denke sehr schnell, und ich bin gut darin, mich zu entschuldigen, wenn ich Mist gebaut habe.
Was sind Ihre größten Schwächen?
Ungeduld, Impulsivität und ich rede zu schnell (und manchmal auch zu laut).
Wann haben Sie zuletzt Fehler gemacht?
Ich mache jeden Tag Fehler. Heute bestimmt auch schon. Ich mag Fehler, solange man daraus lernt, daher schaue ich nicht auf Fehler, sondern auf Learnings.
Welche Entscheidung hat Ihnen auf Ihrem Karriereweg geholfen?
Die Entscheidung, etwas Eigenes aufzubauen. Ich passe in wenige Korsette.
Wie viele Stunden arbeiten Sie in der Woche?
40–60 Stunden, je nach Woche.
Wie viele Stunden schlafen Sie (pro Nacht)?
Bis auf Ausnahmen mindestens sieben, eher acht Stunden, am Wochenende aber auch gern mal zwölf Stunden.
Wie viel Zeit verbringen Sie an Ihrem Schreibtisch?
Seit Corona 80 Prozent meiner Arbeitszeit. Vorher waren es eher 30 Prozent.
Wenn Sie anderen Menschen nur einen Rat für ihren beruflichen Werdegang geben dürften, welcher wäre das?
Scheuen Sie sich nicht davor, um Hilfe zu fragen. Machen Sie es nur schlau.
Und zum Schluss: Was wollten Sie immer schon mal sagen?
Ich mache mir zum ersten Mal ernsthaft Sorgen um unsere Bundesrepublik. Auf die wichtigen Fragen unserer Zukunft haben wir keine Antworten, in Sachen Digitalisierung sind wir abgehängt. Das größte Problem türmt sich gerade wie eine Welle vor uns auf: „Wer soll all das bezahlen, was wir gerade ausgeben?“ Die Politik agiert meist erst, wenn die Welle uns schon überrollt hat, anstatt sich präventiv vor die Welle zu bringen. Würde ich meine Firmen so leiten, wäre ich schnell pleite. Wir brauchen mutigere, erfahrenere (und damit meine ich keine politische Erfahrung!) und unabhängigere Politiker:innen.