Hamburg. Innensenator Andy Grote sieht eine größere Herausforderung als im Krisenjahr 2015. Krisenstab soll Kapazitäten erweitern.
Schon früh sind wieder Hunderte vor Ort, warten, stehen dicht an dicht. Von 8 Uhr morgens bis 17 Uhr versuchen die Mitarbeiter der Ausländerbehörde an der Hammer Straße in Wandsbek, alle Geflüchteten zu registrieren. Aber bereits gegen Mittag sind es zu viele. Mit Bussen werden viele der Wartenden zum Ankunftszentrum in Rahlstedt gebracht. Im Krisenstab der Stadt in der Innenbehörde suchen Beamte derweil eilig nach Flächen, die schnell zu einer neuen Flüchtlingsunterkunft umgewandelt werden können. Auch Hotels und leer stehende Schulgebäude sollen genutzt werden.
Hamburg ist wieder eine Stadt im Aufnahmezustand. Natürlich denke er aktuell häufig an das Jahr 2015 und die letzte große Flüchtlingskrise, sagt Innensenator Andy Grote (SPD) am Donnerstagnachmittag im Rathaus. Vieles sei wie damals – aber „in der Kürze der Zeit auch in einer ganz anderen Dimension“.
Krieg gegen die Ukraine: Hamburger zeigen Solidarität
Die Stadt sprach bereits mit Hilfsorganisationen, ob diese Zelte für provisorische Unterkünfte zur Verfügung stellen könnten. Vergeblich. Obwohl die Stadt bereits rund 30.000 Unterkunftsplätze vorhalte und von dem hohen Niveau von 2015 „nie ganz heruntergekommen“ sei, gerate Hamburg „langsam in eine kritische Situation“, so Grote.
Dennoch sei die Stadt besser vorbereitet als damals, könne die Lage noch beherrschen. Ein wichtiger Faktor dabei: Sehr viele Hamburger nehmen Geflüchtete aus der Ukraine privat auf. Von den 5800 bisher registrierten Flüchtlingen seien mehr als 1000 deshalb vorerst nicht auf eine staatliche Unterbringung angewiesen. „Das ist eine beeindruckende Leistung, auf die wir stolz sein können“, sagte Grote. Auch die etablierten Strukturen der Stadt hälfen. Grote will sich „gar nicht vorstellen“, wie die Situation schon jetzt aussähe, gebe es etwa das Ankunftszentrum in Rahlstedt nicht.
Geflüchtete sollen gerechter verteilt werden
Auch wenn Berlin noch mehr Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen hat, liegt Hamburg im Ländervergleich laut Grote „ziemlich weit vorn“. Entsprechend begrüße man die Entscheidung auf Bundesebene, die Geflüchteten nach dem etablierten System des sogenannten Königsteiner Schlüssels gerechter auf die Bundesländer zu verteilen.
„Das wäre auch sehr gut, wenn das gelingen würde.“ Derzeit habe Hamburg bereits 1400 Menschen mehr aufgenommen, als dies nach der Verteilungslogik geboten gewesen wäre. „Das ist mit weitem Abstand die höchste Übererfüllung aller Bundesländer.“
Kapazität der Stadt begrenzt
Mehrfach betonte Grote am Donnerstag, dass die Lage sich weiter schnell verändere und auch die Kapazität der Hansestadt endlich sei. „Nichts ist sicher“, sagte Grote – weder wie viele Unterkünfte es brauche, wie viele Geflüchtete noch zu erwarten seien und auch nicht, dass die Notunterkunft in den Messehallen am 11. April wieder aufgelöst werden solle.
Der Innensenator drückte seinen Respekt gegenüber Privatleuten und Initiativen aus, die in den vergangenen 14 Tagen aktiv Geflüchtete aus dem polnisch-ukrainischen Grenzgebiet geholt und nach Hamburg gebracht hätten, um sie sicher unterzubringen. Gleichzeitig sehe er auch „erhebliche Schwierigkeiten“ dabei. „Wir müssen ein bisschen darauf achten, dass wir uns nicht überfordern, wenn wir die Menschen auch gut versorgen wollen.“
Viele kranke Menschen unter den Geflüchteten
Unter den bisher erfassten Geflüchteten seien auch viele kranke und ältere Menschen. Zudem muss die Beschulung der Kinder organisiert werden, die in den meisten Fällen nur mit ihren Müttern die Ukraine verlassen haben. Angesprochen auf Gerüchte, nach denen Männer die Notsituation der Frauen ausnutzen und es zu Übergriffen in privaten Unterkünften kommen könnte, betonte der Senator: „Niemand ist darauf angewiesen, in eine unsichere Unterkunft zu gehen.“ Es gebe auch Hinweise auf Ukrainisch und Russisch, wo die Vermittlung zu Privatleuten seriös und sicher sei.
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Bereits am heutigen Freitag beginnt auch der Aufbau einer weiteren städtischen Unterkunft an der Schnackenburgallee. Hier kamen schon 2015 zeitweise mehr als 1000 Geflüchtete unter, damals sowohl in Containern als auch Zelten. Der Senat will derzeit gar keine Hoffnung schüren, dass die Registrierung der Neuankömmlinge bald schneller vollzogen werden könnte als zuletzt.
Krieg gegen die Ukraine: „Zufluss riss gar nicht mehr ab“
„Wir können nur versuchen, die größtmögliche Zahl abzuarbeiten“, sagte Innensenator Grote. Auf kritische Nachfragen dazu, dass es an der Hammer Straße zunächst nicht einmal Dixi-Toiletten für die wartenden Geflüchteten gab, wies Grote auf einen plötzlichen Andrang hin. Bereits einen Tag vor der offiziellen Eröffnung seien viele Geflüchtete dort vorstellig geworden und die Mitarbeitenden hätten „aus dem Stand“ mit der Registrierung begonnen.
Schon bevor weitere Geflüchtete von der Hammer Straße herübergebracht wurden, war am Donnerstag auch das Ankunftszentrum in Rahlstedt überfüllt. Die Menschen hätten bis zum etwa 200 Meter entfernten Testzentrum gestanden, erzählte eine Helferin vor Ort: „Der Zufluss riss gar nicht mehr ab.“ Am Nachmittag entspannte sich die Lage deutlich. Ein Erfolg für die Stadt – zumindest bis zum nächsten Morgen.