Hamburg. Im Prozess um den Tod eines Säuglings ist der Vater wegen Totschlags angeklagt. Er sagt: „Ich hatte mich nicht mehr im Griff.“

Als die kleine Sandra (Name geändert) per Notarztwagen in die Klinik kam, war schnell offensichtlich, wie schlecht es um den knapp zwölf Wochen alten Säugling steht. Allen sei klar gewesen, dass das Mädchen „definitiv“ in Lebensgefahr schwebte, beschrieb am Donnerstag im Prozess um den Tod des Säuglings der zuständige Anästhesist den Zustand des Kindes.

Eine Woche nach der Einlieferung des Babys im UKE am 15. Mai dieses Jahres war das Mädchen tot. Keine ärztliche Kunst hatte es retten können; viel zu massiv waren die Schäden, die Sandra davongetragen hatte. Weil er für den Tod seiner Tochter verantwortlich sein soll, muss sich der Vater des Säuglings, Paulo E., wegen Totschlags vor dem Schwurgericht verantworten.

Baby stirbt an einem schweren Schädelhirntrauma

Die Anklage wirft dem 31-Jährigen vor, seine Tochter heftig geschüttelt und ihren Kopf gegen einen Widerstand geschlagen zu haben. Dadurch erlitt das Mädchen laut Staatsanwaltschaft eine Schädelfraktur, schwere Hirnblutungen und Einblutungen in die Netzhäute. Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung ausgesagt, er sei im Badezimmer mit seiner Tochter auf dem Arm gestürzt. Danach habe sie sich nicht mehr bewegt. Daraufhin habe er sie geschüttelt. „Ich hatte mich nicht mehr im Griff.“ Beim Schütteln sei er mit seiner Tochter „Stirn an Stirn geknallt“.

Als Rechtsmediziner Prof. Jan Sperhake das erste Mal mit dem Fall zu tun hatte, zwei Tage nach deren Einlieferung in das UKE, „war das Kind am Leben, aber in einem Zustand, wo es quasi schon hirntot war“, erklärt der Sachverständige im Prozess.

Später, nachdem Sandra gestorben war, habe er den Säugling obduziert. Schon bei der äußeren Leichenschau seien mehrere Hautunterblutungen sichtbar gewesen, am Kopf des Kindes, aber auch an der Schulter und an den Armen. Die eigentliche Sektion habe ergeben, dass das Baby an den Folgen eines sehr schweren Schädelhirntraumas starb, berichtet der Experte. Es seien darüber hinaus Verletzungen festgestellt worden, die in ihrer Kombination typischerweise auf gewaltsames Schütteln hinweisen.

Angeklagter wirkt während des Berichts wie erstarrt

Darüber hinaus müsse auf den Kopf des Säuglings ein stumpfes Trauma, also eine Form von Stoß, eingewirkt haben. Ungewöhnlich sei eine Schädelfraktur, die einmal quer über den Kopf verlief. Eine solche Verletzung habe er „noch nie zuvor gesehen“, sagt der Rechtsmediziner. Die Art des Knochenbruchs spreche eher für eine gleichzeitige Gewalteinwirkung auf beide Seiten des Schädels beziehungsweise eine Art Quetschung. Durch ein Herunterfallen seien solche Verletzungen nicht zu erklären.

Während der Sachverständige seine Untersuchungsergebnisse erläutert, wirkt Paulo E. wie erstarrt. Der großgewachsene, kräftig gebaute Angeklagte stiert vor sich hin. Nachdem er an jenem 15. Mai seine Tochter geschüttelt hatte, hatte der 31-Jährige gesagt, habe er gewusst, „dass es nicht richtig ist. Ich weiß nicht, was mich da geritten hat.“