Hamburg. Steuerzahler-Chef Reiner Holznagel übt im Untersuchungsausschuss scharfe Kritik an den Geschäften und fordert härtere Regeln.

Nach Auffassung des Bundes der Steuerzahler (BdSt) haben die inzwischen höchstrichterlich als illegal eingestuften Cum-Ex-Geschäfte einen weitaus größeren Schaden angerichtet als bislang kalkuliert. Über die geschätzten 30 Milliarden Euro hinaus, die allein dem deutschen Fiskus entgangen sein sollen, müssten auch Kollateralschäden beachtet werden, sagte der BdSt-Präsident Reiner Holznagel am Freitag im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) der Bürgerschaft.

Ermittlungsteams bei Staatsanwaltschaft und Polizei müssten erweitert werden – allein für die Staatsanwaltschaft Köln sollen rund 100 Ermittler tätig sein – , Gerichtsprozesse durchgeführt und Untersuchungsausschüsse eingesetzt werden, zählte der Vertreter der deutschen Steuerzahler auf. Hinzu komme, dass Ereignisse wie die Cum-Ex-Geschäfte auch negative Auswirkungen auf die Steuermoral der Bevölkerung hätten, das würden regelmäßige Umfragen des Steuerzahlerbundes belegen, so Holznagel, der vom Ausschuss auf Betreiben der CDU als „Sachverständiger“ geladen worden war.

Steuerskandal: Cum-Ex bringt Kollateralschäden mit sich

Aus seiner Sicht sei es seit mehr als zehn Jahren bekannt gewesen, dass diese Geschäfte illegal waren. „Jedem muss klar sein, dass man sich nicht eine Steuer erstatten lassen kann, die man gar nicht gezahlt hat“, so Holznagel, der dem Steuerzahlerbund seit 2012 bundesweit vorsteht. Denn solche Geschäfte, bei denen Banken und andere Finanzakteure Aktienpakete rund um den Dividendenstichtag so schnell hin und her reichten, dass der Fiskus den Überblick verlor und Steuern mehrfach erstattete, hätten ja nicht nebenbei einen Schaden angerichtet, sondern dieser Steuerschaden sei Ziel des Geschäfts gewesen. Einen anderen wirtschaftlichen Zweck hätten diese Deals nicht gehabt.

Ihm sei nicht klar, ob es solche oder ähnliche Praktiken noch gibt, aber mutmaßlich gebe es „Mutationen“, sagte Holznagel und forderte: „Hier muss politisch nachgearbeitet werden.“ Dass die Bürgerschaft einen Untersuchungsausschuss eingerichtet hat, sei begrüßenswert, so der BdSt-Präsident. Er „wundere“ sich, warum außer dem Bundestag nur die Politik in Hamburg tätig geworden ist. Auch Länder wie NRW und Hessen hätten Grund, einen Untersuchungsausschuss zu Cum Ex einzurichten.

„Nie erlebt, dass Politiker Einfluss auf Steuerverfahren genommen haben“

Nach seiner Beobachtung sei „ein Mantel des Schweigens“ über die Thematik gelegt worden, während andere Themen wie die Steuerhinterziehung durch den damaligen FC-Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß trotz viel kleinerer Dimensionen großes öffentliches Interesse ausgelöst hätten. Auch „führende Politiker“ hätten nicht zur Aufklärung beigetragen, raunte Holznagel, ohne Namen zu nennen. Schuld hätten sie aber nicht auf sich geladen.

Der Ausschuss soll aufklären, warum die Hamburger Finanzbehörden 2016 darauf verzichtet haben, rund 47 Millionen Euro von der Warburg-Bank zurückzufordern. Auf Frage von Götz Wiese (CDU), ob der damalige Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) in den Fall eingreifen und für die Rückforderung hätte sorgen können, sagte Holznagel: „Eindeutig ja.“ Als dann Milan Pein (SPD) nachhakte, ob der Steuerzahlerbund also die Auffassung vertrete, dass ein Politiker sich über die Entscheidung des Finanzamts hinwegsetzen könne, ruderte Holznagel zurück: Das könne er nicht mit ja oder nein beantworten.

Im weiteren Verlauf wurde ein inzwischen pensionierter Sachgebietsleiter aus dem zuständigen Finanzamt für Großunternehmen als Zeuge verhört. Er hatte jedoch mit dem Fall Warburg nur am Rande zu tun. Immerhin stellte er klar: „Ich habe nie erfahren oder erlebt, dass Politiker Einfluss auf Steuerverfahren genommen haben.“