Hamburg. Das drei Monate alte Mädchen erlitt massive Schädel- und Hirnverletzungen. Im Prozess versucht sich der angeklagte Vater zu erklären.

Ein zierlicher, zarter Kinderkörper. Wehrlos, schutzlos, auf Zuwendung und Geborgenheit angewiesen. Doch bevor die kleine Sandra (Name geändert) starb, hat der drei Monate alten Säugling erhebliche Gewalt erfahren. Das geht im Prozess vor dem Landgericht um den Tod des Babys aus dem Gutachten eines Sachverständigen hervor. Bei den massiven Schädel- und Hirnverletzungen, die Sandra erlitten hat, ergebe sich „mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit“, sagte ein Neuropathologe aus, dass der Säugling ein Schütteltrauma erlitten habe.

Weil er für den Tod seiner Tochter verantwortlich sein soll, muss sich der Vater des Säuglings, Paulo E., wegen Totschlags vor dem Schwurgericht verantworten. Die Anklage wirft dem 31-Jährigen vor, seine Tochter am 15. Mai vergangenen Jahres heftig geschüttelt und ihren Kopf gegen einen Widerstand geschlagen zu haben. Dadurch erlitt das Mädchen laut Staatsanwaltschaft eine Schädelfraktur, schwere Hirnblutungen und Einblutungen in die Netzhäute.

Baby totgeschüttelt? Vater spricht von Sturz

Eine Woche später erlag der Säugling seinen massiven Verletzungen. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung ausgesagt, er sei im Badezimmer mit seiner Tochter auf dem Arm gestürzt und auf ihren Kopf gefallen. Danach habe sie sich nicht mehr bewegt. Daraufhin habe er sie geschüttelt. „Ich hatte mich nicht mehr im Griff.“ Beim Schütteln sei er mit seiner Tochter „Stirn an Stirn geknallt“, so Paulo E.

Es müsse „ein heftiges Schütteln gewesen sein“, sagte der neuropathologische Experte Dr. Jakob Matschke an diesem Montag im Prozess. Aus Versuchen mit sogenannten Dummys sowie aus Schilderungen von geständigen Angeklagten in anderen Fällen wisse man, dass für so gravierende Verletzungen „erhebliche Energie über mehrere Sekunden und erhebliche Kraft“ erforderlich seien.

Beim Schütteln komme es zu schweren Beschleunigung- und Abbremsverletzungen, wenn der Kopf des Säuglings peitschenartig vor und zurück fliege. Der Schädelbruch, den Sandra zudem erlitten hat, sei eher nicht allein durch ein Sturzgeschehen des Babys zu erklären, sagte der Sachverständige weiter. Allerdings sei denkbar, dass eine solche Verletzung entstehe, wenn ein großer und schwerer Mann wie der Angeklagte auf den Kopf des Säuglings falle.

UKE: Getötetes Baby hatte Crystal Meth in den Haaren

Unterdessen berichtete die Sachverständige Dr. Stefanie Iwersen-Bergmann von dem Ergebnis der Blutproben-Untersuchung bei der kleinen Sandra. Dabei hätten unter anderem Narkosemittel festgestellt werden können, also Medikamente, die durchaus erwartbar sind, wenn jemand wie Sandra mehrere Tage lang auf der Intensivstation behandelt wird, erläuterte die Toxikologin.

Bei einer Analyse einer Haarprobe des Säuglings stießen die Experten jedoch auf eine Substanz, die ungewöhnlich erscheint. Die Toxikologen vom UKE fanden Spuren von Methamphetamin, besser bekannt als Crystal Meth, in einer recht hohen Konzentration.

Bei Konsumenten habe man die Vorstellung, dass der Stoff über das Blut in die Haare gelange. „Was in den Haaren eingelagert wurde, bleibt da drin und wird nicht abgebaut.“ Anders sei es allerdings bei Säuglingen. Wenn in deren Haaren Spuren von Drogen festgestellt werden, könnten diese bereits während der Schwangerschaft der Mutter über den Blutkreislauf in ihr ungeborenes Kind gelangt sein. Denkbar sei auch, dass die Mutter während der Stillzeit Rauschgift konsumiere und diese beim Stillen zum Kind gelangen.

Hat der Vater des Babys Drogen genommen?

Es gibt auch eine dritte Möglichkeit: Weil die Struktur der Kinderhaare sehr viel feiner sei als die eines Erwachsenen, könnten Substanzen von außen in die Haare des Säuglings hinein diffundieren, erklärte die Expertin. Dies geschehe beispielsweise durch Berührungen mit der Haut. Oder wenn die Eltern konsumieren, werde ein kleiner Teil der Drogen unter anderem über Schweiß ausgeschieden.

Es könne also durch Körperkontakt zur Kontamination der Kinderhaare kommen. „Man kann ableiten, dass im engen Umfeld des Kindes konsumiert wird.“ Das enge Umfeld von Sandra: Hat also der Vater Crystal Meth genommen? Oder die Mutter? Oder wer hatte sonst so intensiven Kontakt zu der Kleinen? Der Prozess wird fortgesetzt.