Hamburg. Ernährungs-Doc Matthias Riedl spricht über Metabolic-Balance, Paleo und Detox und erklärt, was Diäten mit Zwangsjacken zu tun haben.
Im Frühling haben sie traditionell Hochkonjunktur: Diäten wie Paleo, Detox oder das Abnehmen mit der Kohlsuppe. Doch was ist davon zu halten, sich ein paar Tage lang zu kasteien und danach wieder in sein gewohntes Essverhalten zurückzufallen? „Diäten stellten eine radikale Umstellung zu unseren alltäglichen Essgewohnheiten dar. Sie arbeiten mit Restriktionen und Verboten. Dadurch ist es besonders schwer, diese auf Dauer einzuhalten“, sagt Ernährungs-Doc Dr. Matthias Riedl.
„Nicht nur, dass diese Verbote ein ungesundes Verhältnis zum Essen fördern, je nach Diät kann die teilweise sehr einseitige Ernährung auch zu einem Nährstoffmangel führen. Außerdem ist eine Abnahme des Körpergewichts immer auf eine reduzierte Kalorieneinnahme zurückzuführen, unabhängig von der Diätform an sich.“
Gesunde Ernährung: Diäten enden im Teufelskreis
Diäten seien keine moderne Erfindung, sagt der Experte. „Eine Diät im positiven Sinne war ja früher eher, dass man eine Erkrankung hatte und sagte, ich esse anders, um diese Erkrankung zu beheben. Im Fall von Übergewicht haben sie eine lange Tradition. Ich erinnere an die Hollywood-Diät“, so Riedl, „das war eine Hummer-Ananas-Diät in den 1930er-Jahren. Hollywoodstars haben sich damit runtergehungert. Das Geheimnisvolle an Diäten ist, dass sie immer funktionieren. Wenn ich jemandem verbiete, so zu essen, wie er möchte, und ihm Regeln an die Hand gebe, dann nimmt er weniger Essen zu sich. Und wenn ich beispielsweise Hummer esse, also viel Eiweiß, dann ist das ein großer Sattmacher. Die Ananas bringt da eher nichts, aber ich kann mit der Hollywood-Diät gut abnehmen. Das wird dann als Beweis angeführt.“
Häufige Diäten führen laut Riedl aber in einen Teufelskreis: „Wenn der Stoffwechsel eine Kalorienrestriktion feststellt, also magere Zeiten anstehen, schaltet er auf Energiesparen um. Nach dem Abnehmen zwingen uns Hungerhormone dazu, wieder mehr zu essen und der Jo-Jo Effekt tritt ein“, sagt der Internist, Ernährungsmediziner und Diabetologe.
"Der Jo-Jo-Effekt kommt bei allen Diäten"
Die Kohlsuppendiät beispielsweise sei sehr eiweißarm, „aber ich schränke mich in der Zeit ein, esse nur noch Kohl, befolge also bestimmte Regeln. Sobald ich fremde Regeln befolge, mache ich meine eigenen Fehler nicht mehr, und ich esse nicht mehr, was ich will und wie viel ich will, und dadurch nehmen alle Leute ab“, sagt der Leiter des Medicums Hamburg.
„Dann haben Sie es irgendwann satt und mögen keinen Hummer und keine Ananas mehr und keine Kohlsuppe. Und was passiert dann? Dann kommt der Jo-Jo-Effekt.“ Und der kommt immer? „Ja, der kommt bei allen Diäten, weil alle Diäten Fremdbestimmung bedeuten und durch rigide Regeln gekennzeichnet sind. Aber genau diese starren Regeln sind in der modernen Ernährungsmedizin verboten“, betont der Arzt.
„Diäten können nicht funktionieren"
Es sei sonst in der Ernährungsmedizin nichts verboten – außer eben rigiden Regeln. Sie seien ersetzt durch flexible Regelungen und Individualisierung. „Diäten können nicht funktionieren, denn sie sind eine Zwangsjacke nach dem Motto ,one size fits all‘, das funktioniert nicht, weil sich jeder anders ernährt, ob er jetzt in Kopenhagen zur Welt gekommen ist oder in Hongkong oder München. Jeder hat eine andere Prägung, jeder hat andere Vorlieben, und die muss man berücksichtigen. Tut man das nicht, scheitert man. Und wenn der Mensch nicht satt wird, dann auch“, sagt der Ernährungs-Doc.
Deshalb sei eine Fehleranalyse extrem wichtig. „Ohne diese Fehleranalyse kann man das Gewicht nicht beeinflussen, denn jeder macht andere Fehler. Wenn ich eine Diät mache, habe ich eine Zwangsjacke, der individuelle Ernährungsumbau ist dagegen der Maßanzug.“
Auch die Paleo-Diät ist ungesund
Auch beliebte Diäten wie beispielsweise Paleo lehnt Riedl ab. Paleo sei eine sehr fleischreiche Ernährung, verbiete aber Milchprodukte und Hülsenfrüchte. „Das ist eine Laiendiät, für die es keine wissenschaftliche Basis gibt. Und wer sich hinstellt und sagt, ich weiß, wie man im Steinzeitalter gegessen hat, der sagt die Unwahrheit, weil auch in der Steinzeit geografisch ganz unterschiedlich gegessen wurde. Ob ich die Steinzeit in Nordeuropa betrachte oder im Nahen Osten, da haben die Leute ganz unterschiedliche Speisen zu sich genommen“, sagt der Experte. Und weil die Paleo-Diät sehr fleischreich ist, sei sie auch sehr ungesund.
„Es gibt auch überhaupt keinen Grund, Hülsenfrüchte zu verbieten, denn schon die Ägypter haben in der späten Steinzeit welche gegessen.“ Leider sei Paleo sehr erfolgreich, denn durch den hohen Fleisch- und Eiweißanteil nehme man ab. Aber langfristig bedeute diese Ernährungsweise ein höheres Risiko für Diabetes, Arterienverkalkung und Infarkt. Und deshalb sei Paleo obsolet.
„Detox ist eine Modeerscheinung"
Und was hat es mit Detox auf sich? „Detox meint, man müsse Giftstoffe aus dem Körper entfernen, das ist auch so eine Laienvorstellung“, sagt Riedl. Das mache der Körper aber anders: „Er baut über die Leber Giftstoffe ab und scheidet sie über die Niere aus. Das funktioniert sehr gut. Die Vorstellung, man könne Giftstoffe loswerden über eine Detox- oder Entschlackungskur, ist einfach falsch.“ Wenn man seinen Körper bei der Selbstheilung unterstützen wolle, könne man beispielsweise intervallfasten.
„Detox ist eine Modeerscheinung und auch Geschäftemacherei, besonders, wenn dabei teure Produkte verkauft werden. Viele Hersteller bieten Säfte oder Tees an, bei denen man die Vorstellung hat, dass diese Giftstoffe aus dem Körper entfernen. Aber das ist eine sehr alternativ-medizinische oder fast schon eine nicht medizinische Auffassung, und paradoxerweise enthalten manche Tees Schwermetalle, die dem Körper sogar Gift zuführen“, sagt Riedl.
Metabolic-Balance: "keine bewiesenen Grundlagen"
Detox-Kuren seien nicht anzuraten, aber die Menschen neigten dazu, radikale Schnitte zu machen. Wer sich unrealistische Ziele setze, werde aber scheitern. „Wichtig ist, sich klarzumachen, was und wie schnell man etwas erreichen will. Da muss man realistisch sein. Wer in 14 Tagen zum Millionär werden will, scheitert garantiert auch.“
Kein gutes Haar lässt der Ernährungsexperte auch an Metabolic-Balance oder Blutgruppen-Diät. „Das kommt alles aus dem Bereich der Quacksalberei, ohne bewiesene Grundlagen.“ Metabolic Balance betrachte sich als ein Ernährungskonzept. „Die Anbieter sagen, man werde den individuellen Stoffwechsel analysieren, das ist aber mit dieser Methode gar nicht möglich. Die Empfehlungen sind sehr vage.“
Blutgruppen-Diät ergibt laut Experte keinen Sinn
Und bei der Blutgruppen-Diät sei die naive Vorstellung, dass jede Blutgruppe eine ganz bestimmte Ernährungsweise verlange. Das sei aber weder bewiesen, noch ergebe es Sinn. Es gebe zwar bestimmt genetische Grundlagen, die bestimmte Ernährungsweisen für bestimmte Menschen idealer machten, aber das lasse sich nicht an der Blutgruppe festmachen. „In den nächsten Jahren und Jahrzehnten werden wir die Gene analysieren, aber die Blutgruppe, das ist zu flach gegriffen. Das ist eine unsinnige Vorstellung.“
Im Ernährungsbereich kursieren laut Riedl viele Empfehlungen nur, um damit möglichst viel Geld zu machen. „Typisch ist bei allen diesen kreierten Diäten, dass viele Dinge richtig sind, wie beispielsweise auf die Blutzuckerwirksamkeit der Kohlenhydrate zu achten. Aber da wird noch allerlei Hokuspokus reingesponnen, dann wirkt es noch viel glaubwürdiger. Aber das ist total unwissenschaftlich“, sagt der Ernährungsmediziner. „Es vermittelt dann den Eindruck, es gebe da eine analytische Methode, die hält aber einer Studien-Überprüfung gar nicht stand.“
Gesunde Ernährung: Langfristige Umstellung hilft
Das Einzige, was helfen könne, sein Gewicht zu reduzieren und für seine Gesundheit etwas Gutes zu tun, sei eine Ernährungsumstellung. „Und die ist immer individuell, das ist wie mit dem Maßanzug und dem Anzug von der Stange. Er muss an die persönlichen Bedürfnisse angepasst werden, sonst wird man scheitern“, sagt Dr. Riedl.
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Eine Diät, die viele machen wollten, um die sprichwörtliche „Bikinifigur“ zu bekommen, sei jedenfalls nicht zielführend. Nach über 100 Jahren „Diätenirrsinn“ gebe es aber seit etwa zehn, 15 Jahren die wissenschaftlichen Erkenntnisse, um die richtige Ernährung des Menschen zu bewerten.