Hamburg. Nachweis des Coronavirus in 28 Minuten: Technologie der sanaGroup kann Viren von Bakterien unterscheiden. Fegebank “begeistert“.

Die Entwicklung von PCR-Tests in der Corona-Pandemie hat zu einem gewaltigen Schub für die Biotechnologie geführt. Davon dürften in Kürze auch Patienten mit anderen Symptomen oder Erkrankungen profitieren. So ist die bei der Hamburger Firma SanaGroup entwickelte Test-Box in der Lage, innerhalb kurzer Zeit Viren, Bakterien und Keime aus Speichel- oder Blutproben zu identifizieren. Dadurch lassen sich nicht nur Dutzende Proben gleichzeitig mit höchster Genauigkeit auf das Coronavirus testen, sondern in Zukunft auch Abstriche zum Beispiel auf Bakterien, Krankenhauskeime oder HIV.

Mit diesem Gerät könne ein ganzes Labor ersetzt werden, sagte der geschäftsführende SanaGroup-Gesellschafter Thomas Wüstefeld am Montag. Die Box mit Komponenten aus China und Taiwan, die mit einem 3-D-Drucker hergestellt wurde, ist die Fortentwicklung der etwa Toaster-großen Einheit, die bereits beim HSV und zwei Dritteln der Bundesligavereine, bei der Lufthansa und in der Kreuzfahrtbranche zum Einsatz kommt, um in kurzer Zeit möglichst viele Menschen auf das Coronavirus zu testen (das Abendblatt berichtete).

Hamburger sanaGroup: PCR-Test mit künstlicher Intelligenz

Diese jüngste Entwicklung des in der Hand einer Hamburger Familie befindlichen Unternehmens könne schnell und verlässlich mit künstlicher Intelligenz aufwendige Blutbildanalysen vorwegnehmen. Bei einem Besuch der SanaGroup-Labore an den Elbbrücken zeigte sich Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) beeindruckt von der „Medizin made in Hamburg“, wie sie sagte. „Ich bin hellauf begeistert, was der Mittelstand leistet. Hier arbeiten Top-Forscherinnen und -Forscher, gepaart mit Unternehmergeist.“

Sie versprach, vor allem das Universitätsklinikum Eppendorf enger mit der Entwicklung der SanaGroup zu verdrahten. „Wir brauchen ein Feedback aus dem klinischen Bereich“, sagte Wüstefeld. Mit der Medizinischen Hochschule Hannover arbeite man bereits zusammen, ebenso mit der UCLA in Los Angeles. Der Datenaustausch sei extrem wichtig.

Eine Chance für die Früherkennung von Krebs

Wüstefelds Firma hat nicht nur für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar eine PCR-Test-Fabrik aufgebaut, sondern plant weitere Einsatzmöglichkeiten für den PCR-Schnelltest. Mit den Biontech-Kapitalgebern und 50-Prozent-Anteilseignern Andreas und Thomas Strüngmann will die sanaGroup über dasselbe Verfahren Krebstumore entdecken, bevor sie bedrohlich wachsen. „Es ist nicht mehr weit hin, bis wir erkennen, welche Tumorzelle sich da entwickelt.“

Gleichzeitig, glaubt Wüstefeld, könnten Medikamente dagegen passgenau entwickelt werden. „Wir müssen in der Medizin aus dem Repair-Modus herauskommen“, sagte der Unternehmer im Gespräch mit dem Abendblatt. Heißt: Weniger reparieren und mehr vorbeugen. Genauere Analysen könnten helfen, in kurzer Zeit mittels innovativer und vergleichsweise günstiger Technologie vom kleinen Vitaminmangel bis zur lebensbedrohlichen Blutvergiftung die Risiken von Patienten zu erkennen. Das Zauberwort dafür heißt „individualisierte Medizin“.

PCR-Gerät der sanaGroup kostet unter 10.000 Euro

Die Strüngmann-Zwillinge haben sich nach dem milliardenschweren Verkauf ihrer Hexal-Anteile genau diesem Thema gewidmet. Biontech und die Entwicklung des Corona-Impfstoffes auf Basis der mRNA-Technik sind auch das Resultat dieser Ideen. Wüstefeld spricht außerdem von den geschätzt mehreren Hunderttausend Menschen, die an einer Sepsis (Blutvergiftung) erkranken oder sogar daran sterben. Es würden aber generell zu viele Breitband-Antibiotika verabreicht, weil man die genauen Ursachen für Infektionen oft nicht kenne.

Das neue PCR-Gerät der sanaGroup kostet unter 10.000 Euro, die beim HSV und anderen Nutzern eingesetzte Box war noch mehrere Zehntausend Euro teuer. Weil die Antigen-Schnelltests nicht besonders verlässlich sind und es vermehrt Impfdurchbrüche gibt, läuft das PCR-Geschäft bei Corona aber noch weiter. Gerade erst hat ein sanaGroup-Team Crew und Passagiere eines Kreuzfahrtschiffes durchgetestet, bevor die Reise losging.

Sandsäcke verhinderten Erweiterungen

Neue Analyseverfahren werden es auch in Zukunft möglich machen, dass schon mit etwas Kapillarblut aus dem Finger oder dem Ohrläppchen sich schnell bestimmen lässt, wie viele Antikörper jemand entwickelt hat. Für die Frage, ob und wann jemand eine Auffrischungsimpfung gegen das Coronavirus braucht, kann das entscheidend sein.

Bislang haben indes Sandsäcke verhindert, dass das Biotech-Unternehmen an der Elbe wuchs wie geplant. An den Elbbrücken war keine Fläche, die Firma zu erweitern. „Wir wollten da Labore bauen“, so Wüstefeld. Sandsäcke, die dort für den Hochwasserschutz gelagert werden, sind offenbar unverrückbar. So wuchs die international aufgestellte sanaGroup vor allem im Ausland.

Mehr Flächen für Hamburger sanaGroup

In den vergangenen beiden Jahren ist die Zahl der Mitarbeiter auf mehr als 2400 angestiegen. Nur gut ein Zehntel davon forscht in Hamburg. Dass hier mehr für Hamburg drin ist, glaubt auch Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos): „Was hier geleistet wird, ist Wahnsinn.“ Er versprach, sich dafür einzusetzen, dass das Familienunternehmen, das seit Jahrzehnten Arzneimittel und Medizinprodukte herstellt, an seinem Hauptsitz Flächen bekomme.