Hamburg. Hilfsverein um PR-Mann Lars Meier stellt 20 Menschen in Hamburg Wohnungen, Mobiliar und Zeit zur Verfügung. Die Hintergründe.

Im Wohnzimmer warten schon ein grünes Sofa, ein Couchtisch und ein Fernseher. Im Schlafzimmer stehen drei Betten bereit, in der kleinen Speisekammer Kaffeemaschine und Wasserkocher. „Morgen werden Gardinen und Küchenschränke angebracht, und wir bringen Bettwäsche, Handtücher und Kochtöpfe vorbei“, sagt Lars Meier.

Der Vorstand des Vereins MenscHHamburg und Geschäftsführer der PR-Agentur Gute Leude Fabrik steht im Flur einer kleinen Zweizimmerwohnung in Eimsbüttel. Sie hat einen schönen Dielenboden und einen Balkon mit Blick ins Grüne. Und mögen auch Küche und Bad einen eher bescheiden Standard haben: ihren künftigen Bewohnern – eine Ukrainerin und ihre beiden Söhne – wird sie den Luxus einer neuen und vor allem sicheren Heimat bieten.

Krieg gegen die Ukraine: Wohnungen für Geflüchtete

Sieben Wohnungen stellt MenscHHamburg ukrainischen Geflüchteten zur Verfügung. Ein Jahr lang dürfen sie mietfrei in den Unterkünften leben, die von der Blumenvase bis zur Waschmaschine komplett eingerichtet werden. Als „wohl integrativste WG Hamburgs“ bezeichnet Meier das Projekt. Denn es geht um mehr, als den 20 Kriegsflüchtlingen eine zweite Heimat auf Zeit zu schaffen: Sie werden auch von den Mitgliedern und Freundinnen des Vereins durch ihren Alltag begleitet.

„Wir wollen ihnen dadurch das Leben und die Integration erleichtern, aber auch selber etwas von ihnen über ihre Kultur und ihren Blick auf die Welt erfahren“, sagt Janette Hoschke.

„Unsere Netzwerkpartner sind spendabel"

Sie ist ebenfalls im Vorstand des Vereins, der sich 2011 im Zuge der Charityveranstaltung „Kicken mit Herz“ gegründet hat. Seine sieben aktiven Mitglieder werden die Geflüchteten nicht nur bei Behördengängen oder Jobsuche unterstützen, sondern möchten mit ihnen auch Spieleabende machen, Fußballspiele vom HSV oder dem FC St. Pauli besuchen, Barkassenfahrten unternehmen oder Einladungen ins Restaurant annehmen.

„Die Geflüchteten sollten Hamburg von seiner schönsten Seite kennenlernen“, betont Meier. Um das zu verwirklichen, kann der Verein auf ein großes Netzwerk an Kontakten und Möglichkeiten zurückgreifen – darunter die beiden großen Hamburger Fußballclubs, Unternehmer und Privatpersonen. „Unsere Netzwerkpartner sind spendabel, das hilft uns natürlich sehr“, freut sich der PR-Mann.

Wohnprojekt verkauft #MoinMoinRefugees-Buttons

Tatsächlich beschränkt sich die Großzügigkeit nicht auf Restauranteinladungen oder Freikarten. Ein Einkaufszentrum spendete einen 5000-Euro-Gutschein, ein Hotel Betten, Küchenutensilien und Wohnaccessoires, und auch die Eigentümer der sieben Wohnungen stellen diese mietfrei zur Verfügung, manche übernehmen sogar die Nebenkosten, die ansonsten der Verein trägt.

Außer durch Geldspenden finanziert sich das innovative Wohnprojekt auch durch den Verkauf von #MoinMoinRefugees-Buttons. Die 2015 gegründete Initiative hat MenscHHamburg gerade neu gestartet. Verkauft werden die Buttons an Firmen für 2 Euro, an Privatpersonen für 1 Euro pro Stück. Bislang hat der Verein durch die Vergabe von 12.000 blau-gelben Ansteckern 18.000 Euro Spenden zugunsten der Kriegsgeflüchteten erhalten. „Die Leute wissen, dass ihre Spenden bei uns in guten Händen sind“, sagt Vorstand Lars Meier.

Familien haben unterschiedliche Schicksale hinter sich

Schon mit der Solidaritätsaktion „Keiner kommt, alle machen mit“, der Streaming-Show „Einer kommt, alle machen mit“ und dem Panini-Album „#Team Hamburg“ konnte der Verein während der Pandemie mehr als eine Million Euro für die von der Corona-Krise schwer getroffene Kulturszene sammeln.

Die Familien, die nun in die sieben Wohnungen einziehen, haben unterschiedliche Schicksale hinter sich. Ein Paar mit seiner 17-jährigen Tochter gehört dazu. Sie waren gerade im Skiurlaub, als der Krieg ausbrach. Nun können sie nicht mehr zurück. Und da ist die Frau, die mit ihrer betagten Mutter und ihrem Sohn geflohen ist. Den Kontakt zwischen ihnen und dem Verein stellte die gebürtige Ukrainerin Svitlana Latinka her, die seit viereinhalb in Hamburg lebt und in Winterhude eine Weinbar betreibt.

„Es gibt eine große ukrainische Community in der Stadt"

„Es gibt eine große ukrainische Community in der Stadt und viele, die sich für den Austausch der Kulturen einsetzen“. Auch sie selbst gehört dazu, sie hat schon Kunstausstellungen mitorganisiert und – weil sie gelernte Köchin ist – auch gastronomische Veranstaltungen.

Seit Kriegsausbruch hat sie sich dem Norddeutsch-Ukrainischen Hilfsstab angeschlossen, der die Hilfe verschiedener Organisationen bündelt. Und so vermittelt sie Wohnungssuchende an MenscHHamburg und will sich auch an der Begleitung der Geflüchteten beteiligen. Auch hier will sie den Schwerpunkt auf Kultur, Gastronomie, Kunst und Bildung setzen, weil das gute Möglichkeiten seien, Land und Leute kennenzulernen. Sie hoffe, dass viele der Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen mussten, ihr Leben hier als Chance für einen Neustart begreifen können. Auch dabei will sie sie unterstützen.

Aus dem Netzwerk kommt auch psychologische Hilfe

Auch bei der Verarbeitung der traumatischen Wochen und dem Verlust der Heimat hilft MenscHHamburg. „Wir bekommen dafür aus unserem Netzwerk auch psychologische Hilfe“, sagt Janette Hoschke, die als Mitarbeiterin einer Eventagentur besonders gut organisieren kann. „Es gibt zwar keinen Ersatz für eine Heimat. Aber Hamburg kann für unsere Gäste ein zweites Zuhause werden.“ So garantiere der Verein für mindestens ein Jahr Fürsorge und Wohnung.

Am Ende sollen die Bewohnerinnen voll integriert sein in das Leben der Vereinsmitglieder und natürlich in die Hansestadt. „Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst und nehmen die Verpflichtung gerne an. Wir wollen von unseren Gästen lernen, und sie sollen durch uns Hamburg kennen- und vielleicht lieben lernen“, betont Meier. Dafür brauche der Verein Geldspenden und Unterstützung in den unterschiedlichsten Bereichen. „Kooperationspartner können sich gerne bei uns melden.“

Krieg gegen die Ukraine: Projekt wird dokumentiert

Das einjährige Leben in der MenscHHamburg-WG will der Verein dezent auf Instagram (@MenscHHamburgWG) dokumentieren. „Niemand soll vorgeführt werden, aber wir wollen Hamburg an den Problemen und Nöten unserer Gäste auch teilhaben lassen. Und natürlich auch an den schönen Erfahrungen, die sie hier sicherlich machen werden.“

Die MenscHHamburg-WG sei das bislang herausforderndste Projekt des Vereins – da sind sich Lars Meier und Janette Hoschke einig. „Aber es ist auch eines, in das wir besonders viel Herzblut stecken“, betonen sie. „Wir sind gespannt, wie wir in einem Jahr darauf zurückblicken können – und welche Erfahrungen und Eindrücke wir und die Geflüchteten dabei sammeln konnten.“