Hamburg. 79,1 Prozent sind geimpft, doch die Variante breitet sich rasch aus. Auf den Intensivstationen sei die Lage “besorgniserregend“.
Omikron bleibt vorerst ein Rätsel: Was man über diese Variante des Coronavirus weiß, verunsichert und beruhigt zugleich. Die Spielart scheint deutlich infektiöser zu sein, vermuten Virologen und Ärzte. Manche sprechen davon, dass man bereits drei Tage nach einer Übertragung Symptome zeigen könne. Gleichzeitig jedoch heißt es: Omikron zeigt milde Krankheitsverläufe, bei Geimpften und Geboosterten vor allem. Es gibt die Hoffnung, dass mit einer breiten Impfkampagne, den Auffrischungen und möglicherweise vierten Impfungen Corona in Schach gehalten werden kann.
Doch zurzeit ist zu beobachten: Wie in ganz Deutschland steigt besonders auch in Hamburg der Anteil von Omikron unter den Corona-Fällen rapide an. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) sind in Hamburg 218 Fälle von Corona-Infektionen mit der Omikron-Variante des Virus bestätigt. Das bedeutet eine Steigerung um 45 Infektionen gegenüber dem Vortag. Hinzu kommen 1466 Verdachtsfälle – ein Plus von 148. Hamburg liegt damit nach Nordrhein-Westfalen (4481 Fälle insgesamt) und Bayern (2407 Fälle) weiterhin auf dem dritten Platz unter den 16 Bundesländern.
Corona Hamburg: Omikron breitet sich rasant aus
Die Omikron-Variante hat in Hamburg die Vorherrschaft übernommen. Das geht aus Zahlen von sequenzierten PCR-Tests hervor, die dem Abendblatt vorliegen. Sie stammen aus dem Labor Dr. Heidrich, das unter anderem die Verdachtsfälle aus dem Arztruf Hamburg untersucht und täglich meldet.
Vor drei Wochen fanden die Mitarbeiter dort nur einen einzigen Omikron-Fall unter den positiven Tests. Am 16. Dezember betrug der Anteil der hochansteckenden Variante bereits 22 Prozent. „Heute sind es 50 Prozent“, sagte Dr. Jens Heidrich. Sein Labor macht in drei Schichten rund 2000 Tests pro Tag. „Es ist zu vermuten, dass Omikron spätestens Ende Januar Delta verdrängt haben wird und die alles beherrschende Variante ist.“
Die Zahlen aus dem Arztruf Hamburg über die Tests belegen allein für Dienstag: 864 Abstriche bei Corona-Verdachtsfällen, 550 waren positiv. Omikron schlägt ins Kontor, weiß Heidrich. Sein Labor wertet mittlerweile jede zweite Sequenzierung als Omikron aus. Spätestens bis Ende Januar, glaubt er, ist Delta verdrängt.
Omikron-Belastung in Hamburg am höchsten
Gemessen an der Zahl der Bevölkerung ist jedenfalls die nachgewiesene Omikron-Belastung in Hamburg am höchsten. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) machte am Mittwoch geltend, dass es aufgrund der Feiertage möglicherweise zu erheblichen Nachmeldungen kommen wird. In Hamburg hatten die Gesundheitsämter auch während des Weihnachtsfestes ihre Daten aktualisiert – im Gegensatz zu mehreren anderen Ländern.
Martin Helfrich, Sprecher der Gesundheitsbehörde, erwartet in den kommenden Tagen eine erhebliche Steigerung des Anteils der neuartigen Virus-Variante an den Gesamt-Neuinfektionen. „Die Geschwindigkeit der Verbreitung ist hoch“, sagte Helfrich. „Die Frage ist nicht, ob, sondern wann Omikron die vorherrschende Variante wird.“ Erfahrungsgemäß würden sich „mehrere Hundert“ der Omikron-Verdachtsfälle bestätigen. „Man kann noch nicht sagen, ob das problematische Folgen für das Gesundheitssystem haben wird“, sagte der Sprecher.
Asklepios-Chefarzt: „Lassen Sie sich impfen und boostern!“
Die Lage auf den Intensivstationen nennt Asklepios-Chefarzt und Intensivmediziner Prof. Christian Weber besorgniserregend, aber „aktuell meilenweit von einer Triage entfernt“. Selbst wenn sich Krankenhäuser bei angespannten Situationen auf Intensivstationen vorübergehend von der Leitstelle abmeldeten, sprängen andere ein. „Das ist klinikübergreifend und konzernübergreifend oft schnell zu regeln. Man bekommt mit, wenn irgendwo die Belastungsgrenze erreicht ist und hilft sich durch Übernahmen von Patienten gegenseitig.“
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Dennoch sei es für Ärzte und Pflegekräfte oft „frustrierend“, wenn Menschen ungeimpft auf die Intensivstation müssten. Das Risiko, bei Covid-19 einen schweren Verlauf zu erleiden, sei durch die Impfung deutlich zu reduzieren. „Die kritischen Verläufe, das sind in überwiegender Mehrheit die Ungeimpften. Sie haben oft zudem Risikofaktoren wie Adipositas oder andere Vorerkrankungen. Deshalb ist mein klares Votum: Lassen Sie sich impfen und boostern!“
Hamburg bei Impfquote hinter Bremen und dem Saarland
Die Vorsitzende des Hausärzteverbandes, Dr. Jana Husemann, erwartet, dass durch Omikron die Zahl der Neuin-fektionen nicht so schnell sinken werde. Mit einer Impfung oder Auffrischung sei man aber gut geschützt. Es mache keinen Sinn, erst auf den speziell auf Omikron abgestimmten Wirkstoff zu warten. Auf die Praxen komme jetzt viel Arbeit zu. Sie habe allerdings die Hoffnung, dass der stationäre Bereich und die Intensivstationen der Krankenhäuser bald entlastet würden.
Hamburgs Impfquote bei den vollständig Immunisierten liegt bei 76,8 Prozent (bundesweit 71,0). Das ist der drittbeste Wert nach Bremen (82,9) und dem Saarland (77,2). 79,1 Prozent der Hamburger sind einmal geimpft – damit hat die Hansestadt das 80-Prozent-Ziel schon fast erreicht, das die neue Bundesregierung bis Ende Januar erreichen will. Beim Boostern hat Hamburg vom vorletzten auf den drittletzten Platz aufgeholt: 31,6 Prozent sind geschafft, bundesweit liegt der Wert bei 37,3.
Unterdessen hat es vor Weihnachten an der Rudolf-Steiner-Schule in Bergedorf einen Corona-Ausbruch gegeben. Nach Angaben des bezirklichen Gesundheitsamtes hatten sich 18 Schülerinnen und Schüler mehrerer Klassenstufen mit dem Virus infiziert. Laut Schulbehörde hatte die Schule am 10. Dezember einen, am 12. Dezember drei, am 14. Dezember acht und am 16. Dezember schließlich neun Neuinfektionen gemeldet. Die infizierten Schüler wurden laut Gesundheitsamt in Quarantäne versetzt, deren Dauer inzwischen verstrichen sei.
Schleswig-Holstein: Infektionen überwiegend mit Omikron
Aus dem Umfeld des Kita „Elkes 7 Zwerge“ am Kirchenheerweg (Kirchwerder) sind 26 Menschen – 13 Kinder und 13 Erwachsene – infiziert, sieben von ihnen mit Omikron, berichtet Ulf von Krenski, stellvertretender Bezirksamtsleiter. „Das primäre Ausbruchsgeschehen ging von einem Personenkreis von Erwachsenen aus. Ein Kita-Zusammenhang war zunächst nicht zu erkennen.“ Dass Eltern im NDR äußerten, das Gesundheitsamt sei nicht erreichbar gewesen, verstehe er nicht: Das Bergedorfer Gesundheitsamt sei immer zu erreichen, zudem habe es mit den Personen Kontakt aufgenommen, deren PCR-Test positiv war. Es habe vielmehr von der Kita nicht alle erforderlichen Angaben erhalten.
Auch in Schleswig-Holstein infizieren sich immer mehr Menschen immer schneller mit der Omikron-Variante. Bei den aktuellen Infektionen handelt es sich nach Angaben des Kieler Virologen Helmut Fickenscher überwiegend um die Omikron-Variante. Es seien am Dienstag nur noch wenige Delta-Fälle nachgewiesen worden, sagte der Leiter des Instituts für Infektionsmedizin der Christian-Albrechts-Universität. Man müsse beobachten, ob das stabil sei oder ein tagesaktueller Ausreißer.
Corona-Hotline der Barmer Krankenkasse weiterhin erreichbar
Die im Vergleich zu einigen anderen europäischen Ländern geringeren Infektionszahlen in Deutschland lassen sich nach Fickenschers Angaben mit der „angezogenen Handbremse“ hierzulande erklären. Großbritannien und Dänemark etwa hätten schon den Abschied von der Pandemie gefeiert, während in Deutschland frühzeitig die Maßnahmen wieder intensiviert worden seien. Das könne die Ausbreitung der Omikron-Variante bremsen, „aber natürlich nicht lange“.
Die wichtigste Information sei: „Egal, ob es etwas mehr oder weniger ansteckend ist, die Maßnahmen wie Masketragen, Abstandhalten, Impfungen, Händedesinfektion oder Händewaschen sind nach wie vor wirksam und sinnvoll und zusammen mit Kontaktbeschränkungen auch ausreichend.“ Bisher gebe es nur wenige schwere Erkrankungen durch die Omikron-Variante in Schleswig-Holstein. Von 835 betroffenen Personen mussten Fickenschers Angaben zufolge bisher nur zehn ins Krankenhaus.
Wegen der Nachfrage verlängert die Krankenkasse Barmer ihre Hotline zur Corona-Impfung für Kinder. Unter der kostenlosen Nummer 0800 84 84 111 beantwortet medizinisch geschultes Personal rund um die Uhr Fragen zur Impfung der Fünf- bis Elfjährigen mit Vorerkrankungen.