Hamburg. Helmut Meierdierks vom Welcome Center des Flughafens spricht über glückliche Verlierer im Fundbüro und Heavy-Metal-Fans im Terminal.

Helmut Meierdierks ist ein Mensch, der Freude ausstrahlt – und er kann Freude bereiten: Der Manager des Welcome Centers im Hamburger Flughafen über die schönen Momente, wenn Suchende ihre Fundsachen wiedererhalten, Heavy-Metal-Fans ihren Weg – oder einfach eine Dusche finden..


Helmut Meierdierks über …

… das Hamburg Welcome Center:

Das Hamburg Welcome Center am Flughafen befindet sich auf der Ankunftsebene im Bereich der Airport Plaza an der Grenze zum Terminal 2. Wir sind ein Tourismus-Informationsschalter für alle Gäste, die Hamburg und den Norden besuchen. Wir sind der erste Anlaufpunkt. Nebenbei betreiben wir auch das Fundbüro des Flughafens und sind Informationsschalter für Fragen wie etwa diese: Welches HVV-Ticket benötige ich? Wie komme ich am günstigsten für die nächsten Tage durch die Stadt? Hier beraten wir und verkaufen ­Tickets an Touristen.

… Fundsachen am Flughafen:

Im Endeffekt wird alles verloren, was man sich vorstellen kann. An erster Stelle sind es Laptops und Tablets, dann Smartphones, Rucksäcke, Koffer und Schlüssel, vor allem Autoschlüssel. Im Herbst und Winter sind es viele Jacken.

… die verlustreichsten Monate:

Nehmen wir den Oktober als Beispiel mit den Herbstferien. Wir hatten in diesem Monat rund 450 Fundsachen. Immerhin: 45 Prozent sind wieder abgeholt worden.

... Dinge, die nicht abgeholt werden:

Es bleiben eine Menge Sachen bei uns liegen. Drei Monate lang bewahren wir die dann auf. Was nicht abgeholt wurde, wird von uns entsorgt oder gespendet. Das ist bei manchen Sachen ein heikles Thema, etwa bei Speicherkarten, Handys, Laptops. Da wird der Datenschutz ganz großgeschrieben. Wir geben diese Gegenstände an eine Hamburger Organisation weiter, die löscht mit speziellen Programmen alle Daten und gibt die Geräte dann an bedürftige Familien in Hamburg weiter.

… glückliche Verlierer:

Das ist das Schönste, wenn ein Gegenstand zum Besitzer zurückgeht. Im Oktober hatte ich einen vielleicht achtjährigen Jungen bei mir. Der hatte sein Plüschtier verloren. Eigentlich ein hässliches Ding, ein Monster mit fünf Beinen und einem Auge in Pink. Aber es war sein Lieblingstier! Für die Eltern war der Urlaub wahrscheinlich die Hölle, weil das Plüschtier in Hamburg geblieben war. Als wir ihm das Plüschtier bei der Rückkehr überreicht haben, ist er durch das Welcome Center gesprungen wie ein Duracell-Hase. Er jauchzte und hüpfte und hüpfte und freute sich so wahnsinnig. Das sind unbeschreiblich schöne Szenen.

... seltsame Fundgegenstände:

Teilweise werden schon sehr interessante, ja komische Gegenstände bei uns im Fundbüro abgegeben: Gebisse, also dritte Zähne etwa, und Rollatoren. Und das seltsamste: Die Abholquote bei diesen Dingen ist gleich null. Die werden meist auf den öffentlichen Toiletten gefunden. Wir wundern uns schon sehr, dass keiner danach fragt. Die Rollatoren spenden wir dann irgendwann an das Rote Kreuz.

… Pandemie-Fundsachen:

Impfpässe werden derzeit viel verloren. Im Durchschnitt werden sieben bis neun Impfpässe pro Woche bei uns abgegeben. Das ist übel für die Betroffenen, denn ich vielen Ländern braucht man für die Einreise den Impfpass auf Papier. Wir geben uns wirklich viel Mühe, damit die Pässe wieder zu ihren Besitzern zurückkommen. Wenn der Impfpass eine Adresse enthält, dann schicken wir ihn dahin – aber in 80 bis 90 Prozent der Fälle kommt der Pass zurück. Denn auf den meisten Impfpässen stehen uralte Adressen, die längst nicht mehr stimmen. Mein dringender Ratschlag: Bitte schreiben Sie Ihre aktuelle Adresse darauf – oder zumindest eine E-Mail-Adresse.

... Hilfe beim Wiederfinden:

Wir bieten eine Onlinesuche an. Je mehr der Suchende online angibt, je schneller finden wir bzw. das System den Gegenstand. Schwarzes Samsung-Handy reicht da nicht. Davon haben wir viele. Die Seriennummer eines Laptops, iPads oder eben des Handys hilft viel weiter. Die findet man in der Regel auf der Rechnung. Und bei Taschen: Packen Sie irgendwo Ihre Adresse hinein. Die muss nicht von außen sichtbar sein. Da wir die gleiche Software benutzen wie das städtische Fundbüro, wollen wir diese in Zukunft miteinander vernetzen. Das wird dann für alle leichter, denn man weiß ja nicht immer, wo man etwas verloren hat.

... seinen Werdegang:

Eigentlich bin ich ausgebildete Dienstleistungs-Fachkraft im einfachen, nicht technischen Postdienst. Den Begriff fand ich immer toll, weil er auf kein Formular passt. Auf gut Deutsch verbirgt sich dahinter: Briefträger. Das war früher ein ganz normaler Ausbildungsberuf mit einer dreijährigen Lehre. Meine Eltern wollten, dass ich das mache. Mein Traum war das nicht. Sechs, sieben Jahre habe ich den Beruf ausgeübt. Dadurch bin ich auch nach Hamburg gekommen. Irgendwann dachte ich mir, das kann es gewesen nicht sein. Also habe ich gekündigt, bin zum Arbeitsamt und habe gesagt: Ich möchte im Ausland arbeiten. Aber Was sagten die zu mir? „Bei Ihrer Ausbildung bestimmt nicht.“ Das hat mich enorm angespornt. Und ich habe gedacht: Ich werde es euch schon zeigen. Ich habe mich bei Reiseveranstaltern beworben und wurde Reiseleiter auf den Balearen und den Kanaren. Meine große Liebe habe ich auf den Kanaren kennengelernt. Irgendwann bekamen wir den Insel-Kollaps und beschlossen, nach Deutschland zurückzukehren. Wir haben uns gleich für Hamburg entschieden, und ich habe mich 2003 beim Check-in am Flughafen beworben.

… seine erste Begegnung mit Wacken:

Damals war ich noch im Passagier-Service tätig, hatte meinen Schichtdienst und war gerade dabei, die Tagesabrechnung am Schalter zu machen. Es war bereits weit nach 22 Uhr. Und plötzlich gucke ich hoch und sehe nur noch schwarz vor mir. Dann kam ein Bart, dann kamen die Haare. Da stand ein ganz blasser Typ mit einem Stock in der Hand, und auf dem Stock befand sich ein Totenkopf. Da hatte ich wirklich ein bisschen Angst. Mein Finger war schon unter der Tischplatte am Alarmknopf. Das war vielleicht 2005. Ich kannte damals Wacken nicht. Das Bild werde ich niemals vergessen. Der Mann hat immer wieder gefragt: Waeken? Where is Weggen? Ich hatte keine Ahnung, und es hat eine Weile gedauert, bis ich ihn verstanden und das Dorf Wacken auf einer Karte gefunden hatte. Ich habe mich gefragt: Was will der da?

… Wacken-Airport:

Mit den günstigeren Flugtickets sind wenig später Fans aus aller Welt gekommen. Das Festival wurde immer größer. Die Fans kommen aus Spanien, Portugal, Südamerika, Fernost, aus allen Ländern. Wir sind der nächste Flughafen an Wacken und haben uns im Terminal inzwischen darauf eingestellt: Zum Festival strahlen wir ein bisschen Wacken aus und organisieren Shuttlebusse. Wir empfangen die Fans ein wenig cooler als normal und haben irgendwann angefangen, jedes Jahr ein neues schwarzes „Wacken-Airport“-T-Shirt zu tragen. Das war freiwillig – aber natürlich hat das jeder mitgemacht. Das ist mal etwas anderes als die normale Uniform.

... Szenen am Ende des Festivals:

Man weiß ja, dass Wacken im Großen und Ganzen eine ziemlich matschige Angelegenheit ist. Meistens regnet es. So stellen wir am Abreisetag Duschen kostenlos für die Wacken-Fans zur Verfügung. Das machen wir sowohl für die Festivalbesucher als auch zum Wohl aller anderen Passagiere. Das Schöne: Sonntag ist auch ein großer An- und Abreisetag von Kreuzfahrern. Die sind nun in der Regel ein bisschen feiner angezogen. Das ist ein herrliches Bild in den Terminals. Dieser Mix aus Kreuzfahrtgästen und Heavy-Metal-Festivalbesuchern. Das ist richtig schön.

… sein Traum-Reiseziel:

Die Färöer-Inseln! Ich liebe Outdoor-Aktivitäten, Wandern, Fahrradfahren. Die Färöer müssen ein tolles Ziel dafür sein.

… seinen Lieblingsort am Flughafen:

Das sind die Terminals. Die großen Hallen, in denen man die Menschen mit ihren unterschiedlichen Nationalitäten und Mentalitäten trifft. Besonders schön ist es, mit offenen Augen durch die Terminals zu gehen und einen hilfesuchenden Menschen zu fragen: Kann ich Ihnen helfen? Das Lächeln, das das auslöst, ist einfach herrlich!