Hamburg. Der Sicherheitsdienst war in einigen Hamburger Bezirken einfach nicht mehr erschienen. Nun gibt es einen ersten Verdacht.
In mehreren Hamburger Bezirksämtern haben sich die Mitarbeiter schnell wieder an neue Gesichter gewöhnen müssen. Die Kollegen eines Sicherheitsdienstes, die erst am 1. März 2022 die Einlasskontrollen und die Kontrolle der Hygienemaßnahmen aufgrund der Corona-Pandemie übernommen hatten, waren nämlich von einem auf den anderen Tag wieder weg. „Sie sind nicht mehr zur Arbeit erschienen“, sagt Kerstin Wilmes, Sprecherin der Hamburger Finanzbehörde, als Begründung dem Abendblatt. Daher sei der Vertrag „aufgrund der Nichteinhaltung der vereinbarten Leistung am 8. April durch die Finanzbehörde fristlos gekündigt“ worden.
Auffällig ist der zeitliche Zusammenhang der fristlosen Kündigung mit einer großangelegten Razzia Anfang April – nach Abendblatt-Informationen gibt es einen Zusammenhang mit dem Sicherheitsdienst in den Bezirksämtern. Nicht diese selbst hatten fraglichen Sicherheitsdienst beauftragt, sondern die Finanzbehörde, wie Wilmes bestätigt: „Die (losweise) Vergabe der Sicherheitsdienste aufgrund von Corona wurde gemäß der Zuständigkeitsregelung der Hamburger Vergaberichtlinie durch die Zentrale Vergabestelle der Finanzbehörde im Auftrag der Bezirksämter Nord, Wandsbek, Harburg, Bergedorf und Eimsbüttel vergeben.“
Bezirksämter in Hamburg rätseln über Sicherheitsdienst
Das bereits wieder gekündigte Unternehmen habe sich im „Rahmen des durchgeführten Offenen Verfahrens und der vorgegebenen Wertungsmaßstäbe als wirtschaftlichster Anbieter durchgesetzt. Es bestanden keine vergaberechtlichen Versagensgründe“, so Wilmes. „Es gab keine Hinweise, dass das Unternehmen in irgendeiner Weise unredlich sein könnte.“
Alle Aufträge begannen jeweils am 1. März und sollten ursprünglich bis 30. April gehen, nur in Eimsbüttel übernahm der Sicherheitsdienst erst Anfang April. Der Vertrag mit dem Sicherheitsunternehmen war laut Wilmes dergestalt, dass eine jeweils monatliche Verlängerungsoption bis maximal 31. Dezember 2022 bestand, auch weil unklar war, wie sich die Pandemie entwickelt und wie lange man die Sicherheitsleute überhaupt braucht.
Zusammenhang mit Razzia in Norddeutschland?
Unklar ist laut Wilmes, ob das Unternehmen noch für andere städtische Einrichtungen tätig war oder ist. „Der Zentralen Vergabestelle (ZVST) der Finanzbehörde sind keine weiteren Verträge bekannt. Es besteht jedoch seitens der ZVST keine vollständige Einsicht in sämtliche Verträge der Freien und Hansestadt Hamburg“, so die Sprecherin der Finanzbehörde. Ihre Finanzbehörde prüfe aktuell rechtliche Schritte.
Am Vormittag des 4. April 2022 durchsuchten 285 Zöllnerinnen und Zöllner der Finanzkontrolle Schwarzarbeit im Auftrag der Staatsanwaltschaft Hamburg insgesamt 15 Objekte in Norddeutschland. „Die Kolleginnen und Kollegen waren primär in Hamburg eingesetzt“, so Zollsprecher Oliver Bachmann. „Aber auch in Berlin, Neumünster, Kiel und Seevetal wurden Privat- und Geschäftsräume durchsucht.“
Ermittlungen zum Sicherheitsdienst dauern an
Die Maßnahme richtete sich demnach hauptsächlich gegen einen in Hamburg wohnhaften Unternehmer, der im Verdacht steht, seit Oktober 2017 Arbeitsentgelte vorenthalten und veruntreut zu haben, indem er mindestens 100 namentlich bekannte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie eine noch festzustellende Anzahl noch nicht identifizierter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als Sicherheitskräfte einsetzte oder einsetzen ließ. Darüber hinaus besteht der Verdacht, dass für einige Zeiträume zur Verschleierung der Lohnzahlungen auch Abdeckrechnungen (Scheinrechnungen, die Red.) eingebucht wurden.
Die Staatsanwaltschaft Hamburg hatte damals aufgrund der Vorermittlungen des Zolls 34 entsprechende Durchsuchungsbeschlüsse beantragt, wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft damals bestätigte. „Ferner wurden wegen der Verdachtsmomente der Mittäterschaft beziehungsweise Beihilfe weitere Personen in die Durchsuchungsmaßnahme mit einbezogen.“
Bei den Durchsuchungsmaßnahmen wurden umfangreiche Beweismittel wie Stundenaufzeichnungen, Notizzettel, Rechnungen und Teile der Lohn- und Finanzbuchhaltung zur Durchsicht mitgenommen sowie PCs, Tablets und Smartphones sichergestellt. Zusätzlich wurden in Absprache zwischen Zoll und Staatsanwaltschaft Hamburg acht Arrestbeschlüsse über fünf Millionen Euro vollstreckt. In diesem Zusammenhang wurden bereits am Einsatztag Barmittel in Höhe von rund 60.000 Euro, auf Konten bislang 800.000 Euro und in Form von Kraftfahrzeugen etwa 340.000 Euro gesichert. Die Ermittlungen werden unter der Leitung der Staatsanwaltschaft Hamburg von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit beim Hauptzollamt Hamburg weitergeführt.
Neue Security für Bezirksämter
„Die Ermittlungen dauern an, insbesondere die Sichtung der im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen sichergestellten Beweismittel“, sagte Mia Sperling-Karstens, Oberstaatsanwältin, Sprecherin der Staatsanwaltschaft, dem Abendblatt.
Seit dem 1. Mai 2022 seien die Unternehmen proSicherheit GmbH und Securitas Sicherheit GmbH für die genannten Dienste in den Bezirksämtern im Einsatz, sagte Kerstin Wilmes von der Finanzbehörde. In den Bezirksämtern ist nun offenbar wieder Ruhe eingekehrt. „Wir sind sehr froh über diese Mitarbeiter“, sagte eine Mitarbeiterin des Bezirksamtes Nord dem Abendblatt. „Diese Leute sind sehr freundlich und engagiert und machen ihre Arbeit wirklich gut.“