Hamburg. Bürgermeister Tschentscher schließt Impfpflicht nicht mehr aus. Kassenarzt-Chef kritisiert „Vordrängler“. Senat beschließt neue Regeln.
Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) verhehlt nicht, dass er für jene, die immer noch zögern, sich impfen zu lassen, kein Verständnis hat. Dann müssten sie eben zusehen, wie sie sich für die Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln und zur Vorlage beim Arbeitsplatz einen Coronatest organisieren: „Ungeimpft ist schwer in Pandemiezeiten. Das geht schon beim Bus- und Bahnfahren los und insofern kann ich nur allen empfehlen, die Impfung in Angriff zu nehmen.“ Und zur Mühe für Ungeimpfte, bei der Arbeit täglich einen aktuellen Test vorweisen zu müssen, sagt er, dabei müssten sie ein Problem lösen, das sie ja selbst verursacht hätten.
Hamburgs Bürgermeister schließt auch eine allgemeine Impfpflicht nicht mehr aus. Viel wichtiger sei für ihn aber, umgehend die Impfpflicht etwa in Kliniken und Pflegeeinrichtungen einzuführen: „Die steht für uns im Vordergrund, die soll jetzt kommen“, sagt Tschentscher. Unterstützung bekommt er von der Zweiten Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne): „Es ist nicht akzeptabel, dass Menschen sterben, schwer erkranken und das Leben wieder eingeschränkt wird, weil einige sich nicht impfen lassen wollen.“ Alle, die bisher noch zögerten, müssten sich jetzt impfen lassen. „Wenn wir das nicht hinkriegen, brauchen wir eine allgemeine Impfpflicht.“
Corona Hamburg: „Wir brauchen Impfungen“
Laut Tschentscher lautet die aktuelle Botschaft in ganz Deutschland: „Testen reicht eben nicht, wir brauchen Impfungen.“ Mit vielen neuen Erstimpfungen habe man die Impflücken weiter verringern können und das solle auch so weitergehen. Von Montag an werden in Hamburg weitere Bereiche, die bislang nicht von der 2G-Regelung abgedeckt sind, dazukommen: Dann können nur noch Genesene und Geimpfte Theater, Kinos, andere Freizeiteinrichtungen und Hotels besuchen.
Bereits seit dem Wochenende gelten in Hamburg verschärfte 2G-Regeln. Nur noch Geimpfte und Genesene haben seither Zugang zu Bereichen wie Gastronomie, Bars und Clubs. Gleiches gilt für Sport in geschlossenen Räumen, für Freizeitchöre und Orchester sowie für körpernahe Dienstleistungen – sofern es sich nicht um Friseure, Fußpflege und medizinische Behandlungen dreht. Dort sind weiterhin Besuche unter 3G-Bedingungen möglich.
Vordrängler verkomplizieren die Lage
Allerdings ist es für Impfwillige derzeit nicht einfach, überhaupt einen Termin zu vereinbaren. Werner Plassmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVHH), appelliert daher an die Hamburger, die von der Ständigen Impfkommission (Stiko) empfohlenen sechs Monate bis zu Auffrischungsimpfung auch einzuhalten: „Was im Moment stört, das sind Menschen, die sich ,vordrängeln’, die weit bevor die Sechs-Monats-Frist abgelaufen ist, kommen, die dann manchmal weggeschickt werden, mit denen diskutiert wird.“
Man habe in der Impfkampagne alles, nur keine Zeit. Es sei sehr unglücklich, wenn diese dann den Betrieb aufhielten. „Achten Sie auf diese sechs Monate, dann können wir die Impfungen auch im Rhythmus des Impfzentrums abarbeiten.“ Die Bevorzugung jener, die noch gar nicht geimpft seien, sei absolut richtig, weil der Effekt der Erstimpfung auf die Pandemiesituation deutlich höher sei, als wenn jemand eine Boosterimpfung bekomme, sagt Plassmann.
Fachärzte wollen beim Impfen helfen
Etwa 1000 Arztpraxen impfen seinen Angaben zufolge bereits seit Monaten gegen Corona, nun würden auch die Fachärzte verstärkt einsteigen. Damit solle die bestehende Terminknappheit ein wenig abgemildert werden, denn das Ziel der Gesundheitsbehörde sind 160.000 Impfungen pro Woche. „Ich gehe davon aus, dass wir die aktuelle Kapazität noch deutlich hochfahren können.“ Noch im Lauf dieser Woche sollen weitere Angebote freigegeben werden.
Neben den Arztpraxen bauen auch einige Krankenhäuser ihre Impfangebote weiter aus. Das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) impft nach Angaben von Sprecherin Saskia Lemm Kinder und Jugendliche: „Derzeit prüfen wir, wie wir dieses Engagement ausweiten können. Wir gehen davon aus, dass das UKE zeitnah mit zwei bereits durchgeplanten externen Impfzentren am Start sein wird.“ Das Israelitische Krankenhaus bietet derzeit je 50 Impfungen an zwei Tagen pro Woche an, „ab dem 6. Dezember wird das Angebot um einen weiteren Tag pro Woche aufgestockt“, kündigt Sprecherin Frauke Jacobs an.
Polizei Hamburg: Kontrollen „auf hohem Niveau“
Die Polizei wird die Kontrollen der 2G-Regeln „auf hohem Niveau“ weiterführen, sagt Innensenator Andy Grote (SPD). Man habe am Wochenende etwa 400 Betriebe kontrolliert und dabei 58 Verstöße festgestellt, neun Betriebe wurden geschlossen – acht Gastrobetriebe und ein Friseur. Ein paar bleiben laut Grote bis Dezember dicht. Am Montag gab es 130 Kontrollen – mit 29 Verstößen und zwei Schließungen. Nach Angaben Grotes trifft die Polizei bei den Überprüfungen auf viel Verständnis.
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Die Opposition übt massiv Kritik an Rot-Grün. Dennis Thering, Vorsitzender der CDU-Bürgerschaftsfraktion, kritisiert die langen Wartezeiten für Termine und fordert: „Hamburg benötigt jetzt mehr Impfangebote in Form zusätzlicher mobiler Impfbusse, Impfmöglichkeiten in Einkaufszentren und Drive-Impf-Angebote.“
Corona Hamburg: AfD spricht sich gegen Impfpflicht aus
Die FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein sagt zu den neuen Corona-Entscheidungen des Senats: „Andernorts hat man auch ohne Empfehlung der Stiko längst mit den Vorbereitungen begonnen und kann jetzt sofort mit den Booster-Impfungen loslegen. In Hamburg aber verweist Rot-Grün die Bürger schlicht an die Ärzteschaft und hinkt beim Hochfahren der Impfzentren hinterher.“ Und AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann sagt: „Eine Impfpflicht darf es nicht geben! Das ist verfassungsrechtlich schwierig und es gefährdet den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“