Hamburg. Vor 25 Jahren wurden die Reste des Kaiser-Denkmals von Wilhelm I. am jetzigen Standort in Planten un Blomen neu zusammengeführt.
Der erste Eindruck täuscht. Schon seit mehr als 100 Jahren scheint das Denkmal, das an Kaiser Wilhelm I. erinnert, unverrückt in den Wallanlagen neben dem Ziviljustizgebäude zu stehen. Doch faktisch wurden das Reiterstandbild und die vier drum herum platzierten Figurengruppen „Maß- und Münzwesen (Einheitliches Geld)“, „Altersversorgung (Wohlfahrtsgesetze)“, „Justizwesen (Einheitliches Recht)“ und „Weltverkehr (Verkehrswesen)“ in dieser Konstellation erst vor genau 25 Jahren vor Ort wieder zusammengeführt – nach einer langen Trennung.
Der Tod Wilhelms im Jahr 1888 hatte eine wahre Denkmal-Flut in unzähligen deutschen Gemeinden ausgelöst, und auch Hamburg wollte nach einigem Hin und Her mittun. 1890 entschied eine Kommission, den Kaiser auf dem Rathausmarkt zu platzieren, doch das Projekt verzögerte sich zunächst aus Kostengründen. Die Grundsteinlegung erfolgte dann im Sommer 1902 – also vor nun bald 120 Jahren.
Hamburg historisch: Die Reise des Kaiser-Wilhelm-Denkmals
Das Verhältnis der Hamburger Honoratioren zu Wilhelm I. war lange gestört gewesen. Den Aufstieg Preußens zur politisch-militärischen Großmacht hatten viele Traditionalisten in der Stadt mit Sorge und Skepsis beobachtet, und man war zunächst auf Distanz geblieben. Als um 1880 bekannt wurde, dass ein neues Gymnasium nach dem Monarchen benannt werden sollte (was dann auch geschah), gab es ein Heidentheater, und die angebliche „Verpreußung“, die viele beschäftigte, sorgte lange für Misstöne. Doch um 1900 war Hamburg auf Kurs gegangen. Der überwiegende Teil des Bürgertums fühlte „kaisertreu“, pochte aber auch auf der (Rest-)Souveränität der Freien und Hansestadt.
Die Idee, das Standbild des Monarchen vor dem republikanischen Rathaus aufzustellen, war entsprechend nicht unumstritten, und nicht wenige lehnten den Personenkult um Wilhelm ab. Vor diesem Hintergrund war die Spannung groß, als das Monument im Juni 1903 mit einem großen Fest eingeweiht wurde. Wilhelm II., Enkel des Dargestellten, hatte sich anlässlich der Enthüllung an die Alster begeben und wurde in einem „Kaiserzelt“ vor dem Rathausportal empfangen.
Wilhelm II. war angeblich „sichtlich froh gestimmt“
Reden, Musik und viele Schaulustige – das damals Übliche eben. Bürgermeister Heinrich Burchard lobte das fünfeinhalb Meter hohe, auf einem sechs Meter hohen Granitsockel stehende Reiterstandbild, das schließlich unter einem großen Baldachin zum Vorschein kam, als „Zeichen unverrückbarer Reichstreue“. Es mag stimmen, dass der kapriziöse Gast, der seinen Großvater geradezu vergötterte, über das Ergebnis „sichtlich froh gestimmt“ war, wie eine Zeitung schrieb. Ob ihm vielleicht doch eher unfroh zumute war, lässt sich nicht mehr feststellen, es ist aber nicht auszuschließen. Denn im Vergleich zu den Kaiser-Denkmälern in anderen Städten wirkte das Hamburger, eine Arbeit des Dresdner Bildhauers Johannes Schilling, im Schatten des Rathauses eher klein.
Und nicht nur das. Auch bei der Ausgestaltung war man in der selbstbewussten Hansestadt eigene Wege gegangen, über die später immer wieder stolz berichtet und geschrieben wurde. Das Denkmal stellte den Kaiser bewusst in schlichter Uniform dar. Mit den vier allegorischen Figurengruppen wurden zudem die sozialen, ökonomischen und juristischen Errungenschaften nach der Gründung des Deutschen Reiches betont – und natürlich auch Hamburgs Anteil daran.
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Man traf sich „unterm Schwanz“
Und: Wilhelm stand dem Rathaus gegenüber, nicht (wie in Altona) davor, und der blickte auch nicht von oben auf das Volk hinunter sondern eher zu Hamburgs Regierungssitz hinauf. Die Hamburgerinnen und Hamburger sollen sich trotzdem nie wirklich an das Kaiser-Denkmal gewöhnt haben. Viele bemängelten die „unnatürliche“ Kopfhaltung des Pferdes, noch stärker kritisiert wurden zwei viertelkreisförmige Steinbalustraden mit Sitzbänken und Reliefs, welche die sorgfältig konzipierte Platzstruktur erheblich störten.
Der spätere Oberbaudirektor Fritz Schumacher schrieb dazu 1920: „Es lässt sich schwer sagen, wie man der Grundidee des Platzes einen schwereren Schlag versetzen konnte.“ Kuriosum am Rande: Die der Alster zugewandte Seite des Denkmals war über Jahrzehnte ein beliebter Treffpunkt, und entsprechend wurde die Formel, man treffe sich „unterm Schwanz“, zu einem geflügelten Wort.
Viele Umzüge für die Figurengruppen
1929/30, nach nur 27 Jahren, wurden Kaiser und Figurengruppen – ohne Mauerbögen – im Rahmen verkehrstechnischer Umgestaltungen in die Wallanlagen „transloziert“. Proteste dagegen sind nicht überliefert. Von der Gesamtanlage blieben auf dem Rathausmarkt nur zwei reich verzierte Fahnenmasten erhalten. Das (Rest-)Denkmal musste dann für die Vorbereitung der Gartenbauausstellung 1963 erneut versetzt werden, wobei man die einzelnen Bestandteile trennte.
Der Kaiser rückte näher zum heutigen Johannes-Brahms-Platz, die Figurengruppen machten eine regelrechte Odyssee mit. Sie wurden eingelagert, restauriert und nach dreijährigem Zwischenstopp auf dem Rathausmarkt 1985 zunächst vor dem Oberlandesgericht aufgestellt. Als dort das Denkmal „Hier + Jetzt“ für die Opfer nationalsozialistischer Justiz in Hamburg errichtet wurde, mussten die vier schon wieder weiterziehen.
Hamburgs zusammengewürfeltes Denkmal
Vor 25 Jahren war es dann so weit: Nach langer Trennung transportierten zwei Kran-Zugmaschinen die Gruppe innerhalb von vier Stunden endlich wieder zum Kaiser. Damit war das Denkmal nach Jahrzehnten wieder komplett – halbwegs jedenfalls. Einige Einzelteile gelten als verschollen, andere sind andernorts in der Stadt platziert – was eine Geschichte für sich wäre. Ein bisschen zusammengewürfelt und etwas beiseitegeschoben wirkt das Denkmal in den Wallanlagen heute noch.
Aber auf faszinierende Weise symbolisiert es auch das Auf und Ab der Zeitenläufe, und in Hamburg gibt es ja nun viele deutlich weniger gelungene Hingucker.