Hamburg. Lehrerinnen wie Tetjana Yahodka helfen bei der Umsetzung des Konzepts – sie ist selbst aus der Ukraine nach Hamburg geflüchtet.
„Herzlich willkommen“, steht in verschiedenen Sprachen und Farben an der grauen Wand neben dem Eingangsbereich des Louise-Weiss-Gymnasiums in Hamm. Die Botschaft ist Programm: An der Europaschule wurde die nach Kriegsbeginn erste ukrainische Lehrkraft in Hamburg neu eingestellt. Die 38 Jahre alte Tetjana Yahodka, die mit ihren beiden Kindern aus der westukrainischen Stadt Lwiw vor Putins Angriffskrieg in die Hansestadt floh, wurde am Montag von Schulsenator Ties Rabe begrüßt (SPD).
Schon rund 1000 ukrainische Kinder in Hamburg eingeschult
„Es freut mich sehr, dass Schulbehörde und Schulleitungen gemeinsam jetzt auch ukrainische Lehrkräfte einsetzen. Sie sind eine Bereicherung für das hamburgische Schulwesen und ein wichtiges Bindeglied zwischen den Hamburger Schulen und der Heimat der Kinder und Jugendlichen“, sagte Rabe. Derzeit werde mit Hochdruck daran gearbeitet, zusätzliche Schulklassen für Kinder und Jugendliche, die aus der Ukraine nach Hamburg geflohen sind, einzurichten.
Knapp 1000 ukrainische Kinder und Jugendliche hätten bislang einen Platz an einer Hamburger Schulen bekommen, weitere 458 hätten sich in den vergangenen Tagen angemeldet und sollen in Kürze eingeschult werden. „Aufgrund der in Hamburg ohnehin stark steigenden Schülerzahlen ist es nicht immer ganz einfach, in sehr kurzer Zeit an den Schulen zusätzliche Unterrichtsräume und Lehrkräfte zu gewinnen“, so Rabe. „Ich bin sehr froh, dass alle weiterführenden Schulen binnen kurzer Zeit die Voraussetzungen dafür geschaffen haben.“
237 Willkommensklassen in Hamburg
Das Louise-Weiss-Gymnasium sei dabei eine der „erfahrensten Schulen“, da dort „schon immer eine offene Tür für Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund aus der ganzen Welt war“. Zudem habe das Gymnasium hamburgweit eine der ersten Internationalen Vorbereitungsklassen eingerichtet. Diese sogenannten Willkommensklassen werden von Schülerinnen und Schülern besucht, die aus dem Ausland einwandern und noch kein Deutsch sprechen, daher wird in ihnen vor allem das Fach Deutsch unterrichtet. Schrittweise würden dann weitere Schulfächer wie Mathe eingeführt. Spätestens nach einem Jahr wechseln die Kinder und Jugendlichen dann in eine Regelklasse.
In Hamburg habe es vor den Märzferien insgesamt 237 Willkommensklassen gegeben, davon 80 im berufsbildenden Bereich. 68 weitere Klassen (davon 2o an berufsbildenden Schulen) wurden bereits eingerichtet, zudem seien 42 Klassen an allgemeinbildenden Schulen in Vorbereitung, von denen viele in den nächsten Tagen starten. Für die Kinder aus der Ukraine gebe es dabei eine Besonderheit. Für sie soll der „herkunftssprachliche Unterricht“, der normalerweise erst in den Regelklassen besucht werden kann, bereits in der Willkommensklasse als zusätzliches Angebot ermöglicht werden.
Rabe: Angebot des Ukrainisch-Unterrichts ist Geste des Respekts
„In diesem Fall haben wir gesehen, dass es durchaus Sinn macht, dieses Angebot früher starten zu lassen“, sagte Rabe. „Denn wir müssen auch ein Stück weit berücksichtigen, dass die Kinder, um die es geht, vor vielleicht sechs Wochen noch morgens ihr Marmeladenbrötchen gegessen haben und mit dem Fahrrad zur Schule gefahren sind und nicht ahnen konnten, welches Unglück gerade über sie hereinbricht.“ Das Angebot des Ukrainisch-Unterrichts sei eine Geste des Respekts, die auf die besondere Lage der Geflüchteten Rücksicht nimmt, sagte Rabe und kündigte an: „Wir wollen das künftig auch bei anderen Fluchthintergründen prüfen.“
- 21.000 Geflüchtete und 1000 neue Schüler – was Hamburg plant
- So soll die Integration der Ukraine-Flüchtlinge gelingen
- So geht Schule in Zeiten des Ukraine-Krieges
In den Willkommensklassen mit Kindern aus der Ukraine sollen künftig vier bis fünf der rund 30 Unterrichtsstunden pro Woche in ukrainischer Sprache unterrichtet werden. Daher würden die Schulleitungen derzeit versuchen, Lehrkräfte mit Sprach- oder Herkunftshintergrund aus der Ukraine einzustellen. Am Louise-Weiss-Gymnasium konnten neben Tetjana Yahodka bereits zwei weitere Lehrerinnen aus der Ukraine gewonnen werden, die in den kommenden Tagen in den Willkommensklassen Deutsch, Englisch und Ukrainisch unterrichten.
Dass die erste ukrainische Lehrkraft im Hamburger Schuldienst am Louise-Weiss-Gymnasium eingestellt wurde, sei Zufall gewesen, sagt Schulleiter Sven Kertelhein. „Der Weg war etwas außergewöhnlich.“ So habe Lehrerin Yahodka ihn in den Märzferien angeschrieben und gefragt, ob Personal an der Schule benötigt werde. „Wir waren uns dann relativ schnell einig, das wollen wir versuchen.“ Dabei stelle es für die Lehrerin aus Lwiw auch „eine kleine Hürde dar, in einem fremden Land mit einem fremden Schulsystem Deutsch zu unterrichten“, so Kertelhein. „Der Situation sind wir mit Respekt begegnet.“
Knapp 3000 Geflüchtete sind schulpflichtig
Die beiden anderen Lehrkräfte habe Yahodka über einen Aufruf in den sozialen Netzwerken gewinnen können. So fängt in dieser Woche die 29 Jahre alte Lehrerin Lesia Storchak aus Kiew, die mit ihrer vier Jahre alten Tochter nach Hamburg geflohen ist, an der Europaschule in Hamm zu unterrichten an. Aktuell werden dort bereits 20 geflüchtete ukrainische Schülerinnen und Schüler im Alter von zehn bis 15 Jahren in den Willkommensklassen betreut. Die Zahl der Internationalen Vorbereitungsklassen soll an der Schule um zwei auf dann sechs erhöht werden.
Mit den neuen Lehrerinnen würden „viele Fliegen mit einer Klappe geschlagen“, sagte Kertelhein. So hätten alle Deutsch und Englisch als Unterrichtsfach mitgebracht und können zudem den ukrainischen Unterricht, der in den Willkommensklassen unterrichtet werden soll, mit abdecken. „Ich bin sicher, dass wir für die Schutz suchenden ukrainischen Schülerinnen und Schüler ein gutes schulisches Angebot geschaffen haben.“
2971 schulpflichtige ukrainische Kinder in Hamburg registriert
Wie künftig mit den Schulabschlüssen ukrainischer Kinder umgegangen wird, die in ihrer Heimat bereits nach elf Jahren hochschulreif sind, berate derzeit eine Arbeitsgruppe der Kultusministerkonferenz, sagte Schulsenator Rabe. Ein Ergebnis sei in den nächsten vier Wochen zu erwarten. Nach Angaben der Schulbehörde mit Stand 24. März seien 2971 schulpflichtige ukrainische Kinder im Alter von 6 bis 17 Jahren in Hamburg registriert worden. Von denen, die bereits einen Platz an einer Schule bekommen haben, seien manche auch direkt in einer Regelklasse aufgenommen worden.
Lehrerin Yahodka ist sichtlich gerührt von ihrer Begrüßung. „Ich bin sehr dankbar, dass ich hier arbeiten darf und meine Kinder hier lernen dürfen“, sagt sie. Ihre beiden Kinder würden ebenfalls eine Willkommensklasse am Louise-Weiss-Gymnasium besuchen. Dann bricht ihre Stimme, als sie sagt: „Vielen Dank an alle deutschen Leute, dass sie uns helfen.“