Der Küchenchef schwärmt über seinen Arbeitsplatz, der seit vielen Jahren hoch dekoriert ist. Was ist das Geheimnis des Haerlin?

  • Seit 20 Jahren verantwortet Christoph Rüffer, was im Restaurant Haerlin zubereitet wird
  • 2014 zeichnete der Gault&Millau Christoph Rüffer im Haerlin als Koch des Jahres aus
  • 215 Euro kostet das Sechs-Gang-Menü seit Herbst 2021 im Restaurant Haerlin

Bachforelle aus dem Ilmenautal mit Bergamotte, Kerbel und Erdartischockensud oder Helgoländer Hummer mit Kokos, Verveine und Kaffeeöl: Das sind zwei Gerichte aus dem aktuellen Sechs-Gang-Menü von Christoph Rüffer. Zu Beginn seiner Karriere als Küchenchef im Haerlin im Hotel Vier Jahreszeiten an der Binnenalster ließ er Törtchen von Gänseleber und Süßweinschaum mit Apfel-Rotwein-Kompott oder Medaillon von Seezunge und Jacobsmuschel mit grünem Spargel servieren. Eine Zeitreise der Aromen, Produkte, Lieferanten und Rezepte. Seit mittlerweile 20 Jahren verantwortet Christoph Rüffer, was auf dem Haerlin-Herd zubereitet wird.

„Eine lange Zeit“, sagt der heute 49-Jährige. „Und doch kommt es mir überhaupt nicht so vor.“ Sein Credo damals wie heute: „Ich möchte das Maximale aus dem Produkt rausholen und die maximale Harmonie auf den Teller bringen.“ Und so koche man im Haerlin heute kein Gericht, das schon 2002 auf der Karte stand. Man entwickle sich weiter, sei auf der Suche nach Neuem und Unbekannten.

Restaurant Haerlin: Rüffers Jagd nach Perfektion im Luxushotel

„Das wird im Laufe der Jahre immer schwieriger, weil man sich schon ein gutes Repertoire erarbeitet hat. Bei einem schönen Gericht, das ich selbst gerne esse und selbst gerne koche, stellt sich irgendwann die Frage, was man anders oder besser machen kann. Da ist die Perfektion schon sehr groß.“ Fluch und Segen des Kochs, der seit zehn Jahren verlässlich mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnet wird.

Und so ist der Geschmack des Küchenchefs schon entscheidend dafür, was den Gästen serviert wird. „Mit Kalbsnierchen könnte man mich zum Beispiel jagen ...“, sagt Rüffer. Dabei stand zufällig ein anderes Teil vom Kalb, nämlich die Brust, am Anfang der Koch-Laufbahn. Zusammen mit Oma Mathilde guckte der junge Christoph zu Hause in Essen in den 80er-Jahren die ZDF-Sendung „Essen wie Gott in Frankreich“. „Da trat Otto Koch auf, bei dem ich später in München gearbeitet habe.“ Die Rezepte der Sendung schrieb der Teenager im Videotext ab und kochte sie nach.

Zum Beispiel Kalbsbrust gefüllt mit einer Semmelknödel-Masse. „Das hat funktioniert.“ Rüffers Eltern kamen dann in den Genuss, dass der Sohn sie sonntags bekochte. „Sie sind mit dem Hund spazieren gegangen, und um 13 Uhr gab’s Essen.“ Und eben gerne mal die Kalbsbrust.

Auf Sylt erkochte sich Rüffer seinen ersten Michelin-Stern

Nach einem Schülerpraktikum im Sheraton Hotel in seiner Heimatstadt machte Rüffer nach dem Schulabschluss dort auch seine Ausbildung, dann ging er nach Bayern und arbeitete bei Spitzenmann Otto Koch.

„Wenn man aus Essen kommt, war München eine andere Welt. 600 Mark habe ich für meine Bude bezahlt.“ Später stand Rüffer in der Gourmet-Hauptstadt Baiersbronn im Schwarzwald bei Claus-Peter Lumpp und Harald Wohlfahrt am Herd. Nach einer Ausbildung zum Küchenmeister erkochte er sich 1999 im Fährhaus Munkmarsch auf Sylt seinen ersten Michelin-Stern. 2012 gab es für das Haerlin den zweiten, zwei Jahre später zeichnete der Gault Millau Rüffer als Koch des Jahres aus.

Der Spitzenkoch tritt als Juror bei ZDF-Sendung auf

Einem breiteren Publikum ist der Küchenchef als Juror bekannt aus der ZDF-Sendung „Die Küchenschlacht“, die in Ottensen aufgezeichnet wird. „Aber sparsam. Abends will ich wieder hier sein. Mein Hauptanliegen ist das Restaurant Haerlin.“ Was sich nebenbei vereinbaren lasse, das mache er, sagt Rüffer. So schrieb er das Kochbuch „Zuhause kochen und genießen“, eine Herzensangelegenheit während der Corona-Schließungen.

Als der Küchenchef vor 20 Jahren seinen Dienst begann, sah das Haerlin nach heutigem Geschmack eher altmodisch aus: dunkles Holz, die Stühle mit rot-braun-gestreiftem Stoff bezogen, dunkelgrüne Sitzbänke in der Mitte, Gobelins an den Wänden. Aktuell ergänzen üppiger Blumenschmuck, chinesische Seidentapeten mit Fischmotiven und Goldprägungen die hellen Crème- und Grüntöne im Treffpunkt für Gourmets.

Rüffer durfte die Haerlin-Küche nach seinen Vorstellungen gestalten

Christoph Rüffer bezeichnet seinen Arbeitsplatz als „wunderschön“. Vor zehn Jahren durfte er die Küche nach seinen Wünschen umbauen lassen. Außerdem hat er Mitspracherecht bei der Auswahl von Geschirr, Besteck und Tischwäsche. „Wir sind ein Weltstadt-Restaurant, zeitlos und trotzdem mit Historie.“ Und er kann sich auf sein Team verlassen, das er kollegial führt. Ohne die Truppe wäre er nichts, „deshalb gebühren meinen Leuten auch Ehre und alle Auszeichnungen“.

  Pressefoto Hotel Vier Jahreszeiten  Hotel Vier Jahreszeiten - Außenansicht abends beleuchtet
  Pressefoto Hotel Vier Jahreszeiten  Hotel Vier Jahreszeiten - Außenansicht abends beleuchtet © Gerrit Meier | Gerrit Meier

Habe man früher Sahnesoßen mit Noilly Prat oder Hummer- und Champagnerschaum serviert, verwende man heute leichtere Fonds ohne Sahne und vielleicht für die Bindung etwas Olivenöl, so der Küchenchef. Das Geschmacksspektrum und die Produktvielfalt seien größer. „Wir haben viel mehr Zulieferer und kaufen gezielt bei kleineren Betrieben, die Top-Qualität anbieten.“ So komme das Wild aus der Lüneburger Heide und Geflügel aus der Nähe von Uelzen. Tomaten werden vor den Toren Hamburgs geerntet, und der Honig auf den Dächern der Stadt gewonnen. „Früher gab es nicht so gute Produzenten in der Region, deshalb musste oft auf Ware aus Frankreich zurückgegriffen werden. Das ist heute anders.“

Dafür müssen Rüffer und sein Team sich immer öfter mit Allergien und Unverträglichkeiten wie Laktose- oder Gluten-Intoleranz beschäftigen. „Bei Reservierungen wird das abgefragt, damit wir auf die Wünsche eingehen können.“ Die Küche nehme natürlich Rücksicht. „Aber wenn jemand Zwiebeln in jeglicher Form nicht verträgt, schränkt uns das schon ein.“

Verspielte Kreationen sucht man bei Rüffer vergebens

Rüffer beobachtet genau, was der Markt an neuen Waren hervorbringt. Die Produkte stehen für ihn im Vordergrund. „Sie müssen von bester Qualität sein, dann kann ich interessante Aromen-Kombinationen schaffen. Unabhängig vom Preis verdient jedes Produkt die gleiche Aufmerksamkeit und Sorgfalt. Die ersten kleinen Pfifferlinge sind genauso schön wie die teuren Morcheln aus Südfrankreich.“

Es gehe um Mischkalkulation und zugleich darum, das Zwei-Sterne-Niveau zu halten. Ein Kilo Carabineros (rote Riesengarnelen) kostet heute rund 100 Euro. „Wenn ich die ins Menü setze, kalkuliere ich den nächsten Gang vielleicht etwas günstiger. Wir sind ein Gourmet-Restaurant, die Produkte müssen tipptopp sein. Und es darf nichts von der Stange sein.“ Dabei bleibt vieles pur. „Das Verspielte sucht man auf meinen Tellern vergeblich.“

Buchungslage im Haerlin ist trotz Corona-Krise gut

Vorgaben zum Wareneinsatz bekommt Rüffer nur bedingt. „Ich bin mein eigener Wirtschafter. Ich behandle das Haerlin in dieser Hinsicht so, als wäre es mein eigener Betrieb, auch finanziell.“ Und damit ist Hoteldirektor Ingo C. Peters auch sehr zufrieden. 215 Euro kostet das Sechs-Gang-Menü seit Herbst 2021. Gleichwohl ist die Buchungslage im Haerlin seit Ende des Lockdowns sehr gut. Die Gäste sind mehrheitlich Hamburger aller Altersklassen. Auch Kinder sind dabei. „Manche essen das große Menü in halben Portionen mit, andere sind mit Pommes zufrieden“, beobachtet Rüffer.

In Zeiten von Smartphones und Tablets sei überdies für Unterhaltung der jungen Gäste gesorgt. „Neulich hat eine Familie zwischen den Gängen Karten gespielt. Dann macht auch Kindern gehobene Gastronomie Spaß.“

Haerlin-Chef Rüffer: 20 weitere Jahre werden es nicht mehr

Und natürlich hat sich auch der Küchenchef über die Jahre verändert. „Früher war ich hibbeliger. Heute kann ich mich auf mich und meine Leute verlassen, habe mehr Lebenserfahrung und gewisse Routinen, ohne nachlässig zu werden.“

Im nächsten Jahr wird Christoph Rüffer 50. Zeit für etwas Neues? Er winkt ab. „Das kommt für mich nicht infrage. Es ist immer noch spannend, und es geht immer noch weiter. Aber weitere 20 Jahre Haerlin werden es nicht mehr.“ Das sei er seiner Freundin Roya schuldig. Die 47 Jahre alte IT-Unternehmerin und der Küchenchef haben sich über ein Dating-Portal kennengelernt. Zur Familie gehören noch Rüffers Töchter. Sophia (20) macht am UKE eine Ausbildung zur biologisch-technischen Assistentin und ist gerade ausgezogen. Dafür kommt Zoe (17) demnächst von ihrem Auslandsjahr in Irland nach Hamburg zurück, geht wieder zur Schule und komplettiert die Patchwork-Familie.

Christoph Rüffer kann sich vorstellen, dass seine rechte Hand Tobias Günther ihn mal als Chef in der Haerlin-Küche beerbt. Der 38 Jahre alte Vater von drei Kindern arbeitet auch schon seit 15 Jahren in der Haerlin-Küche. 2018 verlieh ihm das Gastro-Magazin Rolling Pin den Titel Sous Chef des Jahres. Rüffer sagt: „So lange der Hotel-Eigentümer Kurt Dohle und Hoteldirektor Peters an Bord sind, ist das hier ein sehr guter Arbeitsplatz.“

Und ist ein dritter Michelin-Stern sein Ziel? „Ich koche mit Herz und Leidenschaft, das wird so bleiben, egal ob mit zwei oder drei Sternen.“