Hamburg. Lkw mit neuer Technologie erfasste 47-Jährigen. Verkehrssenator räumt jetzt Gefahren für Radfahrer ein und zieht Konsequenzen.

Erneut sorgt ein schwerer Radunfall für heftige Diskussionen: Nachdem am Freitagabend ein 47 Jahre alter Mann an der Habichtstraße von einem abbiegenden Lastwagen erfasst wurde und verstarb, räumt auch Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) eine stellenweise unsichere Streckenführung und Gefahren für Radfahrer ein.

In der Kritik stehen vor allem sogenannte Radfahrstreifen in Mittellage – also Bereiche, die zwischen Autospuren verlaufen und von abbiegenden Fahrzeugen überquert werden müssen. Anders als in vorherigen Fällen war der Lastwagen bei der aktuellen Tragödie in Bramfeld dabei technisch sogar optimal ausgestattet.

Tödlicher Radunfall: Lkw mit Abbiegeassistent ausgestattet

Nach Erkenntnissen der Polizei verfügt das etwa ein Jahr alte Fahrzeug über Kameraunterstützung und auch über einen Abbiegeassistenten. Der Fahrer, das ergab ein Atemalkoholtest, war zum Unfallzeitpunkt nüchtern. Hinweise auf Drogen- oder Medikamenteneinfluss liegen nicht vor. Sicherheitshalber wurde dem Mann eine Blutprobe entnommen. Der 56-Jährige stammt aus Dortmund und war in Hamburg offenbar ortsunkundig.

„Der Fall zeigt, dass wir uns nicht der Illusion hingeben können, dass Technik alle Unfälle vermeidet“, sagt Christian Hieff, Sprecher beim ADAC-Hansa. Im konkreten Fall hat er wegen der Verkehrsführung die Befürchtung, dass der Abbiegeassistent überhaupt keinen Abbiegevorgang annahm und deshalb nicht reagierte, weil das Fahrzeug in einem recht stumpfen Winkel von der Geradeausspur über die Fahrradspur auf den Abbiegefahrstreifen wechselte. „Ich will dem aber nicht vorgreifen. Gutachter müssen jetzt klären, warum die Technik nicht gegriffen hat“, so Hieff.

Radwege sollen nicht mehr in Mittellage geplant werden

Die Streckenführung an Kreuzungen wie an der Habichtstraße werden auch „Fahrradweichen“, von Radfahrern selbst sogar als „Angstweichen“, bezeichnet – da sie sich von vornherein unsicherer anfühlen als etwa seitlich abgetrennte Radwege. Auf entsprechende Kommentare nach dem aktuellen Unfall reagierte Senator Tjarks persönlich bei Twitter: Es sei bereits beschlossen, Radwege nicht mehr in der Mittellage zu planen.

„Die meisten fliegen aus den bestehenden Planungen raus, und der verbleibende Rest wird rot markiert“, so Tjarks bei Twitter. Zukünftig sei auch denkbar, die dortige Gefahr besonders zu kennzeichnen. Aber: Die „Fahrradweichen“ seien „nicht die einzige schwierige Infrastruktur in der Stadt. Da ist einfach viel zu tun.“

Höchstgeschwindigkeit soll reduziert werden

Das sieht der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) als Interessenvertreter ähnlich. „Fahrradweichen sollen Konflikte vermeiden, können diesen Anspruch aber im Alltag kaum erfüllen“, so ADFC-Sprecher Dirk Lau. Deshalb lehne man Radfahrstreifen in Mittellage (RiM) ab und begrüße den Planungsstopp.

Es seien aber weitere Schritte nötig: „Als eine Sofortmaßnahme sollte die Stadt Hamburg an Knoten mit RiMs, aber auch vor und auf anderen viel befahrenen Kreuzungen Tempo 30 als zulässige Höchstgeschwindigkeit anordnen, weil hohe Geschwindigkeiten, mit denen Kraftfahrer auch RiMs befahren, eine der Hauptgefahren im Straßenverkehr sind.“

Mehrere tote Radfahrer durch Verkehrsunfälle

Zudem brauche es weitere Schutzelemente. Die Verkehrssicherheit und der Schutz von Menschenleben müsse klaren Vorrang vor allen anderen Erwägungen haben. In Hamburg verunglückten im vergangenen Jahr 2735 Fahrradfahrer. Das sind, trotz Corona, so viele wie nie zuvor. Drei Radfahrer kamen bei Verkehrsunfällen ums Leben, zwei wurden von abbiegenden Lastwagen erfasst. In einem Fall starb ein Radfahrer nach der Kollision mit einem anderen Radfahrer.

Drei tödlich verunglückte Radfahrer ist auch der Durchschnittswert in den vergangenen elf Jahren. Lediglich 2014 gab es mit elf Opfern außergewöhnlich viele tödlich verunglückte Radfahrer auf Hamburgs Straßen. Die Zahl aller Unfälle mit Radfahrern, auch die ohne Verletzte, stieg von 2019 auf 2020 um 3,6 Prozent auf 3668. Bemerkenswert: Die Zahl der Unfälle zwischen Radfahrern und Autos oder Lastwagen ging um jeweils etwa zehn Prozent zurück. Die Polizei begründet die Entwicklung mit dem gestiegenen Radverkehr und gleichzeitig gesunkenem Fahrzeugverkehr wegen Corona.

Verkehr in Hamburg: Tödlicher Unfall an Habichtstraße

Auch am Montag kam es zu zwei Unfällen, bei denen eine Frau und ein Kind auf dem Rad jeweils von einem Auto erfasst und verletzt wurden. Ein Sprecher der Verkehrsbehörde zeigte sich zudem „zutiefst bestürzt“ über den jüngsten tödlichen Unfall an der Habichtstraße. Die dortige Kreuzung war 2019 umgestaltet worden. Bevor über mögliche Änderungen der Streckenführung entschieden wird, sollen zunächst die Ermittlungen der Polizei abgewartet werden.

Tod eines Radfahrers: Polizei sucht Unfallzeugen

Nach dem Radunfall in Bramfeld, bei dem der 47 Jahre alte Fahrradfahrer getötet wurde, bitten die Ermittler nun weitere mögliche Unfallzeugen, sich bei der Verkehrsdirektion Ost unter der Rufnummer 040/4286-53961 oder an einem Polizeikommissariat zu melden.