Hamburg. Für ihre erste Rede im Bundestag erntete Emilia Fester harte Kritik in den sozialen Medien – vielfach unter der Gürtellinie.
Es war die erste Rede, die die Hamburger Grünen-Politikerin Emilia Fester bei der Impfpflicht-Debatte im Bundestag gehalten hat, die eine Welle an Reaktionen auslöste, die noch immer nicht abebbt. In ihrer emotionalen Ansprache warb die jüngste Bundestagsabgeordnete eindringlich für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren. Dabei nahm die 23-Jährige die Perspektive ihrer Generation in den Blick.
Polizeigewerkschafter holte gegen Fester zum verbalen Tiefschlag aus
Uni, Ausland, die eigene Geburtstagsfeier, Museums-, Festival- oder Clubbesuch – aus Vorsicht und Rücksicht habe sie in den vergangenen zwei Jahren darauf verzichtet, sagte Fester in ihrer Rede. „Aber ich fordere jetzt den Payback. Wir haben nämlich was gefunden, das uns schützen kann. Deshalb will ich meine Freiheit zurück!“, sagte Fester, bevor sie in Richtung der AfD-Fraktion anfügte: „Wenn Sie und ihre Freundinnen und Freunde der Freiheit sich einfach hätten impfen lassen, dann wäre ich jetzt wieder frei.“
Für ihre klare Positionierung erntete die junge Politikerin einen Shitstorm. Die harte Kritik in den sozialen Netzwerken ging dabei in vielen Fällen unter die Gürtellinie. Auch der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Rainer Wendt holte bei Facebook zum verbalen Tiefschlag aus und beschimpfte die junge Abgeordnete als „Ich-Göre“, „Rotzlöffel“ und „Kindchen“. Zudem sprach der 65-Jährige der Politikerin ab, eine „Volksvertreterin“ zu sein. Grünen-Chef Omid Nouripour forderte eine Entschuldigung von Wendt und versicherte Fester die Solidarität der Grünen angesichts der Angriffe gegen sie.
Enorm viele sexistische, aber auch altersdiskriminierende Anfeindungen
„In Bezug auf den Polizeigewerkschaftschef prüfen wir rechtliche Schritte“, sagte Fester dem Abendblatt. Auch einige weitere Aussagen aus dem Netz würden nun zur Anzeige gebracht. „Wir müssen uns das ja nicht gefallen lassen. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum.“ Damit dass ihre Rede auch negative Reaktionen hervorrufen werde, habe sie zwar gerechnet, „aber nicht in diesem Maß“. Der Post des Polizeigewerkschaftschefs wurde inzwischen gelöscht. Zu den Vorwürfen wollte sich die DPolG auf Abendblatt-Anfrage am Dienstag nicht äußern.
„Ich finde es unfassbar schade, dass vor allem auf Twitter nicht über das Thema gesprochen wird, dass ich angesprochen habe: Die Perspektive junger Menschen in dieser Pandemie“, sagte Fester. Stattdessen würden einzelne Aspekte ihrer Rede als Strohmann-Argumente genutzt und nur über sie als Person debattiert. So habe es enorm viele sexistische, aber auch altersdiskriminierende Anfeindungen gegeben. „Das nimmt mich auch mit“, so die 23-Jährge. „Das zeigt aber auch mal wieder, wie viel Hass insbesondere Frauen entgegenschlägt, wenn wir unsere Meinung sagen.“ Das sei schlimm und ärgere sie, „aber es resigniert mich nicht“.
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Fester: Von dem „wütenden Geschrei“ dürfe man sich nicht unterkriegen lassen
Im Gegenteil. Angesichts des Shitstorms zeigt sich Fester kämpferisch und überzeugt von ihren Positionen. „Ich bin genau dafür angetreten, die Perspektive von jungen Menschen im Bundestag zu vertreten.“ Der Hass, der ihr entgegenschlägt, bestärke sie darin, dass sie wichtige Punkte angesprochen habe, „auf die wir jetzt wieder zurückkommen sollten“. Über die unterschiedlichsten Kanäle habe sie zudem auch „ganz viel positives Feedback“ erhalten. Aus den anderen Fraktionen habe es ebenfalls weitestgehend Zuspruch gegeben – auch vom Koalitionspartner FDP, obwohl Fester in ihrer Rede eine Spitze gegen deren Ruf nach einem „Freedom Day“ verteilte.
Angesichts des Hasses, der ihr entgegenschlägt, habe sie zusammen mit ihrem Team die Hilfe der gemeinnützigen Organisation „Hate Aid“, die Betroffene von digitaler Gewalt unterstützt, in Anspruch genommen. „Ich bin super dankbar für deren Hilfe“, sagt sie. Trotz der teils heftigen Reaktionen, würde sie ihre Rede dennoch „auf jeden Fall nochmal genauso halten. Der Inhalt bleibt relevant und total richtig“. Von dem „wütenden Geschrei“ dürfe man sich nicht unterkriegen lassen, betont sie. „Ich hoffe, dass ich im Laufe der Legislatur auch Menschen empowern kann, sich auch öffentlich und laut dazu zu äußern, was sie tun, weil wir stärker sind als der Hass.“