Hamburg. Unverheiratete Eltern gemeinsamer Kinder haben weniger Rechte. Wie dramatisch so ein Fall enden kann, schildert ein Fachanwalt.

In unserer Gesellschaft gehören sie längst zur Normalität: Patchworkfamilien und Elternpaare, die unverheiratet mit ihren Kindern zusammenleben. Doch der Gesetzgeber hinkt diesen Entwicklungen weit hinterher. Stiefmütter und -väter und auch unverheiratete Eltern gemeinsamer Kinder haben vor dem Gesetz längst nicht dieselben Rechte wie im klassischen Familienmodell aus verheirateten Müttern und Vätern mit Kind, wenn es um Sorgerecht, Unterhalt, Trennung und Erbschaften geht.

Deshalb sollte man sich dringend informieren und die Dinge rechtlich regeln, empfiehlt der Notar und Fachanwalt für Familienrecht, Holger Gieseler, im Familienpodcast „Morgens Zirkus, abends Theater“.

Erziehungs-Tipps: Stiefeltern haben nur wenige Rechte

Beginnen wir mit den Patchworkfamilien. „Stirbt der leibliche Elternteil, haben die übrig bleibende Stiefmutter oder der Stiefvater so gut wie keine Rechte im Hinblick auf ein Kind des verstorbenen leiblichen Elternteils – egal, ob das Paar verheiratet war oder nicht“, sagt der Familienanwalt Holger Gieseler. „Im Fall des Todes fällt die alleinige elterliche Sorge in der Regel dem anderen leiblichen oder rechtlichen Elternteil zu, der damit auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht hat.“

Will er das Kind zu sich nehmen, darf er das in aller Regel. Manchmal komme es da zu einem Drama, wenn das Kind über Jahre in der anderen Beziehung gelebt hat und die biologische Mutter oder Vater kaum kennt. „Alles, was der Stiefelternteil beantragen kann, ist eine ,Verbleibens­anordnung‘. Das ist kein Sorgerecht, sondern regelt, dass das Kind unter bestimmten Bedingungen beim Stiefelternteil bleiben kann und kleinere Angelegenheiten entschieden werden können.“ Wenn es um erheblichere Fragen gehe wie beispielsweise Schulwahl oder Ausbildungsbeginn, hat aber nur der leibliche Elternteil das Sagen.

Rechte des Stiefelternteils oder des neuen Ehegatten bestehen mit dem Tod des Partners nicht ohne Weiteres. Er kann allerdings den Umgang mit dem Kind oder den Verbleib des Kindes, das der andere Elternteil ihm wegnehmen will, bei ihm im Haushalt verlangen, wenn die Wegnahme das Kindeswohl gefährdet und der überlebende Partner eine enge Bezugsperson des Kindes ist. Willigt der andere Elternteil nicht ein, bleibt nur der Gang zum Familiengericht.

Erziehungs-Tipps: Eine Adoption kann helfen

Die Schleswig-Holsteinische Notarkammer weist darauf hin, dass eine Adoption das Problem heilen kann. „Wenn es zur Adoption kommt, wird der Stiefvater rechtlicher Vater und bekommt das Sorgerecht für das Kind. Es wird wie sein leibliches Kind behandelt“, sagt auch Gieseler. Der bisher rechtliche Vater muss allerdings der Adoption zustimmen, sonst ist sie kaum zu realisieren. Auch das Kind wird gehört, wenn es alt genug dafür ist. Ist das Kind bereits 14 Jahre alt, muss es zudem selbst in die Adoption einwilligen. Aber: Gegen den leiblichen Vater hat es dann keine rechtlichen Ansprüche mehr – auch nicht auf Unterhalt oder Erbe.

Seit Anfang 2020 können auch nicht eheliche Lebensgefährten, die in einer verfestigten Lebensgemeinschaft leben, das Kind ihres Partners adoptieren. Wer als Stiefvater oder -mutter ein Kind adoptiert hat, erhält ein eigenes Sorge- und Umgangsrecht wie bei einem gemeinschaftlichen Kind. Im Todesfall des Partners steht ihm die elterliche Sorge zu. Zu beachten ist dabei, dass Stiefeltern nach einer Adoption auch unterhaltspflichtig gegenüber dem Kind sind, selbst falls es zur Trennung des Paares kommt.

Holger Gieseler ist Rechtsanwalt und Notar sowie Experte für das Familienrecht bei Patchworkfamilien.
Holger Gieseler ist Rechtsanwalt und Notar sowie Experte für das Familienrecht bei Patchworkfamilien. © Roland Magunia/Hamburger Abendblatt | Roland Magunia/Hamburger Abendblatt

Auch ohne Adoption hat das Kind die Möglichkeit, den Namen anzunehmen, wenn die neuen Partner heiraten. „Eine Patchworkfamilie kann nach der Hochzeit beim Standesamt einen gemeinsamen Namen für alle Mitglieder beantragen, doch das Kind hat ein Mitspracherecht. Der alte Name bleibt dann erhalten, und der neue Familienname wird zumeist voran- oder hintendran gestellt“, sagt Rechtsexperte Gieseler. Der rechtliche Vater oder die Mutter müssen dennoch weiterhin Unterhalt für das Kind leisten, sofern eben keine Adoption stattgefunden hat.

„Der leibliche Elternteil bleibt unterhaltspflichtig“

Miterziehen darf die Stiefmutter oder der Stiefvater nur in Maßen. Der leibliche Elternteil kann, sofern er das Sorgerecht hat, den neuen Partner oder die neue Partnerin eine Sorgevollmacht erteilen. Weiter zahlen muss das andere leibliche Elternteil dennoch: „Die Unterhaltspflicht wird durch die Verwandtschaft begründet. Der leibliche Elternteil bleibt unterhaltspflichtig, auch wenn er nicht mehr mit seinen Kindern zusammenlebt“, sagt Holger Gieseler. „Das gilt unabhängig davon, was der neue Partner verdient.“

Ganz wichtig ist, so der Familienanwalt und Notar: „Auf jeden Fall muss man darauf achten, dass man ein Testament macht. Andernfalls erbt das Kind vom Stiefelternteil gar nichts, auch wenn man viele Jahre lang wie eine Familie zusammengelebt hat. In einem Testament kann man dieses Kind oder auch den unverheirateten Partner als Erben einsetzen.“ Sonst kann es beispielsweise für die Frau, die das Stiefkind lange mitbetreut hat, wenig gearbeitet hat und kaum eigene Altersvorsorge bekommt, dramatisch werden.

Gesetzgeber hinkt bei unverheirateten Eltern hinterher

Erstaunlich ist, dass trotz aller gesellschaftlichen Veränderungen unverheiratete Elternpaare verheirateten Eltern rechtlich nicht annähernd gleichgestellt sind. „Es ist ein großes Problem, dass unser Recht der tatsächlichen Entwicklung in diesem Bereich sehr hinterherhinkt“, sagt Gieseler, der Partner der in Pinneberg ansässigen Sozietät Poppe ist. „Wenn Eltern mit ihren leiblichen Kindern zusammenleben, aber nicht verheiratet sind, dann gibt es so gut wie keine gegenseitigen Ansprüche. Im Fall einer Trennung ist ein Elternteil zwar unterhaltspflichtig für das gemeinsame Kind, nicht aber für den Ex-Partner, außer wenn das Kind sehr klein ist und noch der Betreuung durch die Mutter bedarf.“

Der unverheiratete Vater kann zwar vor der Geburt des Kindes eine Vateranerkennungserklärung abgeben. Damit hat er noch nicht das Sorgerecht, kann es aber beim Familiengericht beantragen, es sei denn, es liegt eine gemeinsame Sorge­erklärung der Eltern vor. „Unser Recht geht noch immer davon aus, dass im Fall einer nicht ehelichen Geburt die alleinige Sorge bei der Mutter liegt.“ Ist sie nicht mit einem Sorgerecht für den Vater, mit dem sie nicht verheiratet ist, einverstanden, muss der Vater vor das Familiengericht ziehen.

Witwe musste sofort aus dem Haus ausziehen

„Wenn man langjährig zusammenlebt, aber nicht verheiratet ist, sollte man viele Dinge durch einen notariellen Vertrag regeln“, appelliert Gieseler. Auch sollte man eine Vorsorgevollmacht sowie eine Patientenverfügung errichten, auch Auskunftsrechte betreffend. Und u. a. eben auch Unterhaltsregelungen für den Fall einer Trennung treffen.

Sonst ergeht es einem wie einem Paar, das Gieseler betreute. Da lebte ein Mann schon seit 25 Jahren nicht mehr mit seiner Frau zusammen, hatte sich aber nie um die Scheidung gekümmert, obwohl zu seiner Frau und dem gemeinsamen Kind kaum noch eine Beziehung bestand. Er lebte die ganzen Jahre mit einer neuen Partnerin zusammen und hatte sich schon vor 20 Jahren ein Haus gekauft, das mittlerweile abbezahlt war. Der Mann starb, ohne Testament.

Die getrennt lebende Ehefrau erbte nur deshalb nicht, weil er das Scheidungsverfahren mittlerweile beantragt hatte. Stattdessen bekam das bereits erwachsene Kind alles, die Lebensgefährtin ging nach all den Jahrzehnten leer aus. „Sie musste alles stehen und liegen lassen und sofort aus dem Haus ausziehen. Sie stand vor dem Nichts. Und bekam auch keine Witwenrente – eben weil sie nicht verheiratet war“, erzählt Gieseler.

Deshalb seine Botschaft: „Wer längere Zeit zusammenlebt, sollte seine Beziehung auf eine vernünftige rechtliche Grundlage stellen.“ In einem solchen Vertrag könne man auch Unterhaltsansprüche regeln.