Hamburg. Die Stadt setzt verstärkt auf mobile Geschwindigkeitsmessung. Der ertragreichste Blitzer brachte mehr als eine Million Euro ein.

Die Verwarn- und Bußgelder aus der Geschwindigkeitsüberwachung haben Hamburg in den vergangenen Jahren ein verlässliches Plus beschert. In Blitzer zu investieren bedeutete auch in eine Art Geschäft mit wachsender Rendite zu investieren: Nach oben ging’s immer, nach unten nimmer. Doch 2021 sind, erstmals seit Jahren, die Einnahmen wieder gesunken.

Rund 22,7 Millionen Euro – fast zwei Millionen Euro weniger als 2020 – kassierte die Stadt mit ihren stationären und mobilen Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen (GÜA), wie die Innenbehörde auf Abendblatt-Anfrage mitteilte. Allerdings liegen die Einnahmen weiterhin auf einem hohen Niveau und sogar mehr als eine Million Euro über denen des letzten Vor-Pandemie-Jahres 2019 – und das trotz Corona, rückläufigen Autoverkehrs und weniger Verstößen insgesamt.

Verkehr: Blitzer bescheren Hamburg 22,7 Millionen Euro

Den Buß- und Verwarngeldern aus dem Vorjahr liegen 846.865 Anzeigen zugrunde – das sind rund 30.000 Geschwindigkeitsverstöße weniger als im Jahr davor. Die Polizei führt den Rückgang auf das geringere Verkehrsaufkommen während der Pandemie zurück. Auffällig: Die fest installierten Blitzer, vor allem Messsäulen der Firmen Jenoptik und Vitronic, lösten 2021 deutlich weniger häufig aus als noch im Jahr davor.

Während die stationären Geräte 291.333-mal blitzten (2020: 412.042), erfasste die mobile Geschwindigkeitsüberwachung – dazu zählen die Blitzeranhänger der Polizei, Videomessfahrzeuge, Lichtschranken- und Handlasermessung – fast doppelt so viele Verstöße, nämlich 555.532 (2020: 464.673). Und die mobilen Messungen spülten mit 16,48 Millionen Euro auch das meiste Geld in die Stadtkasse, während es die stationären Geräte auf „nur“ 6,21 Millionen Euro brachten.

Blitzer: Hamburg baut Anhänger-Flotte aus

Wirklich überraschend ist dieser Trend nicht, eilt Hamburg doch beim Ausbau seiner Blitzeranhänger-Flotte buchstäblich im Blitz-Tempo voran. Bis Mitte 2019 verfügte die Stadt nur über vier Anhänger, bis Ende des Jahres kamen zwei hinzu. 2020 waren es acht, die auf 58.000 Stunden Betriebszeit kamen, und bis Ende 2021 schon 14.

Zwei weitere folgen dieses Jahr. Im Koalitionsvertrag hat sich Rot-Grün auf einen Zielbestand von 20 Stück geeinigt. „Wir verzeichnen eine Zunahme der Geschwindigkeitsverstöße, die durch die mobilen Geschwindigkeitsüberwachungsanhänger dokumentiert wurden“, sagt Ulf Schröder, Chef der Verkehrsdirektion in der Hamburger Polizei. „Der stetige Ausbau der Anhängerflotte ist somit folgerichtiger Bestandteil unserer erfolgreichen Verkehrssicherheitsarbeit.“ Einer der größten Vorteile der Blitzeranhänger: Sie sind flexibel einsetzbar und blitzen rund um die Uhr – ohne viel Personal zu binden.

Polizeidirektor Ulf Schröder ist Leiter der Verkehrsdirektion.
Polizeidirektor Ulf Schröder ist Leiter der Verkehrsdirektion. © Michael Rauhe

Während sich Autofahrer auf die stationären Blitzer gut einstellen und anpassen können, weiß niemand, wo im Stadtgebiet die Polizei ihre Anhänger aufstellt – für manch notorischen Zuschnellfahrer dürften sie deshalb längst zum Schrecken der Straße avanciert sein. Ein durchaus willkommener psychologischer Effekt, denn der so aufgebaute „Flächendruck“ soll Autofahrer zum (unbewussten) Einhalten der Limits animieren.

Wer damit rechnen muss, auch auf der gewohnten Route jederzeit geblitzt zu werden, so das Kalkül, hält sich eher an die Spielregeln – erst recht, nachdem im November die Bußgelder teils verdoppelt wurden. Auch wegen des Überraschungsmoments dürften die erfassten Tempoüberschreitungen mit den Blitzeranhängern im Mittel höher ausfallen als bei den stationären. Ein Indiz dafür: Im Schnitt mussten durch mobile Kontrollen überführte Temposünder im Vorjahr pro Strafzettel rund 30 Euro zahlen. Bei den fest installierten Geräten waren es fast 10 Euro weniger.

Mehr mobile Geschwindigkeitsmessung in Hamburg

Während die stationäre Infrastruktur seit Jahren nicht weiter ausgebaut wird, setzt Hamburg umso stärker auf mobile Messungen. Seit 2018 gab es jedes Jahr etwa 100.000 mehr davon – und auch mehr Bußgelder für die Stadt. Zum Vergleich: 2017 erleichterte Hamburg Temposünder um rund 15 Millionen Euro, nur drei Jahre später kassierte die Stadt fast zehn Millionen Euro mehr. Unter den zehn deutschen Städten, die mit Radarfallen mehr als eine Million Euro pro Jahr verdienen, belegt Hamburg nach Angaben des Deutschen Anwaltvereins den ersten Platz.

Die häufig geäußerte Kritik, mit den mobilen Blitzern doch nur Autofahrer abzocken zu wollen, weist die Innenbehörde indes zurück. „Um die schwächeren Verkehrsteilnehmer zu schützen, setzen wir die mobilen Anlagen schwerpunktmäßig vor Kitas, Schulen oder in Tempo-30-Bereichen ein“, sagt Behördensprecher Daniel Schaefer. Ziel sei es, „alle Verkehrsteilnehmer zur Rücksichtnahme anzuhalten und damit die Unfallgefahr weiter zu senken“.

Blitzer in Hamburg sind Zielscheibe von Zerstörungswut

Und das Risiko, einen schweren Unfall zu verursachen, erhöht massiv, wer durch die Stadt rast, wie die Polizei nicht müde wird zu betonen. Dennoch werden Blitzer, die ja nur bei selbstverschuldeten Verstößen auslösen, zur Zielscheibe blinder Zerstörungswut. So wurden Mitte 2021 in kurzer Zeit elf (!) der zwölf, rund 150.000 Euro teuren Blitzeranhänger teils schwer beschädigt. Im Alltag fällt die Sabotage der Späher am Straßenrand indes etwas subtiler aus: Da werden dann Autos mitunter so geparkt, dass sie den Sichtbereich der Anlagen versperren.

Die Stadt verfügt zudem über 43 stationäre Blitzer. Sie sind sukzessive modernisiert und gegen die alten „Starenkästen“ ausgetauscht worden. 2021 kamen keine hinzu. „Es sind auch keine neuen geplant“, sagt Schaefer. Die zwei ertragreichsten festen Blitzer sind an der Stresemannstraße in Betrieb. Der seit Jahren unangefochtene Bußgeld-Primus steht auf Höhe der Nummer 147, überführte 2021 mehr als 46.000 Autofahrer und brachte 1,035 Millionen Euro ein.

Top-Blitzer in Hamburg auf der Stresemannstraße

Der zweitplatzierte Blitzer wacht über die Tempo-30-Zone an der Nummer 70, hat 29.554 Temposünder erwischt und die Stadt um 794.000 Euro reicher gemacht. Es folgen auf den Plätzen drei bis fünf: die Finkenwerder Straße/Vollhöfner Weiden mit 26.568 Anzeigen und 547.000 Euro, die Kollaustraße/Papenreye (Richtung stadteinwärts) mit 15.122 Anzeigen/289.000 Euro. Schließlich die Saarlandstraße 69 in Fahrtrichtung City mit 11.526 Anzeigen und 237.000 Euro.

Brandgefährlich und unstreitig eine weitere Hauptunfallursache ist das Missachten von Rotlicht. 2021 wurden 18.842 Verstöße angezeigt. Bei verhängten Bußgeldern in Höhe von insgesamt 2,15 Millionen Euro schlug jeder Verstoß also mit durchschnittlich 114 Euro zu Buche – viel Geld für einen kurzen Moment der Unachtsamkeit, fast zu wenig für einen des vorsätzlichen Ignorierens.