Hamburg. Im Chocoversum wartet eine Erlebnis- und Genussreise durch die Welt des Kakaos – mit Eigenkreationen der Besucher.

Gucken ist gut, Naschen besser. Wer im Chocoversum die Entstehungsgeschichte der Schokolade sehr praktisch erlebt, kann sich wie im Schlaraffenland fühlen. Station für Station beschert Geschmack. Ergebnis nach 90 Minuten ist neben reichlich Erfahrung eine nach persönlichem Gusto gestaltete Tafel. Sollte diese den Heimweg überstehen, hat man mehr davon. Gerade in der Adventszeit indes ist Widerstand oft zwecklos – aus gewichtigem Grund.

„Ihr Süßen“, sagt Führerin Hilde Hötte zur Begrüßung. Das passt. Sie macht sich auf den Weg durch ein Museum mit Erlebnischarakter. Im Dezember vor zehn Jahren gegründet, kamen bisher mehr als eine Million Gäste in die 1200 Quadratmeter umfassende Ausstellung. Wenige Schritte vom Chilehaus entfernt hat die Schokolade ein Zuhause: ein mit Kalorienbomben gespicktes Paradies. Schließlich ist Hamburg Deutschlands Kakao-Hauptstadt und nach Amsterdam die Nummer zwei in Europa: Rund 150.000 Tonnen im Jahr werden über den Hafen importiert.

Chocoversum Hamburg: Ein Traum für Klein wie Groß

Hilde Hötte weiß mehr. Seit fast sieben Jahren ist die ausgebildete Schauspielerin im Chocoversum aktiv. Ihr Talent, Themen unterhaltsam zu verpacken, Informationen lebendig zu transportieren und Appetit zu wecken, kommt bei den 16 Teilnehmern an. Mehr sind coronabedingt nicht möglich. Vor der Pandemie durften pro Rundgang bis zu 40 Personen dabei sein. Nach Lockdown und Wiedereröffnung im Juni dieses­ Jahres ist im Dezember wieder an sieben Tagen in der Woche von 10 bis 18 Uhr geöffnet – Shop inklusive. Selbst­verständlich ab sofort alles mit 2G-Regelung.

Ohne Schokolade zu probieren geht es im Chocoversum natürlich gar nicht.
Ohne Schokolade zu probieren geht es im Chocoversum natürlich gar nicht. © Roland Magunia/Funke Foto Services | Roland Magunia

Nach lehrreicher Einführung in die weite Welt der Kakaobohne bittet Hilde Hötte in die Schokoladenwerkstatt. Es ist ein Traum für Klein wie Groß – und für die Sinne. Mit einer Kelle fließt flüssige Schokomasse, nach Wahl Vollmilch oder Zartbitter, in eine Hohlform. Sodann macht sich jeder ans Werk, seine Tafel herzustellen. Zur Veredlung stehen neun Zutaten bereit: bunte Schoko­linsen, Kokosflocken, gerösteter Kakao, Cranberries oder Gummibärchen zum Beispiel. Man kann sie eintunken, leicht baden, wieder wenden, komplett versenken, draufstreuen. Ehrlich, es gibt wenige Sünden, die süßer sind.

Derweil die beschrifteten Eigenkreationen in verglasten Kühlschränken deponiert werden, geht’s weiter. Zuvor sind wir durchs Probieren unterschiedlich gemahlener Kakaobohnen auf den Geschmack gekommen. In der warmen Mundhöhle entwickelt sich gewalztes, hellbraunes Pulver zu einer feinschmelzigen Schokocreme. Ein Englisch sprechender Gast schenkt seiner Begleiterin schmachtende Blicke. Auch er will mehr.

Kriegt er. Und zwar in der Produktionshalle nebenan. Historische Maschinen demonstrieren ansehnlich, wie aus Kakaomehl eine Schokotafel entsteht. Geschmackstests krönen die Führung. Neben dem Stamm von zehn Mitarbeiterinnen im Organisationsstab gehören rund 60 Guides zum Team. Frauenquote: gefühlt 90 Prozent. Vor Corona waren fast 100 Personen an Bord. Staatliche Zuschüsse verhinderten einen Konkurs des privaten Mitmachmuseums. Zuvor lief alles gut: 2019 wurde mit 200.000 zahlenden Kunden die bisher beste Resonanz verbucht.

Eine Kurskorrektur hatte sich bezahlt gemacht. Beim Start 2011 wurde das Chocoversum vom Bremer Unternehmen Hachez betrieben. Die hanseatische Traditionsfirma erhoffte sich in der größeren Nachbarstadt mit mehr Touristen einen stärkeren Zuspruch. Tatsächlich lief das Geschäft am Meßberg 1 anfangs schleppend. Zudem wurde Hachez an den dänischen Süßwarenkonzern Toms verkauft. Guter Rat war teuer.

Chocoversum: Herstellung von guter Schokolade

In dieser wirtschaftlichen Notsituation wurde mit Stephanie Schaub eine Museumsentwicklerin mit anpackendem Naturell und frischen Ideen als Retterin engagiert. Mit vereinten Kräften krempelte sie das Konzept um: Aus einer Ausstellung für Einzelbesucher entwickelte sich eine Erlebniswelt mit Gruppenführungen. Die aktuell gestoppten Pralinenkurse waren prima gebucht. Gemeinsam mit zwei Mitstreitern übernahm Frau Schaub die Gesellschaft, als deren Geschäftsführerin die 36 Jahre alte Hotelfachfrau und Betriebswirtin aktuell wirkt. „Die Entwicklung macht so viel Mut, dass wir 2023 mit einem zweiten Standort loslegen möchten“, kündigt sie an. Wahrscheinlich Berlin.

Zwar schied Hachez als Inhaber und Betreiber aus. Dennoch fungiert die Marke weiterhin als Partner. Offiziell heißt die Museumswelt in Hamburgs Altstadt „Chocoversum by Hachez.“ Zudem wurde ein Verbund mit anderen lokalen Touristenattraktionen wie dem Gewürzmuseum oder den Stadttourenexperten „Rosinenfischer“ geschmiedet. Der Eintritt kostet je nach Buchungszeitpunkt zwischen 13 und 19 Euro für Erwachsene, zwischen 10 und 12 Euro für Kinder sowie 36 und 50 Euro für Familien.

Doch nun gebührt Hilde Hötte das Wort. Temperamentvoll gestikulierend, erklärt sie die Herstellung von guter Schokolade – von der Bohnenernte bis zur Tafel. Nach Aufenthalten im Regenwald und im Hamburger Hafen sind wir in der Fabrikation angelangt. „Ihr Süßen, stellt die Sinne auf Empfang“, sagt die Frau mit Kittel und Mundschutz. Sie betont den Satz so, dass er gut ankommt. Was ebenfalls auf die flüssige Schokolade zutrifft. In einem fast ein Jahrhundert alten Melangeur wird sie gerührt – in der Praxis drei Tage, bei konstant 45 Grad. „Es ist ein meditativer Moment“, meint Hilde Hötte. Kein Widerspruch.

Souvenirs aus der Kakaowelt: Schokosenf, Schokoladenbier, Schokonudeln

Erneut darf jeder Teilnehmer naschen. Portionsweise wird die cremige Masse gereicht, auf Holzspachteln oder runden Keksen. In der Conche wird geknetet und gerührt. Die historische Verpackungsmaschine nebenan zeigt, wie kleine Tafeln entstehen. Parallel werden Fakten über nachhaltige Schokoproduktion, über fairen Handel und Weltmarktpreise eingestreut. So hatte ein 7,5 Gramm schweres Täfelchen vor dem Ersten Weltkrieg einen Wert von umgerechnet 15 bis 20 Euro. Ob und wie sich 100-Gramm-Tafeln für weniger als 1 Euro in Supermärkten bezahlt machen, kann man sich ausrechnen. Oder nicht.

Zum Ausklang der kurzweiligen, kalorienreichen Genussreise landen die Gäste auf einer weiteren Schokoladenseite. Der Shop im Foyer bietet alles Mögliche aus der Kakaowelt: Schokosenf, Schokoladenbier, Schokonudeln, kakaohaltige Grillsaucen.

Zum Schluss stellt sich eine Frage von Gewicht: Übersteht die selbst angefertigte Schokotafel den Weg nach Hause? Statt einer Antwort sei angemerkt: Die abgebissene Ecke ist das Marken­zeichen des Schokoladenmuseums. Aber es muss ja nicht die einzige bleiben.