Hamburg. Gudrun Buse erzählt über die bewegenden Höhen und Tiefen im Leben einer Pflegemutter. Jetzt wurde die Hamburgerin ausgezeichnet.

Es war ein Anruf, mit dem vor 32 Jahren alles begann. Als Gudrun Buse abnahm, war die Tochter ihrer damaligen Chefin am Apparat. Ob sie einen Nachmittag lang auf ihr neugeborenes Baby aufpassen könnte? Gudrun Buse, die nach dem Tod ihres Mannes alleinerziehende Mutter von zwei eigenen Kindern war, sagte zu.

Im Laufe des Nachmittags rief die Tochter der Chefin erneut an. Es gehe ihr nicht gut, ob sie ihren vier Wochen alten Sohn vielleicht bis zum Wochenende betreuen könnte? In Ordnung, sagte Gu­drun Buse. Am Wochenende folgte dann der dritte Anruf und der machte sie fassungslos: „Das Scheiß-Kind schenke ich Dir“, sagte die Mutter. Sie wollte ihr Kind nicht länger haben.

Dennis wuchs wie ein echtes Geschwisterkind auf

Was zu Pfingsten 1989 todtraurig begann, wendete sich jedoch in der Folge zum Guten – und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Gudrun Buse schloss den kleinen Jungen, Dennis, sehr ins Herz. Er wuchs auf wie ein echtes Geschwisterkind der beiden anderen und entwickelte sich prächtig.

Für Gudrun Buse wurde dieses Kind nicht nur zum Einstieg in eine lange Laufbahn als Pflegemutter, die neue Aufgabe bescherte ihr auch privates Glück: Über die Pflegschaften lernte sie ihren jetzigen Mann Heiko kennen, der ebenfalls Pflegekinder betreute – die beiden wurden ein Paar; vor zwei Jahren haben sie geheiratet. Für ihren Einsatz wurden sie jetzt von Sozialsenatorin
Melanie Leonhard (SPD) im Altonaer Rathaus mit der Medaille für treue Arbeit im Dienste des Volkes ausgezeichnet.

„Und plötzlich hatten wir ein Baby“

Zusammengenommen haben sie insgesamt sechs Pflegekinder betreut und aufwachsen sehen. Heiko Buse und seine damalige Frau konnten zunächst kein eigenes Kind bekommen und nahmen ein Pflegekind an. 1996 war ein kleiner Junge geboren worden, der unbedingt ein neues Zuhause brauchte. Das eine Harburger Kinderschutzhaus war überfüllt, im anderen grassierte eine problematische Krankheit. „Da durfte der Kleine nicht hin“, erzählt Buse im Abendblatt-Podcast „Morgens Zirkus, abends Theater“.

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Das Baby musste zunächst sechs Wochen im Krankenhaus behandelt werden, weil es nicht zunahm, und kam dann im Alter von zehn Wochen zu Heiko Buse und seiner damaligen Frau. „Die Leute haben uns schon etwas komisch angeschaut: Meine Ex-Frau war nicht schwanger gewesen und plötzlich hatten wir ein Baby.“ Die Pflegschaft war eigentlich nur für sechs Monate geplant, die Mutter sollte zunächst eine Therapie machen, verschwand dann jedoch von der Bildfläche. So blieb der Junge bis 2015 bei ihnen. Und nach den Pflegekindern kam 2004 auch ein eigenes Kind.

Wie gut es gelingt, die Mädchen und Jungen zu einem Teil der Familie werden zu lassen, so haben die Buses es erlebt, hängt auch von deren Alter ab. „Diejenigen, die als Babys in die Familie kommen, wachsen wie eigene Kinder auf. Wenn die Kinder schon zehn Jahre oder älter sind, bringen sie ein ganz anderes Gepäck im Rucksack mit.“ Da bekomme man auch schon mal zu hören: „Du bist ja gar nicht meine Mutter. Du hast mir gar nichts zu sagen.“

Gudrun Buse hatte eigentlich gar keinen Mann gesucht

Kennengelernt haben sich die Buses in einer Pflegeelterngruppe. Als Buse und seine damalige Frau sich trennten, fragte er Gudrun dann, ob sie bei ihm als Tagesmutter arbeiten wollte. Sie bekam in seinem Haus zwei Räume zur Verfügung gestellt für sich und ihren behinderten Pflegesohn. So kamen die beiden zusammen. „Ich habe eigentlich keinen Mann gesucht“, sagt Gudrun Buse, „aber der Heiko hat mich gefunden.“

Vor vier Jahren kam dann noch einmal ein vierjähriges Pflegekind dazu. Eigentlich wollte Gudrun Buse ihn zunächst nur für ein halbes Jahr übernehmen, schließlich ist sie schon 68 Jahre alt. Doch Chrissie wurde zum Vollzeitpflegekind, der bis zu seinem 18. Lebensjahr bei ihnen bleiben wird. Wenn er auszieht, werden sich die Buses rund 40 Jahre um Pflegekinder gekümmert haben.

Die Problematik mit den leiblichen Eltern

Problematisch fand es Gudrun Buse, dass meist die leiblichen Eltern das Sorgerecht für ihre Pflegekinder behalten haben. „Das ist für uns manchmal ganz schön schwierig, gerade wenn die Eltern zeitweilig abgetaucht sind. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Kinder, die weniger Kontakt zu ihren leiblichen Eltern haben, besser durchkommen, weil sie nicht immer hin und her gehen. Sie haben eine klarere Orientierung.“ Auch Heiko Buse kann berichten von enttäuschten Pflegekindern, wenn die leiblichen Eltern mal wieder einen eigentlich geplanten Besuch in letzter Minute abgesagt hatten.

„Dank sollte man von den Kindern nicht erwarten“

Der Lohn für ihren Einsatz ist für die Buses nicht die Auszeichnung, die sie jetzt erhalten haben. „Wenn man sieht, was aus den Kindern geworden ist, dann ist das meine schönste Belohnung“, sagt Gudrun Buse und berichtet stolz von ihrem „Großen“, dem Dennis, den sie aufnahm, als er vier Wochen alt war.

Er hat Fliesenleger gelernt, als Innungs­bester abgeschlossen, hat dann eine Prüfung als Bautechniker absolviert und sich schließlich bei der Hamburger Feuerwehr beworben. Seit Februar ist er dort verbeamtet. „Dank kann und sollte man von den Kindern nicht erwarten, aber es ist schön, wenn man sie auf einen guten Weg gebracht hat“, sagt Gudrun Buse.

In Hamburg setzt sich Pfiff – der Fachdienst für Familien seit 1991 für Pflegekinder ein und vermittelt sie an Familien. Weitere Informationen unter www.pfiff-hamburg.de