Hamburg. Patrick Folkerts und Jan Logemann haben die Firma „Faszinarium“ gegründet. Mit Hokuspokus hat das nichts zu tun.
Da hilft keine feinsinnige Finte. Und auch kein bettelnder Blick. Jan Logemann guckt belustigt, lässt sich jedoch nicht erweichen: Seine Tricks verrät er nicht. Basta. Berufsehre eines Profizauberers. Geldstücke erscheinen aus dem Nichts – und verschwinden wieder. Aus dem Taschenfeuerzeug wird, schwuppdiwupp, eine Streichholzschachtel. Es ist nicht zu glauben. Das Ganze.
Dabei begann dieser Frühlingsvormittag ganz real. Hamburger Sprühregen. Ein paar Meter von der Kreuzung Holstenstraße/Max-Brauer-Allee entfernt, hatte Zauberkünstler Logemann angegeben, birgt das linke von zwei benachbarten Ladenlokalen Geheimnisvolles. Wo früher ein Kürschner im Einsatz war, sind aktuell kleine und große Mirakel zu Hause. Der Name der Firma ist Programm: Faszinarium.
Hamburger entwickeln Zauberkasten zum Studium der Magie
Dahinter versteckt sich eine der faszinierendsten Geschäftsideen der Stadt: ein Zauberkasten zum Studium der Magie. Entwicklungszeit: zweieinhalb Jahre. Die Kunst der Illusion soll Menschen in den Bann ziehen, besondere Momente schenken und – leichter gesagt als getan – das Staunen zurückbringen. Mit Hokuspokus hat das nichts zu tun. Jan Logemann lässt eine Medaille in einer Kerzenflamme verdampfen. En passant, spielerisch, mit Schalk im Blick. Der Mann versteht es, Menschen zu fesseln.
Tatsächlich hat er im Team mit seinen Mitstreitern in den letzten Monaten Erstaunliches vollbracht: Leuten Geld abgeknöpft, ohne sofortige Gegenleistung. Allerdings gegen Zusage eines folgenden Mehrwerts. Gut 100 Käufer bestellten einen Zauberkasten, der im Entstehen begriffen ist. Was auf Neudeutsch „Crowdfunding“ genannt wird, basiert auf einem simplen Prinzip: Durch ihren Vorkauf helfen Unterstützer und Wohlmeinende einer jungen Idee auf die Sprünge. Ohne stabiles Finanzfundament, eine etablierte Produktionsfirma und ein effektives Vertriebsnetz hätten Enthusiasten wie Logemann und Co. sonst keine Chance.
Magie in Hamburg: Zauberkasten und Online-Zauberschule
„Es hat funktioniert“, sagt der gebürtige Fehmarner mit Wohnsitz in Rahlstedt. Da mehr als 100 Personen für je 600 Euro einen der Faszinarium-Zauberkästen geordert und im Voraus bezahlt haben, steht ausreichend Startkapitel zur Verfügung. Unbedingt benötigt wurden 30.000 Euro; unter dem Strich kamen kurz vor Weihnachten 72.000 Euro zusammen. „Das erste Wunder war geschehen“, meint Logemann.
Bevor wir dem Holzkoffer mit 26 maßgefertigten Boxen mit je zwei bis drei Einzeltricks auf den Grund gehen, erläutert Logemanns Partner Patrick Folkerts das magische Paket: Der Kasten wird begleitet von individuellen Zaubersprüchen, einem Handbuch und einer Online-Zauberschule. Dahinter steht ein Team von zwölf professionellen Zauberern: Welt- und Staatsmeister aus Spanien, Österreich, der Schweiz und Deutschland. In 60 Internet-Stunden soll der registrierte Käufer an die Hand genommen werden, um schrittweise in die zauberhafte Welt der Mirakel, Illusionen und Überraschungen einzutauchen.
Gut 100 Zauberkästen sind bestellt
Nicht nur optisch scheint Patrick Folkerts wie geschaffen für ungewöhnliche Erlebnisse. Seine Trümpfe: Fantasie, Intelligenz, verblüffende Fingerfertigkeit. Der 33 Jahre alte Kreative aus St. Pauli zaubert leidenschaftlich. Er bezeichnet sich als Entwickler von Illusionen. Der gebürtige Hamburger mit dem kunstvoll gezwirbelten Bart und der unorthodoxen Bekleidung alter Schule fabriziert Ideen. Wenn es anderen die Sprache verschlägt, freut er sich wie ein großes Kind.
Diese Tugend eint das an diesem Vormittag im Faszinarium an der Holstenstraße 114 versammelte Quartett unkonventioneller Tausendsassas: Als Art-Direktorin ist Valerie Schäfers für den optischen Pfiff verantwortlich. Christian Pfaff, Werbetexter, Jongleur geschliffener Worte und Betreiber der Altonaer Galerie Oberfett, wirkt als einer der Mentoren im Hintergrund.
Auch er hat es keinesfalls verlernt, im Alltag Kind sein zu können. Pfaff verfasst das zum Kasten gehörende Zauberbuch und übersetzt die Tricks der Zauberkünstler in die Sprachwelt der Normalos. Aus seinem Fundus stammt der Geistesblitz, Kunden zu Weihnachten per Post einen kleinen, geheimnisvollen Schlüssel geschickt zu haben. In ein paar Wochen soll sich damit das zauberhafte Reich der in Handarbeit hergestellten Holzkoffer erschließen. Gut 100 Kästen sind bestellt, 300 bei Schreinern in Auftrag gegeben. Codewort via Internet: www.derzauberkasten.de.
Faszination im kleinen Kreis, Verzauberung statt Effekthascherei
„Spannend ist die Kombination aus Begeisterung und Geschäft“, sagt Jan Logemann. Billige Tricks mit Plastikmaterial oder im Nu verpuffende Gags sind verpönt. Ebenso wie Massenveranstaltungen in großen Sälen und Hightech-Effekte. Faszination im kleinen Kreis, Verzauberung statt Effekthascherei, auf diese Karte setzen die Initiatoren Folkerts, Logemann und Co. In Hamburg können etwa zehn Zauberer von ihren Künsten leben. Zudem sind etwa 80 Hobby-Magierinnen in zwei Vereinen engagiert.
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Jan Logemann legte im Alter von neun Jahren in Elternhaus und Schule auf Fehmarn los. Den Grundstein hatte sein Vater mit einem gezinkten Kartenspiel gelegt. Jan wollte mehr. Er gründete das Zaubertrio Baltic Magic. Die Eltern chauffierten Jan, seinen Bruder Hannes und Kumpel Henning von Auftritt zu Auftritt.
Daraus erwuchs Großes: Unterbrochen von ein paar Semestern Medizinstudium und Arbeit als Physiotherapeut setzte Logemann beruflich alles auf die Zauberkarte. In Amerika gewann er die Weltmeisterschaft, hierzulande den Titel als Magier des Jahres. Er trat in Las Vegas, Paris, Tokio auf. In Hamburg wirkte er am ältesten deutschen Zauberzirkel mit, dem Magiculum. Das Leben macht Spaß.
Eine Menge geht. Nur Fragen sind tabu.
Just in diesen Wochen verkörpert er im Deutschen Schauspielhaus die Rolle des Zauberers im Stück „Die Räuber der Herzen.“ Das passt perfekt. Ebenso wie Kollege und Freund Patrick Folkerts, der im Vorjahr auf Kampnagel die künstlerische Leitung der „Illusionen“ innehatte, beherrscht Logemann die hohe Schule, Aha-Momente zu zelebrieren. Das Faszinarium, der Hamburger Zauberkasten eigener Klasse, wendet sich an Kinder des Herzens. An Junggebliebene wie die Macher hinter den Kulissen.
„Einen Moment noch“, ruft Jan Logemann zum Schluss. Der 37 Jahre alte Familienvater guckt wie ein Schelm. Er bittet den Besucher, ein buntes Tuch zu halten. Mit einer Handvoll vor den eigenen Augen verschwindenden Sandes als Zugabe vollbringt Logemann das Meisterstück, Erstaunen pur zu wecken. Was ist denn nun echt? Wie ist das bloß möglich? Antwort: Eine Menge geht. Nur Fragen sind tabu. Sonst geht der Zauber verloren. Und das will ja keiner.