Hamburg. Die Austrittswelle in der katholischen Kirche erreicht Norddeutschland – Hamburger Bezirksämter werden mit Terminanfragen überhäuft.

Die Austrittswelle in der katholischen Kirche setzt sich fort. Eine Woche nach der Vorstellung des Gutachtens zu sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche im Erzbistum München steigt auch in Hamburg die Zahl der Kirchenaustritte. „Seit die Aufarbeitungsprojekte zu sexualisierter Gewalt in vielen Bistümern laufen, nehmen wir auch einen Anstieg der Kirchenaustritte wahr“, sagte Manfred Nielen, Sprecher des Erzbistums Hamburg, auf Abendblatt-Anfrage. „Dies mag also einer der Gründe für den Austritt aus der Kirche sein.“ An der konsequenten Aufarbeitung führe kein Weg vorbei.

In den Hamburger Stadtbezirken häufen sich derzeit die Anrufe von austrittsbereiten katholischen Kirchenmitgliedern. „Seit der Bekanntgabe des Gutachtens stehen bei uns die Telefone sprichwörtlich nicht mehr still, und viele Menschen bitten um einen Termin“, sagte Kay Becker, Pressesprecher des Bezirksamts Eimsbüttel, der Deutschen Presse-Agentur. In den nächsten Wochen seien die Termine erst einmal ausgebucht. Auch im Bezirksamt Hamburg-Wandsbek sind die Termine für Kirchenaustritte bis zum 30. Juni bereits vergeben.

Erzbistum Hamburg: Immer mehr Kirchenaustritte in Norddeutschland

Im Bezirksamt Altona gebe es gegenwärtig einen „Run“ auf Kirchenaustritt-Termine, sagte Bezirksamtssprecher Mike Schlink dem Abendblatt. „Bei uns kann man frühestens ab der Kalenderwoche 8 (also 21. Februar) etwas bekommen.“ Im vergangenen Jahr wurden im Bezirk Altona 2591 Kirchenaustritte verzeichnet, ein Jahr zuvor waren es 2052.

Eine Unterscheidung nach Konfession evangelisch/katholisch wird bei den Hamburger Bezirksämtern statistisch nicht erfasst. Es habe jedoch über beide großen Konfessionen hinweg in den vergangenen Jahren einen kontinuierlichen Anstieg gegeben, teilte das Bezirksamt Wandsbek mit. Dort stieg die Zahl der Kirchenaustritte von 1845 im Jahr 2020 auf 2818 im Jahr 2021. Wie Larissa Robitzsch, Sprecherin des Bezirksamts Nord, ergänzt, gab es im vergangenen Jahr dort 3704 Kirchenaustritte.

Kirchenmitglieder im Erzbistum Hamburg auf 380.000 gesunken

Ein vom Erzbistum München und Freising in Auftrag gegebenes Gutachten hatte ergeben, dass Fälle von sexuellem Missbrauch in der Diözese über Jahrzehnte nicht angemessen behandelt wurden. Das Gutachten wirft den ehemaligen Erzbischöfen Friedrich Wetter und Joseph Ratzinger sowie dem aktuellen, Reinhard Marx, Fehlverhalten vor. Von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern sprechen die Gutachter, gehen aber von einem deutlich größeren Dunkelfeld aus.

Im Kontext von mangelhaften personellen Konsequenzen aus den Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln war Hamburgs Erzbischof Stefan Heße, ehemals Generalvikar in Köln, unter Druck geraten. Ihm werden Pflichtverstöße vorgeworfen. Die Zahl der Kirchenmitglieder im Erzbistum Hamburg ging von mehr als 400.000 auf derzeit 380.000 zurück.