Hamburg. Behörde startet System für Online-Terminvergabe. 12.000 bis 15.000 Schutzsuchende in Hamburg. Verteilung in andere Bundesländer läuft.

Die langen Schlangen vor dem Amt für Migration an der Hammer Straße und dem Ankunftszentrum in Rahlstedt reißen nicht ab. „Wir haben nach wir vor sehr hohe Zahlen von Geflüchteten, die uns jeden Tag erreichen“, sagte Innensenator Andy Grote (SPD) am Dienstag bei der Landespressekonferenz. Allein im Ankunftszentrum seien am Montag knapp 860 Menschen gezählt worden – insgesamt seien dort mit Stand Dienstag 10.171 Personen angekommen. „Wenn wir diejenigen dazuzählen, die sich unmittelbar an der Hammer Straße schon haben registrieren lassen, gehen wir davon aus, dass wir sicher bei mehr als 12.000 Ankünften liegen“, so Grote.

Viele, die sich an der Hammer Straße registrieren lassen wollen, hätten jedoch noch keine Möglichkeit dazu gehabt. Die Zahl der Menschen, die vor dem russischen Angriffskrieg aus der Ukraine nach Hamburg geflüchtet sind, sei demnach höher und liege laut Grote „zwischen 12.000 und 15.000 Menschen“. Die Innenbehörde arbeite mit „enormer Energie daran, die Menschen schnellstmöglich in die Registrierung zu bekommen“, sagte Grote. Bislang seien insgesamt 5847 Menschen aus der Ukraine registriert worden, am Montag waren es 684. „Das sind sehr hohe Zahlen“, sagte Grote, der einräumte: „Nach wie vor schaffen wir nicht die Ankünfte, die an einem Tag kommen, eben auch an dem Tag zu registrieren.“

Ukraine-Krieg: 5847 Geflüchtete in Hamburg registriert

In der Hammer Straße würden derzeit täglich etwa 400 Menschen regis­triert. Diejenigen, die aus Kapazitätsgründen am selben Tag keine Registrierung erhalten, würden gebeten, an einem anderen Tag wiederzukommen. Viele warteten jedoch deutlich länger, wie Zeugen berichten. Rentner Michael Herrmann, der eine Mutter mit ihrer Tochter, die aus der umkämpften ukra­inischen Metropole Charkiw geflohen sind, bei sich aufgenommen hat, berichtet, dass diese bereits seit vier Tagen erfolglos versucht hätten, sich in der Hammer Straße zu registrieren. „Sie haben bald die gleiche Stundenzahl mit Warten vor dem Amt verbracht, wie sie für die Flucht gebraucht haben“, sagt Herrmann. „Das ist unwürdig.“ Beim letzten Versuch hätten sie 33 Stunden am Stück vor der Registrierungsstelle ausgeharrt.

Auch die Juristin Sana Grushetska, deren Familie Anfang der 90er-Jahre aus der Ukraine nach Hamburg emigrierte und nun vielen geflüchteten Ukrainern beim Ankommen hilft, weiß um die Problematik und betont, wie wichtig die Registrierung für die Menschen ist. „Die Aussage des Amtes, dass eine fehlende Registrierung beziehungsweise die fehlende Erteilung des Aufenthaltstitels keine Nachteile habe, ist nicht richtig. Aufgrund einer befristeten Verordnung des Bundes droht lediglich kein Verfahren wegen unerlaubten Aufenthalts, so weit sich die Geflüchteten bis zum 23. Mai 2022 registrieren.“ Alle Rechte, die den Betroffenen jedoch gemäß Paragraf 24 Aufenthaltsgesetz zustehen – wie eine Arbeitserlaubnis, Sozialleistungen, medizinische und psychologische Versorgung, Schule, Kindergarten, Studium, Integrationskurse und Sprachkurse würden ihnen ohne Registrierung beziehungsweise Gewährung des Aufent­haltstitels verwehrt.

Ab Sonnabend: Termine über Online-Buchungssystem

„Wir haben den historisch­en Moment, dass sich die EU erstmals einig ist in Flüchtlingsangelegenheiten. Zum ersten Mal wurde die sogenannte Massenzustromrichtlinie aktiviert“, sagt Grushetska. In der Praxis bedeute das ein unkompliziertes Asylverfahren, bei dem die Herkunft beziehungsweise der gewöhnliche Aufenthaltsort der Person in einem Kriegs- gebiet, aktuell der Ukraine, zum Schutzanspruch genügt. „Dieser setzt jedoch zwingend die Registrierung voraus.“

Das Personal der Registrierungsstelle sei bereits verstärkt worden, sagte Innensenator Grote. „In anderen Bereichen des Amtes für Migration findet vielfach nur noch ein Notbetrieb statt.“ Menschen mit Behinderungen, ältere Menschen oder Frauen mit sehr kleinen Kindern würden vorrangig bearbeitet. Zudem werde „mit Hochdruck“ daran gearbeitet, ein Online-Terminvergabesystem zu starten. Ziel sei es, die ersten Termine ab Sonnabend buchbar zu machen. Die Freischaltung könne jedoch bereits heute oder morgen erfolgen. „Wir gehen davon aus, dass sich die Wartesituation dort dann auch ein Stück weit auflösen und entzerren wird.“ Zudem sollen die Registrierungszahlen in den nächsten Tagen durch „interne Optimierung“ erhöht werden.

Geflüchtete auf Bundesländer verteilt

2536 Menschen seien derzeit in Unterkünften des öffentlichen Unterkunftssystems untergebracht. Darüber hinaus würden pro Nacht zwischen 3000 und 3500 Geflüchtete in den Notunterkünften wie dem Ankunftszentrum, den Messehallen und der neu eingerichteten Fegro-Halle übernachten. Auf dem Großparkplatz an der Schnackenburg­allee sollen zudem 1000 Plätze zur Unterbringung in Zelten und Containern entstehen. Um mehr Menschen in Folgeunterkünften zu bringen, werde darüber hinaus daran gearbeitet, das Unterkunftsangebot auszuweiten.

Unterdessen laufe die bundesweite Verteilung der Geflüchteten bereits seit Sonnabend, so Grote. Seither wurden nach Absprache zwischen den Ländern 434 Menschen in Bussen nach Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen weitergeleitet. Nach dem sogenannten Easy-System, der Erstverteilung der Asylbegehrenden, seien zudem 252 Menschen in andere Bundesländer gebracht worden.