Hamburg. Hamburger Kassenärzte berufen Sonderversammlung ein. Neues Gesetz verschlechtere die Situation für Patienten.

Im Protest vereint: Praxisärzte und Krankenkassen lehnen das sogenannte GKV-Finanzstabilisierungsgesetz von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) unisono ab. Die gesetzlichen Kassen fürchten um ihre Reserven, die Ärzte um Honorare für neue Patienten, die ihnen erst vor Kurzem zugesichert wurden. Außerdem – und das ist Kassen wie Ärzten wichtig – sollen gesetzlich Versicherte das nach ihren Aussagen mit längeren Wartezeiten und einer schlechteren Versorgung ausbaden.

Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg (KV), die Tausende Niedergelassene in der Stadt vertritt, hat für den September bereits eine außerordentliche Vertreterversammlung wegen Lauterbachs Gesetzesvorhaben anberaumt. Das erfuhr das Abendblatt aus Ärztekreisen. Berlins KV hat sogar schon einen Protesttag terminiert: Am 7. September sollen die Praxen zubleiben.

Hamburger Ärzte: Streik gegen Lauterbach?

Termine und Honorar für neue Patienten: John Afful, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, wendet sich mit den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten gegen die Politik von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).
Termine und Honorar für neue Patienten: John Afful, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg, wendet sich mit den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten gegen die Politik von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services

KV-Hamburg-Vorstandschef John Afful sagte, auch die offenen Sprechstunden seien von Lauterbachs Gesetz betroffen. Dabei würden sie gerade von Patienten gut angenommen. „Das von Herrn Prof. Lauterbach diagnostizierte Einnahmenproblem aufgrund des demografischen Wandels in der gesetzlichen Krankenversicherung“ solle anscheinend zu Lasten der Vertragsärzte und -psychotherapeuten und damit letztlich zu Lasten der Patienten gelöst werden, so Afful. Das sei ein Aufruf, die Leistungen zu kürzen.

Lauterbach muss mit den Einsparungen ein erwartetes 17-Milliarden-Loch bei den Krankenkassen stopfen. Dazu sollen Ärzte, Kassen und Arzneimittelhersteller beitragen sowie die Versicherten mit höheren Zusatzbeiträgen. Der Minister sagte, es werde keine Leistungskürzungen geben, aber alle müssten kurzfristig ihren Beitrag leisten. Der Verband der Ersatzkassen (VDEK) erklärte, jetzt müsse das Parlament dem Gesetzentwurf einen Riegel vorschieben – was nicht wahrscheinlich ist.

Krankenkassen empört über Karl Lauterbach

Der VDEK teilte mit: „Mit mehr als 11 Milliarden Euro sollen nach wie vor die Beitragszahler den Löwenanteil des für 2023 erwarteten Finanzlochs von 17 Milliarden Euro tragen. Es ist nicht fair, das Geld der Beitragszahler für die verfehlte Politik der Vorgängerregierung heranzuziehen, die das Geld mit vollen Händen verteilt und der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) Steuerungs- und Kontrollrechte genommen hat.“

Die Praxisärzte bemängeln, dass sie zum Beispiel im Vergleich mit den Krankenhäusern ungleich größere Sparbeiträge leisten sollen. Und: Wenn gesetzliche Versicherte länger auf Termine warten müssten oder es einen Aufnahmestopp gebe, sei das eine Leistungskürzung.

Hamburger Ärzte: Protest gegen Karl Lauterbach

Als Vorsitzender des Spitzenverbandes der Fachärzte sagte der Hamburger HNO-Arzt Dr. Dirk Heinrich: „Die Fachärztinnen und Fachärzte Deutschlands sind empört über die Scheinheiligkeit, mit welcher die Bundesregierung den Bürgern vorgaukeln will, es werde keine Leistungskürzungen im Gesundheitswesen geben. Fakt ist aber, dass mit diesem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz und weiteren von der Bundesregierung vorgesehenen Einschränkungen in vielen Arztpraxen ein Aufnahmestopp für Neupatienten und längere Wartezeiten auf einen Facharzttermin unvermeidlich sind. Und das bedeutet Leistungskürzungen und damit eine klare Verschlechterung der Versorgung von Patienten in Deutschland.“ Auch der Hartmannbund forderte Protestaktionen.

Die Ärzte sprechen von einem „doppelten Wortbruch“ Lauterbachs. Zum einen werde die Regelung zurückgedreht, dass für Neupatienten die „echten“ Behandlungskosten erstattet werden und nicht nur die übliche Pauschale. Denn für sie ist der Aufwand größer. Gerade in Hamburg mit zahlreichen Neubaugebieten suchen viele Patienten neue Haus- und Fachärzte. Zum anderen beklagen sie, dass im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung ja stehe, dass die Budgets für Hausärzte abgeschafft werden sollen.