Hamburg. Obwohl die Infektionszahlen weiter hoch sind, beurteilt der Senat die Situation nun anders. Sonderweg an Hamburgs Schulen?
Ginge es nur nach der Inzidenz, kann von einem Ende der Pandemie noch keine Rede sein: Durch 3337 Neuinfektionen sank diese am Dienstag zwar leicht, bleibt aber mit einem Wert von 1336 deutlich vierstellig. Die Kliniken sind mit 460 Patienten weiterhin stark durch Corona belastet, 42 der Menschen benötigen intensivmedizinische Behandlung. Die Zahl der Todesopfer im Zusammenhang mit Covid-19 stieg zudem am Dienstag um 17 auf 2454.
Die Lageeinschätzung des Senats wandelt sich jedoch zusehends. Wurde es vor drei Wochen auch mit Blick auf Ferienrückkehrer noch dringend für nötig gehalten, etwa die Maskenpflicht in Innenräumen in Hamburg zu verlängern, soll diese nun am 30. April auslaufen – sofern sich die Situation zuvor nicht plötzlich und dramatisch verschlechtert.
Freedom Day in Hamburg: Wann enden die Hotspot-Regeln?
Das wird auch in der Sozialbehörde aber für eher unwahrscheinlich gehalten. Vielmehr gelte es, ein tragfähiges Schutzkonzept für sensible Einrichtungen zu entwerfen, nachdem im Alltagsleben auch die Masken bereits gefallen sind. Energisch verteidigt die Sozialbehörde weiterhin die Entscheidung, mit dem „Freedom Day“ in Hamburg länger zu warten als andere Bundesländer. Die Infektionsdynamik sei auch weiterhin hoch. Gleichzeitig liegt die Zahl der Corona-Intensivpatienten bei nur rund einem Drittel des bisherigen Höchststands in der Pandemie.
Möglich ist, dass die Hotspot-Regeln sogar vor dem 1. Mai enden. Wie berichtet, sind Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht anhängig. Die AfD, die eine entsprechende Klage eingereicht hat, kritisiert die Entscheidung des Senats als überfällig: „Es ist schön, dass der Freiheitstag kommt, aber er kommt viel zu spät. Hamburgs Sonderweg war eine Einbahnstraße mit Sackgasse“, so der Fraktionschef Dirk Nockemann. Auch wenn die Hotspot-Regeln nun nur noch 18 Tage gelten, zog die Fraktion die Klage am Dienstag nicht unmittelbar zurück.
Klage gegen Hotspot-Regeln? FDP ist zerstritten
Zerstritten über den weiteren Kurs ist derweil die FDP, deren Landeschef Michael Kruse frühzeitig ebenfalls eine Klage angekündigt hatte. Wie ein Sprecher des Verwaltungsgerichts am Dienstagnachmittag auf Anfrage sagte, sei eine entsprechende Klageschrift ihm aber bislang nicht bekannt. Kruse hatte für seine Ankündigung parteiintern großen Widerstand erhalten, die Jungen Liberalen sich sogar „schockiert“ über das Verhalten des Landesvorsitzenden gezeigt.
Am Montagabend stellte sich der Landesvorstand in der Hotspot-Frage hinter Kruse und die mögliche Klage – „sofern diese nach erfolgter anwaltlicher Beratung als sehr aussichtsreich angesehen wird“. Zu der Frage, ob trotz der Pläne des Senats daran nun festgehalten werde, wollte sich Kruse auf Anfrage aber nicht äußern. Neben der AfD hat bislang der Betreiber eines Tanzstudios eine Klage eingereicht, eine Entscheidung gab es am Dienstag noch nicht.
CDU-Fraktionschef kritisiert Schwenk des Senats
Die Grünen-Fraktionsvorsitzende in der Bürgerschaft, Jennifer Jasberg, sieht den geplanten Schritt der weiteren Lockerungen dagegen als rechtzeitig. Aber: „Die Infektionszahlen sind weiter hoch, und die Pandemie wird ganz sicher nicht an einem bestimmten Tag enden. Daher lehnen wir es ab, von einem ,Freedom Day‘ zu sprechen“, so Jasberg. Auch brauche es eine weitere Impfkampagne, um im Herbst gegen eine weitere schwere Infektionswelle gewappnet zu sein.
Der CDU-Fraktionschef Dennis Thering kritisiert den Schwenk des Senats. „Die Lage und die Corona-Zahlen sind heute im Wesentlichen genauso wie vor zwei Wochen – und sie werden auch in zwei Wochen kaum anders sein. Insofern ist die Frage mehr als berechtigt, warum Hamburg vor zwei Wochen ein Hotspot gewesen sein soll, dies aber in zwei Wochen plötzlich nicht mehr ist?“, so Thering. Die CDU setze auf die Eigenverantwortung der Hamburger.
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Corona: In Hamburgs Schulen wird die Testfrequenz gesenkt
Der gesundheitspolitische Sprecher der Linksfraktion in der Bürgerschaft, Deniz Celik, schlug in dieselbe Kerbe: „Die Hotspot-Regelung darf nicht verlängert werden, wenn sie für den Gesundheitsschutz nicht mehr zwingend erforderlich ist“, so Celik. Allerdings sei „der Senat in der Pflicht, evidenzbasiert darzustellen, weshalb eine Überlastung des Gesundheitssystems nun nicht mehr droht“.
In den Schulen soll bereits nach den Osterferien ein Lockerungsschritt erfolgen, in dem die Testfrequenz von drei auf zwei Tests pro Woche gesenkt wird. Dieser Plan trifft bei der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW) jedoch auf klare Ablehnung. „Die Corona-Situation ist weiter angespannt“, sagte der GEW-Vorsitzende Sven Quiring. „Voraussetzung für alle Öffnungsschritte“ sei ein Rückgang der Infektionszahlen. Quirin hält es für denkbar, in den Schulen bei schärferen Regeln zu bleiben: „Notfalls muss eine Verlängerung der Maßnahmen über Ende April hinaus in Erwägung gezogen werden.“