Hamburg. VNW beklagt: Kaum Grundstücke, explodierende Baukosten und immer höhere Anforderungen. Und auch die Mieten werden steigen.
"Hat das bezahlbare Wohnen in Hamburg noch eine Zukunft?“ Schon der Titel des Gesprächs, zu dem der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) am Donnerstag geladen hatte, ließ nichts Gutes erahnen. Und die Antworten, die die Dachorganisation der Genossenschaften, die mit gut 300.000 Wohnungen 43 Prozent der Mietwohnungen in der Hansestadt stellen, gab, fielen entsprechend aus. Der Neubau von bezahlbarem Wohnraum sei kaum noch möglich, und auch die Mieten würden wohl bald steigen, sagte VNW-Chef Andreas Breitner.
Dabei fielen Gegenwart und Zukunft weit auseinander: Mit einer durchschnittlichen Nettokaltmiete von 7,03 Euro pro Quadratmeter seien die Genossenschaften aktuell noch „der Garant des bezahlbaren Wohnens in Hamburg“, so Breitner, der stolz darauf verwies, dass bei den VNW-Mitgliedern die Mieten 2021 nur um 1,1 Prozent gestiegen seien, während die allgemeine Preissteigerungsrate bei 3,1 Prozent gelegen habe.
Wohnen Hamburg: Kaum noch bezahlbare Grundstücke
Doch die Zukunft malten Breitner, Peter Kay, Vorstand der Baugenossenschaft freier Gewerkschafter (BGFG) sowie Marko Lohmann, Vorstand der Gemeinnützigen Baugenossenschaft Bergedorf-Bille, in düsteren Tönen: Kaum noch bezahlbare Grundstücke, ein beispielloser Anstieg der Baukosten, steigende Zinsen, immer höhere energetische Anforderungen, dazu das Förder-Chaos bei der staatlichen KfW – das alles führe dazu, dass man als „sozialer Vermieter“, der seine Kosten nicht eins zu eins an die Mieter weitergeben könne und wolle, derzeit kein Bauprojekt mehr guten Gewissens starten könne.
„Das, was gerade gebaut wird, wird sicher zu Ende gebaut“, so Breitner. „Beim Neubau allerdings sehe ich schwarz. Ursprünglich dafür geplante Gelder werden die Unternehmen in die Modernisierung und Sanierung von Wohnungsbeständen stecken.“ Von den 1853 Wohnungen, mit deren Bau die Genossenschaften im Jahr 2022 beginnen wollten, seien rund 1200 gefährdet. Dabei ist das Ziel schon weniger ehrgeizig als in den Vorjahren: 2017 war noch der Bau von 3372 Wohnungen begonnen worden.
Wohnen Hamburg: 10.000 Wohnungen pro Jahr ist das Ziel
Diese Projekte werden aktuell noch vollendet – doch was jetzt nicht gestartet wird, wird in den kommenden Jahren auch nicht fertig. Mit anderen Worten: Das Ziel des Senats, mindestens 10.000 Wohnungen pro Jahr zu errichten, dürfte dieses Jahr noch erfüllt werden, kommendes vielleicht auch noch – doch danach dürfte es in weite Ferne rücken.
Dabei hat die Befragung der Hamburger VNW-Unternehmen – 51 Genossenschaften und 17 gemeinwohlorientierte Wohnungsgesellschaften – vor dem russischen Angriff auf die Ukraine stattgefunden. Die seitdem explodierenden Energiekosten sind daher in der Bewertung noch gar nicht enthalten. So schilderte Lohmann, dass seine Genossenschaft sich immer ein Jahr im voraus mit Gas eindecke und daher aktuell kein Problem habe. Doch wenn der Gaspreis Ende des Jahres immer noch doppelt so hoch sei wie vor dem Krieg, könne das die Nebenkosten um einen Euro pro Quadratmeter erhöhen – bei einer Durchschnittsmiete von sieben Euro wären das rund 15 Prozent.
Nebenkosten bei Neubauten höher als bei Gebäuden aus 50er-Jahren
Peter Kay beklagte, dass immer höhere Anforderungen – von Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung bis hin zu wartungsintensiven Sicherheitstreppenhäusern und Bauanträgen, die in 16-facher Ausfertigung verschickt werden müssten – nicht nur die Bau-, sondern auch die Nebenkosten in die Höhe treiben würden. Diese seien bei Neubauten mit rund 3,50 Euro pro Quadratmeter höher als bei Gebäuden aus den 50er-Jahren – dabei sollte es aufgrund der viel besseren Dämmung und effizienterer Heizungen eigentlich umgekehrt sein.
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Die Probleme seien so vielfältig, dass es nicht den einen Hebel gebe, um sie zu lösen, betonte Lohmann. Er forderte „pragmatische Lösungen“ für die bereits geplanten Projekte. Breitner forderte einen „Baubeschleunigungsprozess“. Unter anderem regten die VNW-Vertreter an, lieber den Wohnungsbestand energetisch zu sanieren anstatt die Anforderungen für Neubauten auf die Spitze zu treiben – denn bei den Altbauten gebe es ein viel höheres Potenzial für Energie-Einsparungen.
Massive Kritik äußerten das Trio an dem Stopp der Förderung für KfW55-Häuser durch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). „Genau genommen war das Betrug“, sagte Kay. Auch Lohmann berichtete, dass er keine bezahlbaren Wohnungen errichten könne, wenn plötzlich ein Teil der Finanzierung wegbreche. „Das Chaos bei der KfW-Förderung hat unser Vertrauen in die staatliche Förderung massiv beschädigt“, sagte Breitner. „Allein der Wegfall der Förderung des KfW55-Standards führt zu einer Mietsteigerung von mindestens 1,50 Euro pro Quadratmeter.“