Hamburg. Fast 30 Prozent mehr Menschen verunglücken im ersten Halbjahr 2022, es gibt bereits 13 Verkehrstote. Die Zahlen.
Die Corona-Schonzeit ist vorüber: Im ersten Halbjahr 2022 hat es im Hamburger Verkehr deutlich häufiger gekracht als im gleichen – noch von der Pandemie geprägten – Vorjahreszeitraum. Es gab viel mehr Blechschäden, aber auch erheblich mehr Unfälle, bei denen Menschen verletzt wurden. Hatte die Polizei bis Ende Juni 2021 „nur“ 2759 Unfälle erfasst, bei denen Menschen zu Schaden kamen, waren es im gleichen Zeitraum dieses Jahres 800 mehr – ein Plus von 29 Prozent. 4221 Menschen verunglückten dabei, das sind 921 mehr (+27,9 Prozent) als im ersten Halbjahr 2021. 3826 Verkehrsteilnehmer erlitten leichte und 382 schwere Verletzungen. Die Gesamtzahl der Unfälle auf Hamburgs Straßen stieg von 26.687 auf 29.833 (+11,8 Prozent).
Verkehr Hamburg: Drei Fußgänger und zwei Radfahrer starben
13 Menschen kamen bis Ende Juni ums Leben, darunter sechs Autofahrer sowie je ein Lkw- und ein Motorradfahrer (2021: 7). Fünf Opfer waren 65 Jahre oder älter, eins im Kindesalter. Und: Drei Fußgänger und zwei Radfahrer starben – Verkehrsteilnehmer also, die einer Kollision keine Knautschzone, keinen physischen Schutz entgegensetzen können. „Wir stellen im Moment fest, dass gerade die ungeschützten Verkehrsteilnehmenden im Verhältnis überproportional häufig bei Verkehrsunfällen beteiligt sind“, sagte Polizeisprecherin Sandra Levgrün dem Abendblatt.
Fast so viele Unfälle wie vor der Corona-Pandemie
Der Trend zeigt es: Mit dem Anstieg der Verkehrsmengen und dem Entfall der Beschränkungen gibt es fast wieder so viele Unfälle in Hamburg wie vor Corona. So lag die Gesamtzahl der Unfälle im ersten Halbjahr 2022 nur 10,6 Prozent unter dem Wert der ersten Hälfte des letzten Vor-Corona-Jahres 2019 – das erste Halbjahr 2021 lag noch 20 Prozent darunter.
Aber: In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden bereits 2,2 Prozent mehr „Unfälle mit Personenschäden“ erfasst als 2019. „Eine Wiederbelebung des Verkehrs nach der Coronazeit war zu erwarten“, sagt Levgrün. Außerdem habe sich der Straßenverkehr durch „die Zunahme des Radverkehrs, den Ausbau des Sharing-Angebots von E-Scootern und der eingeleiteten Mobilitätswende stark verändert“.
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287 Kinder verunglückten – ein Plus von 28 Prozent
Lagen die Unfallzahlen der Jahre 2020 und 2021 coronabedingt deutlich unter dem Niveau der Jahre davor, stiegen sie im ersten Halbjahr 2022 in praktisch jeder Kohorte mindestens moderat, meist steil an. In der Risikogruppe der Fahranfänger (18 bis 24 Jahre) wurden 4747 Unfälle erfasst, „nur“ 3,5 Prozent mehr als 2021. Menschen ab 65 Jahren waren in 5419 Unfälle entwickelt (+762). 61 Senioren wurden schwer verletzt.
Es verunglückten 287 Kinder und damit 62 mehr (+27,6 Prozent) als im Vorjahreszeitraum; 34 wurden schwer- und 252 leicht verletzt. Eine Ursache dafür, dass mit 432 Fußgängern 98 mehr verunglückten als im Jahr davor, sieht die Polizei in der wieder erhöhten Verkehrsdichte. 75 von ihnen wurden schwer verletzt (+44,2 Prozent).
Einen drastischen Anstieg gibt es bei den Radfahrunfällen in Hamburg
Drastisch fällt der Anstieg bei Radfahrunfällen aus: 1990 hat die Polizei registriert, fast 32 Prozent mehr als in der ersten Hälfte 2021; 1474 Radfahrer verunglückten (+34,1 Prozent), 1330 verletzten sich leicht, 142 schwer. Allerdings wuchs der Radverkehr in Hamburg bereits 2020 um 33 Prozent und im ersten Halbjahr 2022 um weitere 20 Prozent. Besonders häufig zeigten Radfahrer „Alleinunfälle“ an, 152 (+56,9 Prozent) mehr als im Jahr davor. Zugenommen haben auch Verletzungen durch Unfälle zwischen Radfahrern – hier spielen „Geisterradler“ (entgegengesetzt zur Fahrtrichtung) eine Rolle.
Jeder fünfte verunglückte Rollerfahrer war berauscht
Mehr Masse, aber nicht mehr Klasse herrscht bei den E-Scootern, von denen es erst nur 6000 und 2021 schon 17.000 gab; inzwischen rollen mehr als 23.000 durch die Stadt. Die Polizei registrierte 370 Unfälle und damit 220 mehr als im ersten Halbjahr 2021. In vier von fünf Fällen waren die Rollerfahrer auch die Verursacher, meist bauten sie „Eigenunfälle“ oder suchten nach Kollisionen mit Fußgängern das Weite. Unfassbar: Ein Fünftel der verunglückten Rollerfahrer war berauscht. Diese relativ kleine Gruppe ist, so die Polizei, verantwortlich für 15 Prozent aller Unfälle, bei denen Alkohol oder Drogen im Spiel waren. Während die Zahl der Lkw-Unfälle nur moderat stieg – von 5970 auf 6351 – und unter dem 2019er-Wert liegt, waren 169 oder rund 21 Prozent mehr verunglückte Motorradfahrer zu beklagen.
Durch Alkohol oder Drogen verursachte Unfälle nehmen stark zu
Die vier apokalyptischen Reiter des Straßenverkehrs waren bis Ende Juni 2022 wieder die Hauptunfallursachen: Abbiegefehler (5837), zu geringer Abstand (2232), zu hohe Geschwindigkeit (1366), Missachtung der Vorfahrt (870). Allerdings hat die Polizei im Zusammenhang damit 2019 noch mehr Fälle erfasst. Bemerkenswert: Es gab deutlich mehr Unfälle, die durch Alkoholkonsum verursacht wurden – viel mehr als im ersten 2019er-Halbjahr. Da waren es 313, dieses Jahr bereits 444 – ein Anstieg um fast 42 Prozent.
Verkehr Hamburg: Kampagne soll für mehr Sicherheit sorgen
Insbesondere bei Rad-, E-Scooter-, aber auch Autofahrern hätten Polizisten während der Unfallaufnahme einen „signifikanten Anstieg von Alkohol- oder Drogeneinfluss“ festgestellt, so Levgrün. Diesem Phänomen sei die Polizei im September mit „zahlreichen Kontrollen“ begegnet, eingebettet in die Kampagne „Mobil. Aber sicher.“ Mit der – noch laufenden – Kampagne sei die „erfolgreiche Verkehrssicherheitsarbeit“ der Polizei seit dem Frühjahr intensiviert worden. Dabei hätten die Beamten Verstöße konsequent geahndet, aber auch präventive Gespräche mit den Verkehrsteilnehmern geführt.