Hamburg. Das Team vom Schulmuseum befragt Menschen, die während der NS-Zeit in der Stadt unterrichtet wurden. Das hat einen bestimmten Grund.
Ein schöner alter Bau mit hohen Räumen und unendlich viel Sehenswertem: Viele Hamburgerinnen und Hamburger kennen das Schulmuseum an der Seilerstraße 42 seit Jahren. Ganze Schülergenerationen haben schon auf den Bänken aus der Kaiserzeit gesessen und die Erziehungsmethoden des damaligen Unterrichts nacherlebt. Andere waren und sind fasziniert von der umfangreichen Bibliothek und den Schausammlungen zu Physik und Biologie mit ihren historischen Apparaten und Tierpräparaten.
Nun steht vor Ort eine grundlegende Veränderung an: Der Ausstellungsraum zum Themenbereich Schule in der NS-Zeit, der aus allen Nähten platzt, wird enorm erweitert. Wie Geschäftsführerin Ursula Timme erläutert, erhält das Museum dafür im obersten Stockwerk des Hauses zusätzlichen Platz, sobald der derzeitige Mieter ausgezogen ist. Laut jetzigem Planungsstand soll im Jahr 2025 alles fertig sein. Das komplexe Thema wird danach in vier zusätzlichen Räumen aufgearbeitet: Drei sind für die dann wesentlich größere Ausstellung vorgesehen, einer für Arbeitsgruppen (Work Shops).
Ausstellung Hamburg: Museum ist auch ein Lernort
Danach wird es an der Seilerstraße nicht nur viel mehr zu sehen, sondern auch zu erleben und aufzuarbeiten geben. Denn fachlich gesehen ist das Museum neben einem Ausstellungsort in historischem Rahmen auch ein Lernort, an dem Schülerinnen und Schüler nicht nur gucken, sondern zum Beispiel über Arbeitsaufträge mit Rollenspielen, Gruppenarbeit und kleineren Forschungseinsätzen selbst handeln können und sollen. Ein facettenreicher, vielfältiger Ort also.
Organisatorisch bildet es einen Teil des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI), wo Mara Sommerhoff als Referatsleiterin Gesellschaft seine Geschicke leitet. „Im Idealfall entwickeln und vertiefen Schülerinnen und Schüler im Schulmuseum eigene Erkenntnisse“, sagt Sommerhoff, „zum Beispiel über demokratische Prozesse oder deren Gefährdung.“ Die erweiterte und didaktisch modernisierte NS-Ausstellung werde dabei ein wichtiger Baustein sein – zum Beispiel, wenn es um Themen wie Ausgrenzung geht.
Silke Urbanski bringt viel Erfahrung mit
Ausstellungsleiterin ist Silke Urbanski. Die promovierte Historikerin bringt nicht nur als Erfinderin des digitalen Hamburg Geschichtsbuch und Buchautorin viel Erfahrung mit, sondern sie war jahrzehntelang auch Lehrerin an weiterführenden Schulen. Ein wichtiger Teil ihres Ausstellungskonzepts wird eine umfangreiche Befragung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen sein, von Menschen also, die noch während der NS-Zeit zur Schule gegangen sind.
Das Hamburger Schulmuseum an der Seilerstraße |
Die offizielle Eröffnung des Hamburger Schulmuseums erfolgte im Oktober 1991 zunächst in einem Nebentrakt der damaligen Rudolf-Roß-Schule durch die damalige Schulsenatorin Rosemarie Raab (SPD). Zuvor waren bereits rund 10.000 Exponate aus den Beständen der Hamburger Schulen gesammelt worden. Im Jahr 2000 musste das Schulmuseum seinen Standort in der Neustadt aufgeben, da dort aus der Rudolf-Roß-Schule die heutige Stadtteilschule Am Hafen entwickelt wurde. Seitdem hat das Hamburger Schulmuseum seinen Standort im Gebäude der ehemaligen Realschule St. Pauli (gegenüber der ehemaligen Volksschule) an der Seilerstraße 42. |
„Es ist erwiesen, dass Kinder und Jugendliche von solchen Interviews fasziniert sind“, sagt Urbanski, „denn die Unmittelbarkeit trägt ganz erheblich dazu dabei, innere Distanz zu überwinden.“ Urbanski spricht in diesem Zusammenhang von einem „Schatz, den es zu heben gilt“. Mehr als 100 Interviews der Jahrgänge 1914 bis 1934 liegen bereits vor.
Schulmuseum sucht nach Zeugen
Denn das Projekt wurde schon vor einigen Jahren gestartet, soll nun aber noch einmal richtig Fahrt aufnehmen. Wie wurde der Unterricht während der NS-Zeit wahrgenommen? Wie stark war die tägliche Arbeit von Ideologie bestimmt, und wie gingen Schülerinnen und Schüler damit um? Waren die Lehrer „auf Kurs“, oder bewahrten sich einige auch geistige Unabhängigkeit? Fragen wie diese sollen in den Interviews beantwortet und dann dokumentiert werden – ein spektakuläres Projekt.
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Das Team vom Schulmuseum ruft jetzt alle ehemaligen Schülerinnen und Schüler zur Teilnahme auf, die in den 1930er- Jahren in Hamburg eingeschult wurden. Der Filmemacher Christian Grasse wird die Interviews aufnehmen und für Besucherinnen und Besucher des Schulmuseums zugänglich machen.
Ausstellung Hamburg: Suche muss schnell erfolgen
Allen Beteiligten ist klar, das angesichts des hohen Alters der Interviewpartner die Zeit drängt – es ist faktisch die Suche nach den letzten Zeugen. Christian Grasse kündigt an: „Diejenigen, für die ein Interview in den Räumen des Schulmuseums zu beschwerlich ist, besuchen wir zu Hause. Besonderes Interesse besteht zudem an allen, die in der damaligen Realschule St. Pauli unterrichtet wurden, deren Gebäude heute das Schulmuseum ist.