Hamburg. Neue Station für psychiatrisch erkrankte Inhaftierte in der U-Haftanstalt. Kritik von Gewerkschaft, Engpass bleibt. Über die Lage.
Es ist ein nüchterner Satz, der allerdings dem Eingeständnis eigenen Scheiterns nahekommt. „Für die vergleichsweise kleinere Zahl der stationär psychiatrisch behandlungsbedürftigen Inhaftierten fehlen in Hamburg derzeit wegen der Auslastungssituation im Maßregelvollzug Plätze in ausreichender Zahl“, schreibt der Senat in seiner Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken-Bürgerschaftsabgeordneten Cansu Özdemir und Deniz Celik.
Die ausreichende Zahl der Plätze in der geschlossenen Abteilung der Asklepios Klinik Nord/Ochsenzoll, in der als gefährlich geltende, aber schuldunfähige Straftäter und Tatverdächtige untergebracht und therapiert werden, fehlen nicht nur „derzeit“, wie der Senat schreibt, sondern bereits seit Jahren.
Haftanstalt ungeeignet für Unterbringung
Die Folge: Straftäter und Tatverdächtige, deren Unterbringung im Maßregelvollzug gerichtlich angeordnet ist, müssen zum Teil in entsprechenden Einrichtungen anderer Bundesländer, den geschlossenen Abteilungen anderer Krankenhäuser oder in der Untersuchungshaftanstalt (UHA) aufgenommen werden.
Dabei ist die Haftanstalt denkbar ungeeignet für deren Unterbringung: Das Personal, die Strafvollzugsbediensteten, ist weder für den Umgang mit den schwer psychisch erkrankten Menschen ausgebildet, noch sind die baulichen Voraussetzungen für deren Aufnahme gegeben. Um wenigstens diesen Mängeln zu begegnen, hat die für den Maßregelvollzug zuständige Sozialbehörde bereits mehrfach angekündigt, zwei forensisch-psychiatrische Stationen im Zentralkrankenhaus der UHA einrichten zu wollen.
„Die Suche nach Personal wurde weiter intensiviert"
Nach Informationen des Abendblatts soll die erste Station nun am 1. Mai ihre Arbeit aufnehmen. Die Stationen werden von der Asklepios Klinik Nord zunächst für die Dauer von zwei Jahren betrieben, wobei ausschließlich medizinisches Personal eingesetzt werden soll. Derzeit sitzen 20 nach § 126a StPO Untergebrachte (Maßregelvollzug) in der UHA ein. Die längste Aufenthaltsdauer beträgt mehr als 500 Tage, in vielen Fällen sind es mehrere Monate. Zehn der Inhaftierten sollen in die erste Station des Zentralkrankenhauses umziehen. Insgesamt sollen beide Stationen 18 Patienten aufnehmen können.
Die Umbauten im Zentralkrankenhaus sind längst abgeschlossen, aber die Inbetriebnahme hatte sich immer wieder verzögert, „da das benötigte Personal noch nicht in erforderlichem Umfang angeworben werden konnte“, wie der Senat Anfang Januar mitteilte. „Die Suche nach Personal wurde weiter intensiviert. Neben der Unterstützungsbitte an alle Hamburger Krankenhäuser mit psychiatrischen Fachabteilungen wurden einzelne Ärztinnen und Ärzte in Hamburg und dem Hamburger Umland angefragt. Eingesetzt werden ebenfalls Personalvermittlungsagenturen“, klingt es fast schon dramatisch Anfang Februar in der Antwort auf die Linken-Anfrage.
Viele Fragen ungeklärt
Kritik kommt vom Personalrat der Justizvollzugsanstalten. „Wir wurden in die Planungen nicht eingebunden, sondern vor vollendete Tatsachen gestellt“, sagt Sascha Möbius, stellvertretender Vorsitzender des Landesverbands Hamburgischer Strafvollzugsbediensteter (LVHS). Aus Sicht der Strafvollzugsbediensteten sind viele Fragen ungeklärt. So sollen die Asklepios-Mitarbeiter Anstaltsschlüssel erhalten und sich in dem sicherheitsempfindlichen Bereich der Haftanstalt frei bewegen können.
„Was passiert in einem Alarmfall, wenn ein Inhaftierter renitent wird? Wer wendet unmittelbaren Zwang an?“, fragt René Müller, LVHS-Landesvorsitzender und Vorsitzender des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD). „Für die Bewältigung einer solchen Lage sind die dort tätigen Pflegekräfte zuständig“, sagt Dennis Sulzmann, Sprecher der Justizbehörde. Allerdings könnten ausnahmsweise in einem Alarmfall auch Strafvollzugsbedienstete in Amtshilfe tätig werden. „Zum Sicherheitskonzept laufen aktuell noch letzte Absprachen“, sagt Sulzmann.
Personallage könnte sich weiter verschärfen
Müller befürchtet, dass sich die ohnehin angespannte Personallage in der U-Haftanstalt weiter verschärfen wird. „Wir haben die Befürchtung, dass wir zum Beispiel Personalausfälle auf den neuen Stationen kompensieren müssen. Dabei können wir zusätzliche Aufgaben nicht leisten“, sagt Müller. Die Vollzugsbediensteten sollen auch weiterhin für Aus- und Vorführungen der schwer psychisch erkrankten Inhaftierten zuständig sein.
„Das bedeutet also weiterhin einen enormen Personalaufwand“, sagt Möbius. Der LVHS lehnt die Unterbringung von §126a-Inhaftierten in Haftanstalten generell ab. „Diese Menschen gehören in eine eigene Einrichtung, nicht in den Vollzug. Das ist eine komplett kritische Situation“, sagt Müller.
Mehr psychisch kranke Straftäter
Seit 2001 hat sich die Zahl der psychisch kranken Straftäter im Maßregelvollzug verdreifacht – die Zahl der verfügbaren Plätze in Ochsenzoll ist nicht mitgewachsen. Laut Senat stehen gegenwärtig 325 Plätze in der Asklepios Klinik Nord zur Verfügung. Im Oktober 2021 waren bereits 365 als gefährlich geltende Straftäter und Tatverdächtige dort untergebracht. Bis Mitte 2023 soll die Kapazität „auf bis zu 373 stationäre Maßregelvollzugsplätze“ ausgebaut werden.
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„Es ist ein nicht hinzunehmendes Armutszeugnis, dass in Hamburg seit Jahren rechtswidrige Zustände im Bereich staatlicher Freiheitsentziehung herrschen und Behandlungsbedürftige in der U-Haftanstalt verwahrt werden“, sagt der CDU-Bürgerschaftsabgeordnete und Justizexperte Richard Seelmaecker.