Hamburg. Sport hält uns jung: Aber wie schafft man es, auch im Alter regelmäßig Sport zu treiben? Wir haben vier Menschen aus Hamburg gefragt.

Es gibt sie einfach, diese biologischen Wunder. Diese über 80-Jährigen, die noch immer von einer Fitness gesegnet sind, die so manchen 40-jährigen Bewegungsmuffel blass werden lässt. Was haben die, was ich nicht habe, lautet dann oft reflexhaft die Frage, oder genauer gesagt: Wie schaffen die das?

Genau das haben wir vier Hamburgerinnen und Hamburger gefragt – und mitunter verblüffend einfache Antworten bekommen. Die wichtigste gleich vorab: Ja, auch diese vier Menschen haben einen inneren Schweinehund, sie kennen ihn sogar ziemlich genau. Dass der sich allerdings mit erstaunlich einfachen Sätzen überwinden lässt, ist eine wohltuende Erkenntnis unserer Gespräche.

Gesundheit: Seniorin schwimmt 1000 Meter pro Woche

Denn Gründe, die eigentlich geplante Laufeinheit auf den nächsten Tag zu verschieben, gebe es schließlich immer, bestätigt Ursula Neubauer, die mit ihren 75 Jahren noch immer 1000 Meter pro Woche schwimmt. „Gerade jetzt im Herbst, wenn es draußen düster und nasskalt ist.“ Dabei müssten die Erkenntnisse der unzähligen Studien Grund genug sein, fitnessmäßig am Ball zu bleiben. Sport stärkt das Immunsystem, senkt den Bluthochdruck, lässt uns gesünder altern.

Bewegungsphysiologen der Ball State University im US-Bundesstaat Indiana fanden heraus, dass 75-Jährige, die über Jahre regelmäßig Sport getrieben hatten, ein Herz-Kreislauf-System hatten, das denen von Mitte Vierzigjährigen glich. Was vor allem deshalb so erstaunlich ist, weil bei Erwachsenen ab 30 Jahren die Fähigkeit, Sauerstoff zu verarbeiten, pro Jahrzehnt um etwa zehn Prozent abnimmt. Wer sich jetzt denkt: Hätte ich doch nur früher angefangen, der hat natürlich Recht, irrt aber trotzdem ein wenig: Selbst mit 50, 60 oder gar 90 Jahren kann der menschliche Körper noch Muskeln aufbauen und dadurch das Herz entlasten. Deshalb ist es durchaus sinnvoll, wie Gerda Seyffarth mit 94 Jahren noch ins Fitnessstudio zu gehen und dort mit Gewichten zu trainieren.

Ian Karan (82): „Manchmal geht es bei mir nur über den Willen“

„Natürlich merke ich, dass ich nicht mehr 20 bin, wenn ich Sport treibe. Ich merke es zum Beispiel beim Tennis, wenn ich ein Doppel spiele, dass meine Reflexe nachlassen und meine Schnelligkeit. Aber das muss man einfach akzeptieren, dass man nicht mehr so spritzig ist wie ein 20-Jähriger, das kann man ja selbst nicht beeinflussen.

Was ich durchaus beeinflussen kann, ist meine Fitness - und damit auch meine mentale Gesundheit. Ein gesunder Geist wohnt nur in einem gesunden Körper, dieser uralte Satz behält auch im Alter seinen wahren Kern. In meinem Leben hat Sport noch immer einen festen Platz. Schon als Kind in meinem Geburtsland Sri Lanka war ich ständig unterwegs, beim Cricket oder Boxen. Wir hatten ja auch kaum etwas Anderes, einen Gameboy oder so etwas kannten wir nicht.

Der ehemalige Wirtschaftssenator Ian Karan bei seinem wöchentlichen Tennistraining auf der Anlage des Klipper THC in Wellingsbüttel.
Der ehemalige Wirtschaftssenator Ian Karan bei seinem wöchentlichen Tennistraining auf der Anlage des Klipper THC in Wellingsbüttel. © MARK SANDTEN / FUNKE FOTO SERVICES | Mark Sandten / FUNKE FOTO SERVICES

Heute bin ich dreimal die Woche im Fitnessraum und mache meine Übungen, zweimal die Woche kommt mein Personal Trainer; darüber hinaus habe ich einmal die Woche Tennistraining und spiele alle 14 Tage ein Doppel. Gerade bei den Fitnessübungen geht es bei mir oft nur über den Willen, da muss ich meinen inneren Schweinehund überwinden, und das ist nicht leicht.

In solchen Momenten mache ich mir selber klar, wie viel es bedeutet, körperlich fit zu sein, wie hoch dadurch meine Lebensqualität ist. Und dass es Folgen haben wird, sich nicht zu quälen. Ich sehe das an Freunden, die manchmal sogar viel jünger sind als ich, aber körperlich und mental stark abbauen, weil sie sich kaum noch bewegen. Wozu ich mich nie überwinden muss ist Tennisspielen. Früh am Morgen und dann auch noch an der frischen Luft, das ist für mich so ziemlich das Schönste, was es gibt.“

Gerda Seyffarth (94): „Im Notfall nimmt man eben die Treppe“

„Schon als kleines Mädchen war ich immer beim Handball. Eigentlich hätte ich am liebsten Fußball gespielt, aber das gab es für Mädchen damals noch nicht. Handball machte mir bei den Sportfesten in meiner Jugend riesigen Spaß, und so ist es am Ende der Sport meines Lebens geworden. Ich fing mit 15 Jahren an, mit 18 wurde ich zusätzlich Trainerin der Jugendmannschaften. Im Alter von 60 Jahren spielte ich mein letztes Spiel für den Alstertaler Sportverein.

Seit 40 Jahren mache ich jeden Morgen zehn Minuten Gymnastik, und dazu muss ich mich wirklich regelmäßig zwingen, aber ich weiß, dass es mir gut tut und einen positiven Effekt auf meine Gesundheit hat. Gerade deswegen ist es nicht leicht zu sehen, dass Freundinnen, die teilweise 15 Jahre jünger sind als ich, nicht mehr allein aus dem Sessel hochkommen, dement sind oder ihr Leben im Rollstuhl verbringen.

Früher Handball, heute Fitnessstudio: Die Hamburgerin Gerda Seyffarth im Sportclub Alstertal-Langenhorn.
Früher Handball, heute Fitnessstudio: Die Hamburgerin Gerda Seyffarth im Sportclub Alstertal-Langenhorn. © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Wenn man alt wird, muss man sich eben umstellen, aber man muss immer etwas tun. Im Notfall nimmt man eben die Treppe als einziges Sportmittel und geht diese jeden Tag auf und ab. Es ist vor allem wichtig, keine Angst davor zu bekommen irgendwann nicht mehr die Treppe hochzukommen. Darüber denke ich erst nach, wenn es so weit ist.

Bis dahin mache ich weiter wie bisher – mache jeden Morgen meine Gymnastik, gehe dienstags mit meinen Freundinnen an der Alster spazieren, achte auf meine Ernährung (keine Kohlenhydrate nach 18 Uhr!) und gehe jeden Freitag ins Fitnessstudio des Sportclubs Alstertal-Langenhorn. Das hält mich körperlich und mental fit, und so bin ich auch in der Lage, neben dem Sport noch meinen anderen Hobbies nachzugehen, der Malerei zum Beispiel oder dem Schreiben meiner Biografie.“

Peter Grimm (81): „Möchte wieder in die Welt hinaus“

anchmal denke ich, es kann gar nicht sein, dass ich mit meinen 81 Jahren noch so fit bin. Ich bin dem lieben Gott für jeden Tag dankbar, und das merkt auch mein Umfeld. Aber vielleicht verdanke ich es nicht nur Gott, sondern auch meiner Leidenschaft zum Tanzsport, dass es mir heute noch immer so gut geht.

Mit 14 Jahren bin ich mit meiner Familie aus Dithmarschen in die Großstadt Hamburg gezogen. Um hier Anschluss zu finden, haben ich mich zunächst beim Geräteturnen angemeldet. Zwei Jahre später sind einige meiner Klassenkameraden in den Tanzclub gegangen. Ich bin ein paarmal mitgekommen und wollte dann gar nicht mehr aufhören. Auf der Suche nach einer Tanzpartnerin lernte ich im Club Céronne in Eimsbüttel meine spätere Ehefrau Elke kennen. Sie starb vor vier Jahren.

Sucht aktuell nach einer neuen Tanzpartnerin: Peter Grimm zusammen mit Trainer Jurij Kaiser im Tanzsaal des ETV Hamburg.
Sucht aktuell nach einer neuen Tanzpartnerin: Peter Grimm zusammen mit Trainer Jurij Kaiser im Tanzsaal des ETV Hamburg. © Roland Magunia/Funke Foto Services | Roland Magunia

Heute trainiere ich einmal die Woche mit meinem Trainer Jurij Kaiser (35) im Club Céronne des Eimsbütteler Turnverbands. Jurij gibt mir so viel Ruhe und ist für mich ein echter Glücksfall. Mein Ziel ist es aber, nächstes Jahr wieder am Turnier in Blackpool teilzunehmen, dem Mekka des Tanzsports. Ich bin fünf- bis sechsmal dagewesen und möchte wieder hin. Dafür suche ich aber noch nach einer neuen Partnerin, die über 60 ist, in der Klasse Senioren IV oder Leistungsstärke 66 tanzt und aus dem Hamburger Umland kommt. Ich möchte so gerne wieder in die Welt hinaus.

Das Tanzen hält vor allem meinen Kopf fit. Ich habe einfach Spaß am Tanzen und ein positiver Nebeneffekt ist, dass ich körperlich fit bleibe. Meine jetzige Frau sagt immer: ,Wenn ich dem das Tanzen wegnehme, guckt er nur noch Fernsehen und liegt auf der Couch.’ Da hat sie vielleicht recht, wenn ich mein Tanzen nicht habe, bin ich faul. Horst Hrubesch hat vor kurzem gesagt: ,Fußball macht nur dann Spaß, wenn du auch Spaß daran hast.’ Das stimmt, und das Gleiche gilt auch für das Tanzen.“

Ursula Neubauer (75): „Ich war nie Einzelkämpferin“

„Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mit dem Schwimmen begonnen habe. Mitglied beim SV Poseidon wurde ich mit meiner Geburt, dafür hatte meine Mutter gesorgt – und in Niendorf wohnten wir neben dem damaligen Freibad des Vereins, da mussten wir nur über den Zaun und waren im Wasser.

Dem Schwimmen bin ich seither treu geblieben. Ich bin bei Deutschen Meisterschaften geschwommen, habe Wasserball gespielt und schwimme noch heute das ganze Jahr hindurch, 1000 Meter einmal die Woche, das ist nicht viel, aber es ist wichtig. Dazu spiele ich noch Tennis, gehe jede Woche zur Gymnastik und fahre viel Fahrrad.

Wenn man älter wird, muss man etwas tun. So einfach ist das, sonst rächt sich der Körper. Selbst als meine Kinder klein waren, haben mein Mann und ich das durchgezogen – wenn ich zum Sport wollte, ist er bei den Kindern geblieben und umgekehrt. Wobei ich mich zum Schwimmen nie aufraffen musste und muss. Wasser ist so ein tolles Element, mein Leben lang denke ich das schon. Wenn ich schwimmen kann, bin ich glücklich.

Sport muss einfach sein. Man kann nicht nur auf dem Sofa sitzen und sagen, ach, das Wetter ist heute so schlecht und bei der Arbeit war’s stressig. Deshalb ist es immer gut, eine Freundin oder sogar eine Gruppe zu haben, mit der man Sport treibt, so dass ein gewisser Zwang herrscht und auch gefragt wird: Mensch, warum warst du denn nicht da beim letzten Mal? Als Einzelkämpferin hätte ich es deutlich schwerer gehabt dranzubleiben. Natürlich muss auch ich ab und zu meinen inneren Schweinehund überwinden, aber ehrlich gesagt gehe ich gar nicht so sehr ins Gespräch mit dem. Komm, das muss, sage ich in solchen Momenten zu mir selbst.“