Hamburg. Auf 30.000 Quadratmetern soll ein Ort des Wissens und der Begegnung entstehen – mit Bücherhalle und VHS. Die Pläne.
Es soll ein „Zukunftslabor“ werden, ein „Identifikationsraum in der Stadt“, ein „in Deutschland einmaliger Innovations- und Bildungsraum“, kurzum „ein Ort, der Begeisterung auslöst“. Nimmt man nur die Wortwahl in offiziellen Senatsverlautbarungen, dann kann das geplante „Haus der digitalen Welt“ in Hamburg eigentlich kaum weniger werden als das achte Weltwunder.
Die Krux daran: Bislang kann sich kaum jemand so richtig vorstellen, welche Gestalt diese Idee, die Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) überraschend 2020 im Wahlkampf präsentiert hatte, in der Realität annehmen wird. Klar ist: Eine reine Bücherhalle für digitale Medien soll es nicht werden – obwohl die bislang im Hühnerposten am Hauptbahnhof angesiedelte Zentralbibliothek der Hamburger öffentlichen Bücherhallen (HÖB) dort mit einziehen soll.
Neubau in Hamburg: ein Haus der digitalen Welt
Den Charme einer Bildungseinrichtung soll das Haus auch nicht versprühen – obwohl auch die Hamburger Volkshochschule (VHS) ihr Zentrum dorthin verlagern wird. Und ein Digitalmuseum soll es auch nicht werden – das soll schließlich 2024 in der HafenCity eröffnen. Also irgendein Mix aus allem, nur mit Weltanspruch. So ähnlich wie die neue Zentralbibliothek Oodi im finnischen Helsinki, aber doch ganz anders. So unspezifisch die Vorgabe, so emsig wird hinter den Kulissen an dem Projekt gearbeitet, wie Kultursenator Carsten Brosda (SPD) und Vertreter der beteiligten Institutionen am Freitag erklärten. Mehr als 80 Personen seien an einer Konzeptstudie beteiligt, ein Projektteam sei gegründet und vier Stellen dafür auch im Haushalt eingeplant.
Vor allem aber hätten sich Bücherhallen und Volkshochschule in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich Informatik der Universität Hamburg auf eine Betreiberstruktur und einen inhaltlichen Rahmen verständigt. Demnach werden die als Stiftung organisierten HÖB und die an die Schulbehörde angegliederte VHS das neue Gebäude gemeinsam betreiben, ohne ihre Selbstständigkeit oder ihre Außenstellen in der Stadt aufzugeben. Lediglich die Zentralbibliothek im Hühnerposten wird umziehen.
Haus der digitalen Welt als "Wohnzimmer der Stadt"
Unter diesen Prämissen könne nun die Suche nach einem Standort oder einem Gebäude beginnen. Folgende Vorgaben nannte Brosda dafür: Gesucht wird ein Standort in der Innenstadt mit rund 30.000 Quadratmetern Gesamtfläche. Zum Vergleich: Das entspricht in etwa dem Karstadthaus an der Mönckebergstraße oder der Europa Passage. Infrage komme dafür auch ein Bestandsgebäude, so Brosda – ob er dabei möglicherweise an das leer stehende ehemalige Kaufhofgebäude an der Mönckebergstraße denkt, sagte er nicht. Klar sei aber: „Wir rechnen mit einer gut im dreistelligen Millionenbereich liegenden Investitionssumme“, sagte Brosda und betonte: „Das ist nichts Preiswertes.“
Allerdings kalkuliere man auch mit mehr als zwei Millionen Besuchern pro Jahr, was wiederum kräftig zur Belebung der Innenstadt beitragen würde. Da es so ein Projekt in Deutschland noch nicht gebe, habe der Bund bereits eine Förderung zugesagt, sagte Brosda. Nachdem er früher einmal von der „Elbphilharmonie der Digitalisierung“ gesprochen hatte, beschrieb der Kultursenator das Haus der digitalen Welt nun als künftiges „Wohnzimmer der Stadt“ und sagte: „Das ist ein Projekt für Hamburg, aber eines, das über Hamburg hinaus strahlen soll.“
Haus der digitalen Welt soll viele Touristen anlocken
Frauke Untiedt, Direktorin der Hamburger Bücherhallen, nannte die geschätzte Besucherzahl noch „konservativ“. Allein im Hühnerposten habe man vor Corona eine Million Besucher pro Jahr gehabt, und das neue Projekt werde sicher darüber hinaus außer den VHS-Kunden auch viele Touristen und „Zufallsbesucher“ anlocken, so Untiedt, die schon bei dem Gedanken ins Schwärmen geriet: „Ich mag mir gar nicht vorstellen, wie sich das entfalten kann.“ Ihr Ziel sei es, „die Besucher hinters Licht zu führen“. Wer in das neue Haus komme, um ein Buch auszuleihen, könne das natürlich – man werde aber so viel Neues entdecken, dass man sicher schlauer herauskomme als man hineingegangen sei.
Und was passiert dort nun? „Ausprobieren, experimentieren, informieren“, fasste das Rainer Schulz, Staatsrat der Schulbehörde, zusammen. Man könne Medien und technische Hilfsmittel in allen erdenklichen Formen ausleihen und ausprobieren – vom gedruckten Buch über DVDs und Tablets bis hin zu Virtual-Reality-Brillen oder Robotern. Die Volkshochschule werde dort allein 40 zusätzliche Räume haben, es könnten Workshops, Diskussionsrunden, Lesungen, Konferenzen und viele andere Events stattfinden.
In dem Neubau sind auch Digital-Labore geplant
Dazu werde es Digital-Labore geben, Coworking-Spaces (digital ausgestattete Gemeinschaftsbüros) und offene Werkstätten (Neudeutsch: „Makerspaces“), in denen man zum Beispiel 3-D-Drucker nutzen kann. „Alle Angebote sollen eine Verbindung zwischen der virtuellen und der realen Welt herstellen“, so Schulz. Dabei achte man darauf, das Angebot wie von HÖB und VHS gewohnt niedrigschwellig und günstig zu halten – was nicht immer kostenlos bedeuten müsse.
Er rechne einerseits mit vielen jungen Besuchern, andererseits aber mit Älteren, die sich über Möglichkeiten der Digitalisierung informieren wollen. Wer zum Beispiel Hilfe bei der Einrichtung eines Online-Bürgerkontos benötige, bekomme die in dem Haus ebenfalls. Gastronomie wird es natürlich auch geben.
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Angesichts des rasanten Fortschritts bei der Digitalisierung könne man aber jetzt noch unmöglich sagen, wie das Angebot zum Zeitpunkt der Eröffnung wirklich konkret aussehen werde, so Schulz. Das betonte auch der Informatiker Prof. Tilo Böhmann: Das Haus der digitalen Welt müsse und werde „ein Ort sein, der sich ständig verändert“. Brosda sagte, man wolle „kein Top-down-Konzept“, sondern ein Haus für die Stadt müsse auch zusammen mit der Stadtgesellschaft entwickelt werden – diese Debatte sei nun eröffnet. In einem legte er sich aber bereits fest: „Das Haus der digitalen Welt ist nur ein Arbeitstitel – wir sind fest davon überzeugt, dass es am Ende anders heißen wird.“