Hamburg. In dem Buch “Wenn es mehr solcher Deutscher gäbe...“ erzählen Käthe und Ronald Holst Geschichten der Anwohner von Rutsch 1 am Elbhang.
Immer wieder gibt es in Hamburgs Stadtgeschichte Verblüffendes und wenig Bekanntes zu entdecken. Das macht auch das neue Buch des Blankenese-Chronisten Ronald Holst und seiner Frau Maike deutlich. In einem Doppelporträt widmen sich die beiden den Menschen, die einst in dem Haus mit der Anschrift Rutsch 1 lebten: Adolf (1883–1930) und Käthe (1886–1950) Köster – ein engagierter deutscher Minister und eine angesehene Malerin. Im Jahr 1913 hatte das junge Ehepaar Köster das Haus in Blankenese erworben, das damals noch nicht zu Hamburg gehörte.
SPD-Mitglied Köster, ein hochgebildetes Multitalent, machte in der Weimarer Republik rasch Karriere: 1920 wurde er mit nur 37 Jahren deutscher Außenminister, eine Jahr später übernahm er dann das Innenressort. Später fand Adolf Köster ein Betätigungsfeld im diplomatischen Korps – zunächst in Riga, dann in Belgrad.
Stadtgeschichte Hamburg: Adolf Köster in Blankenese
Er wäre vermutlich Botschafter in London geworden, doch dazu kam es nicht mehr. Während eines Empfangs in der Belgrader Botschaft erkrankte der Diplomat plötzlich schwer. Golo Mann erinnerte sich später: „A. K. wurde plötzlich von wütenden Schmerzen befallen, betäubte sich aber durch überreichliches Trinken, um seine Gäste nicht im Stich zu lassen. Am nächsten Vormittag war es dann zu spät.“ Köster starb kurz nach einer Blinddarmoperation an einer akuten Sepsis erst 46-jährig in Belgrad.
Als der Sarg überführt wurde, war in Hamburg Halbmast geflaggt, am Grab in Blankenese sprachen unter anderem Bürgermeister Rudolf Roß, Altonas Bürgermeister Max Brauer und SPD-Chef Otto Wels. Der Titel des neuen Buchs entspricht dem Ausspruch des späteren Papsts Pius XII., der über Köster sagte: „Wenn es mehr solcher Deutscher gäbe, stünde es besser in der Welt.“
Blankenese: Die Historie von Rutsch 1
Die beiden Kösters waren nicht die einzigen prominenten Hausbewohner am Rutsch 1, wie das Autorenteam belegen kann. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebten dort zeitweise der Tiefseeforscher Hans Hass und seine Ehefrau, die Schauspielerin Hannelore Schroth, samt Schroths Mutter Käthe Haack als Untermieter – zusammengerückt während der Not jener Jahre.
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Später heiratete Schroth den Köster-Sohn Peter. Das alte Fischerhaus Rutsch 1 wurde noch bis Ende der 1970er-Jahre von einem der Köster-Söhne und dessen Familie bewohnt, dann vermietet und später von der Erbengemeinschaft weiterverkauft. Heute ist es ein restauriertes Kleinod. Wer das Buch von Maike und Ronald Holst gelesen hat, wird das Haus mit der interessanten Geschichte künftig genauer betrachten.