Tangstedt. Ein Jahr lang hat das Abendblatt Familie Heupel aus Tangstedt begleitet. Kurz vor Weihnachten hat sich die neunjährige Isa infiziert.
Sie haben gewusst, dass es jederzeit passieren kann, dass sich einer von ihnen irgendwo anstecken könnte. Aber als der Corona-Test dann tatsächlich positiv war, haben sich die Heupels schon erschrocken. So kurz vor Weihnachten, als schon die Oma zu Besuch gekommen war, um mit ihnen gemeinsam zu feiern. Dabei hatten sie Isa (9) die Tage zuvor wegen eines leichten Infekts extra zu Hause gelassen, nachdem es in der Schule einige Corona-Fälle gab. Doch sie hat sich trotzdem infiziert.
„Zum Glück ging es ihr aber trotzdem gut, und sie hatte keine Symptome“, sagt Eva Heupel. Vor einem Jahr hätten sie es vermutlich noch nicht mal gemerkt, dass sie sich angesteckt hat, so gut ging es ihr. Es ist erst bei einem Test aufgefallen. Eigentlich sollte Isa im Januar geimpft werden. Das ist jetzt erst einmal überflüssig.
Isa muss die ganze Zeit eine Maske tragen
Bei den Heupels ist man erleichtert, dass sich niemand sonst im Haus angesteckt hat – obwohl sie recht beengt wohnen und rund um die Uhr zusammen sind. Sie achten streng auf die Hygieneregeln, und sie achten darauf, dass Isa die ganze Zeit eine Maske trägt. Sogar beim Kuscheln, oder gerade dann. Silvester werden sie alleine feiern und gemeinsam auf das nächste Jahr anstoßen.
Vielleicht holt Eva dann auch wieder ihr Glücksglas heraus. Seit Anfang des Jahres hat sie in dem alten Weckglas Zettelchen mit Glücksmomenten gesammelt, die sie als Familie erlebt und aufgeschrieben haben. Im Frühjahr war das Glas voll und das Glücksritual ein bisschen in Vergessenheit geraten. Doch die Zettel spiegeln das Jahr von Familie Heupel wieder.
Eva wird bald selbst Mütterpflegerinnen ausbilden
Es nützt ja nichts. Der Gedanke hat Eva Heupel (44) das Jahr über begleitet. Ab und zu gab es Zeiten, da hat sie sich aufgeregt, ein bisschen gehadert. In diesen Momenten hat sie sich immer wieder gesagt: Es nützt ja nichts. Sie kann nichts an der Lage ändern. Sondern nur das Beste draus machen und ihre Energie lieber in sinnvolle Projekte stecken. Die Mütterpflege zum Beispiel, ihr Herzensprojekt.
Seit sie sich als Mütterpflegerin selbstständig gemacht hat, haben die Einsätze von Jahr zu Jahr zugenommen. Inzwischen bekommt sie so viele Anfragen, dass sie einige ablehnen muss. „Der Bedarf ist groß, und das Thema wird immer bekannter“, sagt die 44-Jährige, die in den vergangenen Wochen oft jeden Tag im Einsatz war und Frauen in oder nach einer Schwangerschaft betreut hat. Daran hat auch Corona nichts geändert, zum Glück. Ein bisschen schwieriger war es da schon, ihre Kurse wieder zum Laufen zu bringen. Nachdem sie coronabedingt acht Monate pausieren musste, laufen die Eltern-Kind-Kurse seit August wieder. Doch die Nachfrage ist verhalten, viel geringer als vor Corona.
Doch Eva Heupel will sich davon nicht unterkriegen lassen. Im kommenden Jahr wird sie selbst angehende Mütterpflegerinnen anleiten. „Je mehr Mütterpflegerinnen es gibt, um so besser für alle Frauen und ihre Familien“, sagt sie. Was sie sonst von 2022 erwartet? Darüber macht sie sich nicht viele Gedanken. Es kommt, wie es kommt. Es nützt ja nichts.
Isa freut sich auf eine Zeit ohne Masken – und ihre Patenschaft
Isa sagt gerade heraus, was sie denkt. Wenn etwas blöd war, dann darf man das auch so bezeichnen. Und wenn etwas toll war dann auch. Toll und blöd – wenn sie an das vergangene Jahr denkt, fallen ihr vor allem diese beiden Extreme ein.
Toll waren der Urlaub im Sommer, zusammen mit ihrer Oma und ihrem Onkel auf dem Bauernhof, wo sie gesehen haben, wie drei kleine Zicklein geboren wurden. Auch ihr Geburtstag im September war richtig toll, und das Wochenende in Siegen bei Oma. Sogar Weihnachten – obwohl sie da Corona hatte.
Blöd hingegen waren Homeschooling und die vielen Einschränkungen. Zum Beispiel die Maske im Unterricht, die stört einfach.
Isa hofft, dass Corona nächstes Jahr weniger wird und ganz verschwindet. Und dass sie keine Masken mehr tragen müssen. Sie freut sich schon auf 2022, im Sommer kommt sie in die vierte Klasse. Dann darf sie Patin werden und ein Kind aus der ersten Klasse betreuen. Das kann sie kaum noch erwarten.
Mara wünscht sich die Rückkehr zur Normalität
Wenn sich Mara (14) etwas wünschen dürfte, dann wäre das etwas ganz Unspektakuläres. Kein Geschenk und kein Urlaub. Sondern einfach nur Normalität. Normal zur Schule gehen, sich normal mit Freunden treffen können. So, wie es vor Corona mal war. Das soll nicht bedeuten, dass es ein schlechtes Jahr war und Corona ihr geschadet hat, im Gegenteil: Mara weiß, wie gut sie als Familie durch die Zeit gekommen sind.
Aber trotzdem: Wenn sie auf das Jahr zurückblickt, hängen gute und weniger gute Momente vor allem mit Corona und den damit verbundenen Einschränkungen zusammen. Weniger gut war die erste Zeit des Jahres, als sie nicht zur Schule konnte und Homeschooling machen musste. Als Kontakte mit Freunden eingeschränkt waren und „man sich viel selbst beibringen musste“, sagt Mara. Klar, sie kann all die Regeln verstehen und nachvollziehen – aber schwer war es trotzdem. „Deswegen habe ich mich um so mehr gefreut, als es im Frühjahr besser wurde und man wieder zur Schule konnte und Freunde treffen durfte.“ Im Sommer schien alles leicht, fast unbeschwert. Sogar Urlaub konnten sie machen. Daran denkt sie oft zurück.
Martin ist froh darüber, dass die Familie näher zusammengerückt ist
Wenn man ihn Anfang des Jahres gefragt hätte, was er von 2021 erwartet, hätte Martin Heupel (53) vermutlich nur mit den Schultern gezuckt. Es war lange nicht klar, was das Jahr beruflich bringen wird. In den vergangenen Jahren war Martin Heupel technischer Projektleiter von Produktentwicklungsprojekten der Johnson & Johnson Medical GmbH. Zuletzt hat er 2020 an der Markteinführung eines Produktes mitgearbeitet, das in der Magenchirurgie eingesetzt wird. „Seit knapp vier Monaten habe ich zwar einen neuen Titel, bin aber immer noch derselbe wie zuvor“, sagt Martin Heupel.
Es war ein turbulentes Jahr, aber geschadet habe es ihnen nicht – das betont er. Sie seien als Familie näher zusammengerückt – und das meint er nicht nur im übertragenen Sinne. „Da es bei uns zu Hause mit sechs oder sieben Personen recht eng ist, mussten wir alle ganz neu lernen, Rücksicht aufeinander zu nehmen“, so Heupel. Die Arbeit sei familienfreundlicher geworden, menschlicher. „Plötzlich hat man in Videokonferenzen die Kinder von Kollegen durchs Bild springen sehen und dadurch seine Mitarbeiter ganz neu kennengelernt als in vielen Jahren zuvor“, sagt Martin Heupel. Kaum jemand störe sich noch daran, wenn im Hintergrund mal ein Kind zu sehen sei – das wäre vor Corona kaum denkbar gewesen. Trotzdem: Er vermisst die persönlichen Kontakte mit den Kollegen, auch aus Übersee. Früher war er immer wieder beruflich in den USA, jetzt schon lange nicht mehr. Er hofft, dass es im nächsten Jahr wieder möglich sein wird zu reisen. „Auf jeden Fall wollen wir uns Hamburg angucken“, hat sich der Familienvater vorgenommen. „Wir wohnen hier schon so lange, haben von der Stadt aber weniger gesehen als die meisten Touristen.“ Sie würden gerne mal wieder ins Miniatur Wunderland. Und noch mal eine Bustour machen.
Mattia hat ihren Führerschein gemacht und schreibt bald Abi
Was für ein Jahr! 2021 steht für Mattia Heupel im Zeichen des Erwachsenwerdens. Sie ist 18 geworden, volljährlich, hat ihren Führerschein gemacht und darf alleine Auto fahren. Auch wenn sie schon immer sehr reif und selbstständig gewesen sei – „das jetzt ist noch mal eine ganz andere Stufe, die man erreicht hat“, sagt Mattia Heupel. Das Gefühl sei unbeschreiblich. Toll, nahezu berauschend – aber auch irgendwie beängstigend. „Wenn ich eine Entscheidung treffe, muss ich auch dafür geradestehen. Ich – und nicht meine Eltern. Das ist mir noch nie so klar gewesen wie jetzt“, so die 18-Jährige.
In den vergangenen Wochen hat sie ihr Vorabi geschrieben, jede Woche eine Klausur. Eine Zeit permanenten Drucks. „Man hatte das Gefühl, nie Pause machen zu können, sondern immer weiter und weiter lernen zu müssen.“ In den Ferien ist dann alles von ihr abgefallen, die ganze Anspannung, der Stress. Es war das Jahr der Weiterentwicklung – aber auch des Stillstandes, sportlich gesehen.
Noch nie war sie so viel verletzt wie in diesem Jahr, noch nie musste sie so lange pausieren und konnte kein Handball spielen. Erst war es die Kapsel am Finger, dann das Außenband. Und immer wieder die Schulter. Fast vier Monate ist sie ausgefallen. „Sport war für mich immer ein Ausgleich – daher war es besonders schlimm, einfach nichts tun zu können und stattdessen abwarten zu müssen, dass es wieder besser wird“, sagt Mattia.
Sie sagt, dass Corona ihre Familie näher zusammengebracht hat, dass sie jetzt ein noch stärkeres Team sind. Sie weiß, dass das ein Geschenk ist – sie hat gehört, dass sich viele andere Familien auseinandergelebt haben, daran fast zerbrochen sind. Viele ihrer Freunde können es kaum erwarten, nach dem Abi auszuziehen und von zu Hause wegzukommen – sie nicht. „Ich möchte hier bleiben“, sagt Mattia.
Sie hat noch keine Pläne für die Zeit nach dem Abi. Sie genießt die Freiheit, alles machen zu können – hat aber auch Respekt davor. Was wird das neue Jahr bringen? Wo wird sie in einem Jahr stehen? Fragen wie diese stellt sie sich immer wieder. Die Ungewissheit ist groß – die Freude auf das, was kommen wird, aber auch!
Paul will jetzt BWL studieren und Karriere machen
Es war das Jahr der Veränderungen. Der unerwarteten Wendungen. Anfang des Jahres schien für Paul Heupel alles festzustehen, klar zu sein: Im Mai wollte er ein Fernstudium Online Marketing beginnen und nebenbei seine Selbstständigkeit als Social Media Manager ausbauen. Doch dann ist es anders gekommen. Da die Jobs im Social Media Management ausblieben, hat er sich gegen das geplante Studium entschieden.
„Ich bin froh, dass ich diesen Entschluss gefasst habe“, sagt Paul Heupel. Natürlich habe er das früher planen können. Aber dann hätten sich die Dinge anders entwickelt – und er habe sich auch weiterentwickelt. „Und dann muss man sich der Situation anpassen“, sagt der 20-Jährige. Manchmal hört Paul Heupel, dass andere wegen Corona von einem „verlorenen Jahr“ sprechen. Er empfindet das nicht so, im Gegenteil: 2021 sei ein gutes Jahr gewesen, das ihn weitergebracht habe, reifer gemacht habe.
Durch den Nebenjob bei einer Investmentberatung habe er erkannt, was ihm liegt, und was er machen will. Er möchte Karriere machen und ein duales Studium in BWL beginnen, die ersten Bewerbungen an Firmen hat er bereits verschickt. Er hofft, dass er bald eine Zusage bekommt und irgendwann nächstes Jahr beginnen kann. Je früher, um so besser. Wenn er an 2021 zurückdenkt, sieht er mehr Höhen als Tiefen. Mehr Möglichkeiten als Einschränkungen. Er war mit Freunden in Barcelona und Italien, habe viel unternommen, viel erlebt. Vor Kurzem hat er den Fußballverein gewechselt, damit er weiter oben spielen kann. Sein Motto: Egal, was kommt, man darf sich nicht runterziehen lassen, sondern muss das Beste draus machen.