Hamburg. Hamburg ist mit acht Initiativen Hochburg der direkten Demokratie – doch die Pandemie behindert das Sammeln von Unterschriften.

Die Stadt an Elbe und Alster ist die Hochburg der direkten Demokratie. Derzeit sind laut einer Aufstellung der zuständigen Innenbehörde acht Volksinitiativen zu so unterschiedlichen Themen wie Klimaschutz, Wohnungsbau oder Rüstungsexporte auf den Weg gebracht. Nach Angaben des Vereins Mehr Demokratie entfällt damit jede dritte der aktuell bundesweit 24 Volksabstimmungen auf Hamburg.

Doch die Corona-Pandemie hat auch dem Eifer der engagierten Sammler und Sammlerinnen von Unterstützerunterschriften Grenzen gesetzt. Weil die Werbung für das eigene Anliegen in Zeiten der Kontaktreduzierung, der Maskenpflicht und Abstandsgebote sowie phasenweise der Versammlungsverbote deutlich schwieriger ist, hat die Bürgerschaft beschlossen, die gesetzlich vorgesehenen Fristen für den Ablauf der direkten Demokratie auszusetzen.

Bürgerinitiativen in Hamburg: Erschwerte Bedingungen für Volksbegehren

Der von SPD, Grünen, CDU und Linken gemeinsam eingebrachte Antrag sieht vor, dass das Verfahren verlängert werden kann, „wenn das Sammeln von Unterschriften für eine Volksinitiative oder ein Volksbegehren oder die Meinungsbildung zu einer Volksabstimmung aufgrund einer Naturkatastrophe oder eines ähnlichen Ereignisses höherer Gewalt erheblich und nicht nur kurzfristig erschwert ist“. Für die Pandemie hat die Bürgerschaft diese „höhere Gewalt“ per Beschluss festgestellt.

Vor allem die zweite Stufe der Volksgesetzgebung – das Volksbegehren – stellt die Protagonisten von Volksinitiativen in Pandemie-Zeiten vor Probleme, denn für den Erfolg müssen in drei Wochen rund 65.000 Unterstützerunterschriften analog gesammelt werden. Online-Unterschriften sind nicht erlaubt. Nach der jetzigen Planung könnten zwei von den beiden Hamburger Mietervereinen ins Leben gerufene Volksinitiativen im Laufe des kommenden Jahres ihr Volksbegehren starten – vorausgesetzt, die weitere Entwicklung der Omikron-Variante lässt das zu.

Volksinitiativen zum Mieter-, Klima- und Kinderschutz

Die Volksinitiativen „Boden & Wohnraum behalten – Hamburg sozial gestalten!“ und „Neubaumieten auf städtischem Grund – für immer günstig“ hatten bereits vor mehr als einem Jahr mit jeweils über 14.000 Unterschriften die erforderliche Mindestzahl von 10.000 Unterschriften klar überschritten. „Voraussichtlich bis Februar/März laufen noch Verhandlungen mit dem Senat. Sollte es zu keiner Einigung kommen, halte ich es für realistisch, die Volksbegehren nach den Sommerferien durchzuführen, wenn die Pandemie es zulässt“, sagt Marc Meyer, Vertreter von „Mieter helfen Mietern“ bei den Volksinitiativen mit dem gemeinsamen Untertitel „Keine Profite mit Boden & Miete“. Bei der einen Initiative geht es darum, dass die Stadt keine öffentlichen Liegenschaften mehr verkaufen darf, bei der anderen um den Bau von Wohnungen ausschließlich mit einer Eingangsmiete von 6,60 Euro pro Quadratmeter auf städtischen Grundstücken.

Trotz der Pandemie hatten die Aktiven der Volksinitiative „Rettet Hamburgs Grün – Klimaschutz jetzt“ in der zweiten Jahreshälfte Unterschriften gesammelt. Innerhalb von drei Monaten (statt der gesetzlich erlaubten sechs) konnten nach Angaben der Initiative mehr als 13.500 Unterstützer gewonnen werden, deren Unterschriften Mitte Dezember im Rathaus abgegeben wurden. Damit dürfte das erforderliche Quorum von 10.000 Unterschriften in jedem Fall überschritten sein. Ziel der Kampagne ist es, alle Grün-, Landwirtschafts- sowie Sport- und Freizeitflächen ab einer Größe von einem Hektar vor einer Bebauung und damit Versiegelung zu schützen.

Über Modellversuch für bedingungsloses Grundeinkommen wird noch verhandelt

Auch die Volksinitiative gegen Rüstungsexporte dürfte die erste Hürde der Volksgesetzgebung genommen haben. Die Initiative, die unter anderem von der Partei Die Linke getragen wird, gab am 14. Dezember nach eigenen Angaben 16.442 Unterschriften im Rathaus ab. „Senat und Bürgerschaft schaffen innerhalb eines Jahres eine Rechtsgrundlage, die den Transport und Umschlag von Rüstungsgütern über den Hamburger Hafen verbietet, und unternehmen alle notwendigen und zulässigen Schritte, um dieses Verbot unverzüglich umzusetzen“, lautet die Forderung der Initiative.

Am 22. Oktober dieses Jahres begann die Volksinitiative „Kinderschutz in Not- und Krisenzeiten“ mit der Sammlung der Unterschriften. Ziel ist die Aufhebung von Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie, die aus Sicht der Initiatoren das Wohl der Kinder zu sehr einschränken. Die Initiative will unter anderem die Aufhebung der Maskenpflicht für Kinder und Jugendliche in Schulen und Betreuungseinrichtungen erreichen. Seit dem 19. August dieses Jahres ist die Volksinitiative „Klimaentscheid Hamburg“ am Start. Das Ziel ist die Reform des Klimaschutzgesetzes und die Einhaltung des Pariser Klimaschutzabkommens.

Zwei weitere Volksinitiativen sind ein Fall für das Hamburgische Verfassungsgericht, das vom Senat wegen Verfassungsbedenken angerufen wurde. Im Dezember verhandelte das Gericht über die Initiative „Bürgerbegehren und Bürgerentscheide jetzt verbindlich machen – mehr Demokratie vor Ort“. Das Gericht will sein Urteil am 4. Februar 2022 verkünden. Diese Initiative wie auch die plebiszitäre Forderung „Hamburg soll Grundeinkommen testen!“ hatten die erste Stufe des Verfahrens mit der Abgabe von mehr als 10.000 Unterschriften bereits im Februar 2020 abgeschlossen. Bei der Initiative zur Einführung eines Modellversuchs für ein bedingungsloses Grundeinkommen steht die Verhandlung des Verfassungsgerichts noch aus.