Hamburg. Seit Monaten leben sie zu fünft in einem Hostelzimmer – nach ihrer Rückkehr aus dem Ausland finden sie einfach keine bezahlbare Wohnung.

Mit sieben Koffern sind sie nach Hamburg gekommen. „Mehr haben wir nicht mehr“, sagt Bianka Blal. Es gibt viele Menschen, die in der Pandemie fast alles verloren haben, auch sie und ihr Mann Bader zählen dazu.

Seit Monaten leben sie mit ihren Kindern Jamal (7), Lina (10) und Ranya (17) zu fünft in einem Hostelzimmer nahe dem Berliner Tor. In dem kleinen Zimmer sind alle ihre Habseligkeiten notdürftig untergebracht. Es gibt ein Doppelbett, ein Etagenbett und ein Einzelbett, dazu noch einen Kühlschrank, den ihnen der Vermieter freundlicherweise in das Zimmer gestellt hat.

Die Pandemie habe alles kaputtgemacht

Dabei hatten Bianka und Bader Blal 2016 ein Abenteuer gewagt, auf das sich beide sehr gefreut hatten. Der 45-Jährige ist gebürtiger Marokkaner und entschied sich nach dem Tod seines Bruders, den Vater im Familienbetrieb in Rabat, Marokkos Hauptstadt, zu unterstützen.

„Die Familie hatte einen Marmorhandel. Wir haben da für uns eine Chance gesehen“, sagt Bianka Blal, die mit 18 Jahren aus Wismar nach Hamburg gekommen war und fortan hier lebte. „Die Kinder sind dort auf die internationale britische Schule gegangen. Jetzt können sie vier Sprachen – Deutsch, Englisch, Französisch und Arabisch. Darauf bin ich sehr stolz“, sagt die 43-Jährige. „Der Marmorhandel lief gut. Ich habe eine Kinderboutique eröffnet, wir hatten dort ein schönes Haus.“ Auf eine Wand ließ sie aus Heimatverbundenheit eine Hamburg-Silhouette samt Alsterdampfer malen.

Dann kam die Pandemie. „Wir bekamen keinen Marmor mehr geliefert, viele Aufträge wurden gecancelt. Wir hatten plötzlich Schulden“, sagt Bianka Blal. Sie hätten das Schulgeld nicht mehr aufbringen können, „wir mussten die Kinder von der Schule nehmen“. Die Pandemie habe alles kaputtgemacht, klagt die dreifache Mutter. „In Marokko gab es keine Unterstützung vom Staat. Wir haben alles verkauft, was wir noch hatten.“

Wohnungssuche in Hamburg: Knapp 70 Absagen

Im März 2021 sei ihr Mann, der seit vielen Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft hat, zurück nach Hamburg gegangen. Er konnte zurück in seinen alten Job bei einem Tee- und Kaffeehandel. „Er wollte eine Wohnung für uns suchen“, sagt Frau Blal, doch er hatte keinen Erfolg.

Seit Anfang September ist die ganze Familie in Hamburg nun wieder vereint, doch immer noch ohne Wohnung. Sie zogen alle in das Hostel und bemühten sich um staatliche Hilfe. „Das Amt für Wohnungsnotfälle hat uns in ein Hotel beim Hauptbahnhof geschickt. Da waren Prostituierte mit ihren Freiern auf dem Zimmer“, sagt Blal. „Wir durften dann wenigstens wieder zurück ins Hostel.“

Sie hätten zwar einen Dringlichkeitsschein bekommen und eine Liste mit Adressen von Genossenschaften und der Saga, aber bislang waren alle Anfragen ergebnislos: „Wir haben etwa 60 oder 70 Absagen bekommen, dabei hätten wir alles genommen. Insgesamt haben wir bestimmt schon 500 Bewerbungen geschickt. Aber bei Dreizimmerwohnungen heißt es, mit fünf Personen seien sie überbelegt und Vierzimmerwohnungen gibt es selten“, sagt Bianka Blal, die gern wieder in Mümmelmannsberg leben würde, wo sie früher zu Hause war. Durch die Pandemie könne man zu den Vermietern meist nur online Kontakt bekommen, das erschwere die Suche zusätzlich. „Wir haben pro Monat etwa 3200 bis 3500 Euro Einkommen. 1300 Euro warm können wir bezahlen.“

Zum Kochen muss Bianka Blal anstehen

Und so leben sie nun seit fast vier Monaten im Hostel auf engstem Raum. „Hier ist auch immer die Hölle los vor der Tür, viele Alkoholiker und Drogengeschäfte“, sagt Bianka Blal, aber im Hostel selbst sei es gut. Es gebe einen Gemeinschaftsraum und Gemeinschaftsbäder, alles sei sauber.

Eine fünfköpfige Familie in einem Hostelzimmer zu versorgen, sei aber keine einfache Angelegenheit: „Es gibt eine Möglichkeit, etwas zu kochen, aber die nutze ich nur sehr selten, weil dort immer Schlangestehen angesagt ist und es viel Wartezeit gibt“, sagt Blal. Und es gebe auch nur zwei kleine Kochplatten. Sie habe eine Heißluftfritteuse gekauft und auf die Fensterbank gestellt. „Dort drin machen wir bei offenem Fenster Pizza, Pommes, Würstchen, halt einfache Sachen.“

Um die Familienkasse aufzubessern, sucht auch Bianka Blal wieder Arbeit. „Bisher habe ich mich darum noch nicht kümmern können“, sagt sie, aber am Dienstag hatte sie einen Probetag in einer Bäckerei. Ob sie den Job bekommt, weiß sie noch nicht.

Auch die Weihnachtstage verbringen sie im Hostel

Nun steht Weihnachten vor der Tür. Statt zu Verwandten zu fahren, bleiben sie vorsichtshalber im Hostel. Denn die kleine Tochter hatte gerade eine Corona-Infektion. Der Rest der Familie testet sich seither ständig. Die Eltern hatten im August gerade Covid-19. Die ältere Tochter ist geimpft.

„Ich trauere allem so hinterher. Meine Seele und mein Herz sind in Marokko geblieben“, sagt die 43-Jährige, die ihre Zeit am liebsten mit ihrer Familie verbringt. Doch nun müsse sie stark sein für ihre Kinder: „Ich bin Mutter mit Herz und Seele. Sie will einfach die Hoffnung nicht aufgeben, dass es in dieser Stadt einen Platz für sie alle gibt. Jedenfalls mehr als die 16 Quadratmeter, die ihr Hostelzimmer derzeit misst.