Hamburg. Das Verbot der Kundgebung in der Innenstadt beschäftigt das Verwaltungsgericht. So schätzt ein Rechtsexperte die Lage ein.

Tausende von Menschen, die gemeinsam durch die Innenstadt marschieren: Diese Bilder soll es am kommenden Wochenende nicht mehr geben. Denn die nächste Kundgebung der Hamburger Impfgegner, die für Sonnabend geplant ist, soll nun auf Entscheidung der Versammlungsbehörde verboten werden. Die Anmelderin der Demonstration wehrt sich jedoch und reichte bereits am Donnerstagnachmittag einen entsprechenden Eilantrag beim Verwaltungsgericht ein, um den geplanten Protest durchzusetzen.

Die Stadt gibt als Grund für das Verbot den Infektionsschutz an. Wie es von der Polizei heißt, sei die Grundlage für die Verbotsverfügung eine „bedingungslose Maskenpflicht“ für Demonstrationen, die mit den rasant steigenden Infektionszahlen begründet wird. Von vielen Impfskeptikern sei zu erwarten, dass sie nicht geimpft seien und keine Maske tragen würden. Die Sozialbehörde wurde konsultiert, wie Sprecher Martin Helf­rich dem Abendblatt auf Anfrage mitteilte. Diese habe eine eindeutige Meinung: „Im gegenwärtigen Infektionsgeschehen ergibt sich aus großen Veranstaltungen auch ein großes Risiko für ein Ausbruchsgeschehen.“

Corona Hamburg: Experte klärt über Grundlage für Demo-Verbot auf

Bereits seit mehreren Wochen ziehen Gegner der Corona-Maßnahmen immer sonnabends durch Hamburg, am vergangenen Wochenende mit fast 14.000 Teilnehmern. Bei der Demonstration am 7. Januar kam es laut Polizei zu Verstößen gegen die Hygieneauflagen, bei mehr als 20 Personen bestand zudem der Verdacht, dass sie bei Kontrollen
falsche Atteste vorlegten.

Ob die Argumentation für das Verbot vor Gericht hält, ist offen. „Ich gehe davon aus, dass die Anmelderin den Rechtsweg beschreiten wird und sie realistische Chancen hat, zu gewinnen“, sagte Thomas Jungfer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft. Eine Entscheidung könnte erst in „letzter Minute“ fallen.

Dr. Sören Deister ist wissenschaft­licher Mitarbeiter am Lehrstuhl für öffentliches Recht und Sozialrecht der Uni Hamburg und arbeitet zu den Schwerpunkten Versammlungsrecht und Verwaltungsrecht. Er sagte auf Abendblatt-Anfrage: „Grundsätzlich ist ein Verbot solcher Demonstrationen zum Schutz von Leben und Gesundheit möglich. Aber nur unter sehr bestimmten Voraussetzungen, weil die Versammlungsfreiheit in der Demokratie eine maßgebliche Bedeutung hat. Diese Freiheit kann nur nach sehr strikter Prüfung der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt werden, und auch nur um gleichgewichtige Güter wie die Gesundheit zu schützen.“

Experte erklärt, welche Voraussetzungen für ein Verbot erfüllt sein müssen

Ein Versammlungsverbot könne nur als letztes Mittel dienen. Andere, mil­dere Maßnahmen, den Infektionsschutz umzusetzen, müssten vorrangig genutzt werden. Dazu gehört die Beschränkung auf stationäre Kundgebungen, stärkere Abstandsregeln oder eine bestimmte Teilnehmerzahl, die nicht überschritten werden darf. Die entscheidende Frage sei, ob der Infektionsschutz mit diesen milderen Mitteln durchgesetzt werden kann, so Deister. Die Behörde müsse außerdem sehr konkret nachweisen können, dass es nicht nur um einzelne Teilnehmer geht: „Wenn systematisch und massiv gegen Vorgaben zum Infektionsschutz verstoßen wird, kann ein Verbot also rechtlich gerechtfertigt werden.“

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Nach Polizeiangaben habe die Anmelderin der Impfgegner-Demonstration Kooperationsgespräche in dieser Woche abgebrochen. Ursprünglich war versucht worden, den Aufzug als stationäre Versammlung auf die Ludwig-Erhard-Straße zu verlegen. Entsprechende Auflagen hatte die Anmelderin jedoch den Angaben zufolge abgelehnt.

AfD findet Verbot „hanebüchen, skandalös und unverhältnismäßig“

Die Linke-Bürgerschaftsfraktion hält nichts von dem Demonstrationsverbot. „Es ist schon seltsam: All die Wochen ist die Polizei weitgehend untätig geblieben, hat sich kaum drum gekümmert, die Auflagen wie etwa die Maskenpflicht oder Abstandsgebote bei den Impfgegner/-innen durchzusetzen“, sagte Deniz Celik, innenpolitischer Sprecher der Fraktion. „Nun aber direkt ein komplettes Demonstrationsverbot zu verhängen, ist völlig unverhältnismäßig.“

Empört über das Demonstrationsverbot ist die AfD-Bürgerschaftsfraktion. Es sei „hanebüchen, skandalös und unverhältnismäßig“, sagte der AfD-Frak­tionschef Dirk Nockemann. „Rot-Grün will damit sämtliche Kritiker an ihrer katastrophalen Corona-Politik zum Schweigen bringen.“

Demo vom „Bündnis gegen Rechts“ soll auf jeden Fall stattfinden

Für die Gegendemonstration, zu der das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ aufgerufen hatte, ist keine Verbotsver­fügung geplant. Diese Veranstaltung sei rechtlich anders zu beurteilen, weil es an einer vergleichbaren möglichen Gefahr für massive Verstöße gegen Vorgaben des Infektionsschutzes fehlen dürfte, sagt der Wissenschaftler Sören Deister.

Die Gegendemonstration soll in jedem Fall stattfinden. „Unsere Demons­tration ist keine ausschließliche Reaktion auf Impfgegner und deren Duldung von Rechten in ihren Reihen. Wir demonstrieren auch für eine andere Corona-Politik und solidarischere Lösungen“, sagte Felix Krebs vom „Bündnis gegen Rechts“. Eine Forderung sei die bessere Unterstützung des Pflegepersonals.