Hamburg. Marktbeschicker werfen Bezirk Bürokratie und „Sturheit“ vor. Eine volle Auslastung ist jedoch nicht gewünscht. Das sind die Gründe.
Rainer Raeder ist verzweifelt. Mehr als zwölf Jahre lang konnte er seine Waren dienstags und freitags auf dem Isemarkt anbieten. Einen festen Platz für seinen Stand hatte er zwar nie. Aber als sogenannter Tagesbewerber wurde ihm früh morgens stets eine freie Fläche zugewiesen. Seine ausschließlich in Hamburg produzierten Artikel wie Mützen, Seesäcke, Schlüsselanhänger oder Geschirrtücher wollte er auch gar nicht an einem festen Stammplatz verkaufen. „Ich bin gerne mal hier, mal da“, so seine Begründung.
Seit nunmehr eineinhalb Jahren aber bekommt Rainer Raeder nur noch sehr selten einen Platz auf den Isemarkt. Und das, obwohl es gerade dienstags auf Hamburgs beliebtestem Wochenmarkt viele Lücken gibt – insgesamt oft bis zu 100 Meter. Doch Raeder darf seinen Stand durchschnittlich nur alle vier Wochen aufbauen. Dienstags. Am verkaufsstärkeren Freitag war er das letzte Mal im Juli vor Ort. „Das sind Umsatzeinbußen von 75 Prozent“, sagt der 63-Jährige. Den anderen etwa 100 Tagesbewerbern gehe es ähnlich. „Uns setzt das sehr zu.“
Isemarkt: Vollständige Auslastung ist nicht gewünscht
Schon im April hatte das Abendblatt über die Lücken auf dem Isemarkt berichtet. Wie damals weist das Bezirksamt Eimsbüttel auch jetzt darauf hin, dass eine vollständige Auslastung des Marks pandemiebedingt nicht gewünscht sei. Außerdem erfolge die Tagesplatzvergabe eine Woche vorher per E-Mail, sodass kurzfristige Ausfälle am Montag- oder am Dienstagmorgen nicht mehr berücksichtigt werden könnten.
Eine Standplatzvergabe vor Ort, wie sie früher stattgefunden habe, könne zum Schutz der Marktmeister nicht mehr stattfinden, so Sprecherin Cornelia Rosenberg. Wenn – wie vor Corona – bis zu 50 Tagesbewerber kämen, könnten die Marktmeister die Abstandsregelungen zu ihrem Schutz nicht einhalten.
- Markthändler verraten Tipps rund um das Fruchtgemüse
- Wie eine Bankkauffrau in die Honigproduktion einstieg
Rainer Raeder ist empört über diese „Sturheit“. „Es wäre doch gar nicht notwendig, dass wir alle vor Ort sind. Wir könnten morgens beim Marktmeister anrufen, und dieser könnte uns melden, wo es Freiflächen durch spontane Ausfälle gibt.“ Er verstehe das Beharren des Bezirks auf dieser „Ausrede“ nicht. Denn: „In mehreren persönlichen Gesprächen mit dem Bezirksamtsleiter wurde Besserung gelobt“, so Rader. „Doch das ist alles im Sande verlaufen.“
Bürokratische Anmeldeverfahren ist nicht händlerkonform
Wilfried Thal, als Präsident des Ambulanten Gewerbes auch Interessenvertreter der Marktbeschicker, kann den Ärger von Tagesbewerbern wie Rainer Raeder verstehen. „Der Markt ist wegen seiner Bekanntheit und seiner Besucherzahlen gerade für Händler mit besonderen Produkten sehr wichtig, da in der Coronazeit auch Messen ausgefallen sind.“
Das bürokratische Anmeldeverfahren für den Isemarkt sei nicht händlerkonform; es müsse spontan telefonisch oder am Veranstaltungstag vor Ort stattfinden. „Der Isemarkt ist der einzige Wochenmarkt in Hamburg, der so lange an den Corona-Reglementarien festhält.“ Diese wären seinerzeit durchaus nachvollziehbar gewesen. „Jetzt aber wird es höchste Zeit, dass sich die Verantwortlichen bewegen und raus aus dem alten Corona-Denken kommen.“