Hamburg. Hamburgs größte Hochschule bereitet sich mit einem Stufenplan auf eine mögliche Verschärfung des Infektionsgeschehens vor.

Sie wollten nach dem Abitur mit einem neuen Lern- und Lebensabschnitt beginnen – doch wegen der Pandemie konnten viele junge Studierende in der Hansestadt ihre Hochschule drei Semester lang kaum richtig kennenlernen, die Lehre lief überwiegend digital. Unter der Isolation litten viele: In einer Befragung der Universität Hamburg gaben drei Viertel an, dass sich der Kontaktmangel negativ auf ihre Arbeitsfähigkeit ausgewirkt habe. Erst von Oktober 2021 an fand wieder ein richtiges Hochschulleben statt.

Im kommenden Wintersemester soll es für die etwa 44.000 Studierenden der Uni so lange wie irgend möglich erlaubt sein, auf dem Campus zu lernen und in Vorlesungen und Seminaren mit Dozenten und Kommilitonen zu diskutieren – darin ist sich das Präsidium um den neuen Uni-Chef Hauke Heekeren einig. Auch die HAW Hamburg und die Technische Universität in Harburg planen eine Präsenzlehre. Zugleich laufen allerdings Vorbereitungen, um auf eine mögliche Verschärfung des Infektionsgeschehens „angemessen vorbereitet und rasch handlungsfähig“ zu sein, wie es in einem neunseitigen Planungspapier der Uni Hamburg heißt.

Uni Hamburg: Gremium hält drei Corona-"Kernszenarien" für möglich

Das Präsidium orientiert sich dabei an einer Stellungnahme des Expertenrats der Bundesregierung. Dieses Gremium hält drei „Kernszenarien“ für möglich.

  • „Günstiges Szenario“ (Stufe 1): Es tritt eine neue Virusvariante auf, die leichter übertragbar ist und sich der Immunabwehr besser entzieht als es derzeitige Varianten tun, die sich aber durch eine weniger krank machende Wirkung bei Älteren und eine „kaum merkliche Beeinträchtigung des Gesundheitsempfindens“ bei immunisierten Erwachsenen auszeichnet.
  • Stufe 2 nennt der Expertenrat das „Basisszenario“: In diesem Fall bleibt die Krankheitslast durch das Virus ähnlich wie bei den jüngsten Omikron-Varianten, allerdings treten in der kälteren Jahreszeit gehäuft Infektionen auf und es kommt zu Arbeitsausfällen bei Berufstätigen.
  • „Ungünstiges Szenario“ (Stufe 3): Es dominiert eine neue, infektiösere Virus­variante, die die Immunabwehr besser umgeht und zu einer erhöhten Krankheitsschwere führt.

Ab Stufe 2 sollen Vorlesungen vorwiegend online stattfinden

Laut Planungspapier der Uni ist für Stufe 1 fächerübergreifend Präsenz vorgesehen, die Lehrräume dürfen maximal ausgelastet sein. Masken sollen „empfohlen“ werden, wobei ein medizinischer Mund-Nasen-Schutz ausreiche. Dabei stützt sich die Uni auf Johannes Knob­loch, Leiter des Arbeitsbereichs Krankenhaushygiene am Uniklinikum Eppendorf. Es soll bei Stufe 1 keine Zugangsregelungen und Erhebungen von Kontaktdaten geben.

Kommt es zu Stufe 2, soll es weiterhin Präsenzlehre geben, aber mit Einschränkungen: Vorlesungen sollten vorwiegend digital stattfinden – in Präsenz nur, wenn Lernziele anders nicht erreicht werden kö. Seminare, Übungen, Kolloquien und ähnliche Veranstaltungen könnten auch noch in Präsenz stattfinden, eine digitale Durchführung sei jedoch ratsam, heißt es. Bei Stufe 2 sollten Studierende und Lehrende im Unterrichtsraum „grundsätzlich“ Masken tragen (wenige Ausnahmen) und Abstände einhalten (Ausnahmen mit Maskenpflicht). Eine Erhebung von Kontaktdaten sei bei Stufe 2 ratsam, heißt es in dem Planungspapier, das auf der Internetseite der Hochschule zu finden ist.

Der Zugang könnte nur noch unter 3G-Bedingungen möglich sein (geimpft, genesen oder getestet); es könnte auch „2G spezifische Bereiche“ geben. All das würde „gegebenenfalls“ gelten, weil die Uni wie alle staatlichen Hochschulen für 3G- oder 2G-Kontrollen erst eine Eindämmungsverordnung bräuchte. „Das kann die Hochschule nicht im eigenen Ermessen festlegen“, erklärt die Uni auf Anfrage. Selbsttestangebote für Studierende sollen bei Stufe 2 „dringend empfohlen“ werden.

Bei Stufe 3 wäre digitale Lehre vorgeschrieben

Käme es gar zu Stufe 3, wäre grundsätzlich digitale Lehre vorgeschrieben, es gäbe nur wenige Ausnahmen. Schutzmaßnahmen wie Masken und Abstände in Lehrräumen („Schachbrett-Muster“) wären verpflichtend. Digitale Lehre ließe sich komplett anrechnen, gegenüber 50 Prozent bei Stufe 2 und 25 Prozent bei Stufe 1.

Für mündliche und schriftliche Prüfungen soll für Stufe 2 eine digitale Durchführung empfohlen werden; bei Stufe 3 sollen Prüfungen nur noch in Präsenz stattfinden, wenn dies „zwingend notwendig“ wäre – darüber entschiede dann das Präsidium in Abstimmung mit den Dekanaten. Bei Stufe 3 soll für den Zutritt zu Uni-Gebäuden 3G gelten; Selbsttestangebote wären laut Uni zwingend „erforderlich“.

Uni Hamburg: Energiekrise könnte zu Einschränkungen führen

Die HAW Hamburg ist noch dabei, „verschiedene Szenarien zur Corona-Lage im Herbst zu entwickeln“. Die Technische Universität in Harburg (TUHH) würde bei einem verschärften Infektionsgeschehen „und kritischer Hospitalisierung“ ihre Lehrkonzepte im Wintersemester anpassen: „Denkbar wäre hier die Wiedereinführung der Maskenpflicht, das Umstellen von großen Vorlesungen auf digitale Formate sowie das Verlegen von kleineren Veranstaltungen in größere Räume“, erklärt die TUHH auf Nachfrage.

Ob es auf dem Campus der Uni Hamburg auch im kommenden Wintersemester kostenlose Schnelltests für Studierende geben wird, die keinen Impf- oder Genesenen-Nachweis vorlegen können, ist unklar. Die TUHH will sich „wieder dafür einsetzen“, dass ihren Studierenden „Campusnah Test- und Impfangebote gemacht werden“. Die Wissenschaftsbehörde schreibt, sie sei in „engem Austausch mit den Hamburger Hochschulen“.

Als wäre eine mögliche Verschärfung der Corona-Lage nicht genug, droht eine Energiekrise, was ebenfalls zu Einschränkungen in der Lehre führen könnte. Von der Uni heißt es, man arbeite „intensiv an Szenarien (…) unter den Rahmenbedingungen der Energieversorgung“, um den Betrieb „bestmöglich fortführen zu können“. Die HAW spart nach eigenen Angaben schon viel Strom etwa durch eine Beleuchtung mit LED-Lampen und prüft nun weitere Schritte, damit die „finanziellen Zusatzbelastungen für die Hochschule beherrschbar bleiben“. Die TUHH teilt mit, sie habe schon früher beim Heizen „massiv“ gespart und arbeite an Szenarien für den Herbst. Noch geht die Hochschule davon aus, dass ihre Leistungen „aufrecht zu erhalten“ sein werden.