Haifa/Hamburg. Die Vizepräsidentin des Bundestages hält als erste Muslima die Bucerius Lecture in Israel. Heikle Themen spart sie nicht aus.

Die Vizepräsidentin des Bundestages, Aydan Özoğuz (SPD), hat in einer Rede an der Universität Haifa am Sonntag das Wirken des Hamburger Förderkreises der israelischen Hochschule gewürdigt. Gleichzeitig nutzte Özoğuz (55) die Bucerius Lecture zum 50. Geburtstag des „Board of Governors“ der Uni, um auf aktuelle Fragen zu Einwanderung und Integration aufmerksam zu machen.

Dabei verknüpfte sie Grundsatzüberlegungen mit der Biografie des Förderkreisgründers Eric M. Warburg und ihrer eigenen. Bankier Warburg war vor den Nazis in die USA geflohen, nach dem Zweiten Weltkrieg zurückgekehrt und hatte aus Hamburg mit prominenten Wegbegleitern die Uni finanziell unterstützt.

In Haifa studieren Juden und arabischstämmige Israelis Seite an Seite. Sonja Lahnstein vom Förderkreis hatte zuletzt spontan 100.000 Euro an Spenden gesammelt, um ukrainischen Wissenschaftlerinnen, die nach Haifa geflüchtet waren, Stipendien zu ermöglichen.

Aydan Özoğuz: „Bin Migrantin, obwohl ich nie eingewandert bin“

Feier für den Hamburger Förderkreis der Universität Haifa: Aydan Özoguz, Uni-Präsident Prof. Ron Robin und Dr. Sonja Lahnstein.
Feier für den Hamburger Förderkreis der Universität Haifa: Aydan Özoguz, Uni-Präsident Prof. Ron Robin und Dr. Sonja Lahnstein. © Privat

Özoğuz sagte in ihrer Rede unter anderem: „In Deutschland bin ich heute offiziell eine Migrantin, obwohl ich selbst nie eingewandert bin. Ich bin Kind von türkischen Einwanderern aus Istanbul, die vor 61 Jahren nach Deutschland gingen, um sich ein neues Leben aufzubauen. Ich wurde in Hamburg geboren und bin dort aufgewachsen.“

Sie erinnerte an AfD-Mann Alexander Gauland, der vor fünf Jahren gesagt hatte, man könne sie „in Anatolien entsorgen“, weil sie den Gedanken der einen „deutschen Leitkultur“ ablehnte. Özoğuz sagte in Haifa: „Und so schrieb ich einen Artikel, in dem ich dieses Bild einer Leitkultur für unsinnig erklärte und mich dafür aussprach, die deutsche Gesellschaft nicht als Abstammungs-, sondern als Wertegemeinschaft zu verstehen. Den Ordnungsrahmen hierfür liefern, so meine Überzeugung, die Normen unserer Verfassung und das dahinterstehende Wertegerüst.“

Uneingeschränkt das Existenzrecht Israels unterstützen

Özoğuz erwähnte die rassistischen Mordtaten von Halle und Hanau, die sich gegen Juden und Muslime richteten. Und sie erinnerte an den Terror des NSU und seine Taten, die zunächst als „Döner-Morde“ abgetan wurden.

Stipendiatinnen der Universität Haifa, die vom Hamburger Förderkreis unterstützt werden.
Stipendiatinnen der Universität Haifa, die vom Hamburger Förderkreis unterstützt werden. © Privat

Außerdem zitierte sie Charlotte Knobloch, die frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden, die im vergangenen Jahr im Bundestag sagte: „Ich hatte meine Heimat verloren. Ich habe für sie gekämpft. Ich habe sie wiedergewonnen. Und ich werde sie verteidigen! Ich stehe als stolze Deutsche vor Ihnen. Obwohl alles dagegensprach; und noch immer vieles dagegenspricht.“ Diese Anlehnung lässt erahnen, dass Özoğuz ähnlich denkt.

Die Förderkreis-Vorsitzende Sonja Lahnstein sagte: „Wir fanden, dass es eine sehr berührende Rede war, und besonders für unsere jüdischen und arabischen/muslimischen Stipendiaten war es sehr interessant und motivierend.“

Als frühere Staatsministerin für Integration und Mitglied der Bundesregierung von Angela Merkel (CDU) war es Özoğuz außerdem wichtig, die Verantwortung der Deutschen für Israel ins Gedächtnis zu rufen. „Besonders Muslime in Deutschland werden ja immer wieder gefragt, ob sie das Existenzrecht Israels anerkennen. Ich habe mittlerweile und hauptsächlich durch Gespräche mit älteren Jüdinnen und Juden aus Deutschland verstanden, wie wichtig es ist, deutlich zu machen, dass das Existenzrecht Israels für uns in Deutschland Staatsräson ist und wir uneingeschränkt dahinterstehen. Und gleichzeitig – und das ist ja kein Widerspruch – wünschen wir uns auch ein besseres und faires Zusammenleben zwischen Israelis und Palästinensern.“

Dass das an der Uni Haifa praktiziert werde und sie die Festrede halten dürfe, mache sie stolz. Özoğuz zitierte eine Überschrift des Abendblattes zum Förderkreis, die sie bewegt habe: „Hamburger für Haifa: Von Eric M. Warburg bis Aydan Özoğuz.“